Spätestens seit der Einführung der Euro 3-Abgasnorm hat der Vergaser bei Motorrädern für die Gemischaufbereitung keine Chance mehr. Einspritzanlagen übernehmen jetzt diese Aufgabe. Probleme mit schlechter Gasannahme werden seitdem meist am Rechner gelöst: Ein Mausklick reicht, um das Motormanagement mit frischer Software zu versorgen und die Gemischbildung entsprechend zu korrigieren. Doch über 90 Prozent der zugelassenen Bikes in Deutschland haben noch Vergaser. Wenn diese beim Gasaufreißen zicken, ist schrauberisches Know-how gefragt. Nachfolgend widmen wir uns der korrekten Einstellung des Vergasers bei Ein- und Zweizylindermotoren. Doch zuvor ist eine genaue Problemanalyse unverzichtbar.
Typische Probleme beim Vergaser
1. Kaltstartschwierigkeiten: Motor springt nur widerwillig an, geht immer wieder aus.
Mögliche Defekte: Benzin gelangt nicht in den Vergaser (Ursache vermutlich ein defekter Benzinhahn oder verdreckter Tank) Dreck in der Schwimmerkammer Leerlaufdüse zugesetzt Chokedüse zugesetzt Chokebetätigung hängt in Position "geschlossen" und funktioniert nicht richtig
2. Warmstartschwierigkeiten: Motor dreht nur stotternd hoch, raucht schwarz aus dem Auspuff, Zündkerze wird "nass".
Mögliche Defekte: Zuviel Benzin im Vergaser (Ursache vermutlich ein zu hoher Schwimmerstand) Chokebetätigung hängt in Position "offen". Der angesaugten Luft wird zu viel Benzin zugeführt. Das Gemisch ist zu fett, der Motor säuft ab. Gemischregulierschraube zu weit ausgedreht oder Luftregulierschraube zu weit eingedreht
3. Während der Fahrt: Motor zieht nicht richtig, reagiert beim Gasgeben träge und "verschluckt" sich, Motor wird zu heiß.
Mögliche Defekte: Motor läuft mit zu magerem Gemisch, weil die Vergaserdüsen oder der Benzinzulauf vom Tank verschmutzt sind Es gelangt nicht genügend Sprit in die Schwimmerkammer des Vergasers, weil der Benzinschlauch vom Tank her geknickt ist (oder was beim Packen oft übersehen wird: ein vom Tank-rucksackriemen eingeklemmter Benzinschlauch!) Tankentlüftung verstopft: Entlüftungsschlauch geknickt, verstopft oder Entlüftungsbohrung verdreckt. Weitere Möglichkeit: Entlüftung durch Tankrucksack abgedeckt. Vergasereinstellung: entweder Gemischregulierschraube zu weit eingedreht oder Luftregulierschraube zu weit ausgedreht Schwimmerstand zu niedrig Falschluft wird angesaugt, weil Vergaser- oder Ansaugstutzen lose oder rissig sind (Fehler SOFORT beseitigen, sonst droht ein kapitaler Motorschaden!)

Vergaser richtig abstimmen
Leerlauf- oder Standgasdrehzahl:
Je nach Motorkonfiguration liegt die Leerlaufdrehzahl zwischen 900/min (bei großen V2-Motoren), 1.200/min (beim großen Vierzylinder) bis hin zu ca. 1500/min (beim Einzylinder). Das Standgas muss so eingestellt sein, dass der Motor im Leerlauf leicht und locker vor sich hin blubbert und beim Ziehen der Kupplung und Einlegen des ersten Gangs nicht ausgeht.
Einstellen der Leerlaufdrehzahl:
Beim Ein- oder Zweizylindermotor mit einem Gaszug pro Vergaser wird das Standgas am Anschlag des Gasschiebers eingestellt. Die Anschlagschraube sitzt generell unten am Vergaser und ist meist waagerecht zum Gasschiebergehäuse eingebaut. Bei Mehrzylindermotoren mit einer Gaszug-Seilzugrolle gibt es eine zentrale Leerlauf-Einstellschraube.
Gaszugspiel ("Leerweg am Gasgriff"):
Der Gasgriff muss sich um einen bestimmten Betrag bewegen lassen, ohne dass sich die Drehzahl erhöht. Kontrolle: Kreidestrich am Gummi des Gasgriffs und Gasgriffgehäuse anbringen, Motor starten, leicht Gas geben – die Drehzahl darf sich erst dann erhöhen, wenn sich die beiden Striche zwei bis drei Millimeter voneinander entfernt haben. Zu viel Spiel schafft träges, unberechenbares Ansprechverhalten, zu geringes Spiel bringt ruckendes Fahren.
Leerlaufluft-Regulierschraube:
Ihre Standardöffnung liegt bei 1 1/4 bis 1 3/4 Umdrehungen "offen". Je weiter sie geöffnet ("ausgedreht") ist, desto mehr Luft bekommt der Motor beim Gas geben aus Standgasdrehzahl. Ist sie zu weit ausgedreht (mehr als 1 3/4 Umdrehungen), magert das Gemisch beim Gas geben ab: man hat das Gefühl, dass der Motor sich "verschluckt", nicht richtig beschleunigen will und kurz vor dem Absterben ist. Sollte die Schraube zu weit eingedreht sein (weniger als 1 1/4 Umdrehungen offen), ist das Gemisch zu fett und der Motor dreht nur träge hoch.
Leerlaufgemisch-Regulierschraube:
Auch ihre Standardeinstellung liegt bei 1 1/4 bis 1 3/4 Um-drehungen "offen". Im Gegensatz zur Luftregulierschraube regelt sie jedoch den Durchfluss von zusätzlichem Benzin, wenn Gas gegeben und mehr Luft angesaugt wird. Wenn die Leerlaufgemisch-Regulierschraube zu weit ausgedreht ist (mehr als 1 3/4 Umdrehungen), überfettet der Motor beim Beschleunigen, dreht nur träge hoch und raucht schwarz aus dem Auspuff. Ist sie dagegen zu weit eingedreht (weniger als 1 1/4 Umdrehungen), bekommt der Motor nicht genug Sprit und will nicht hochdrehen.
Düsennadel:
Sie ist konisch geformt. Beim Gas geben gibt die Düsennadel entsprechend zur Bewegung des Gasschiebers einen größeren Ringspalt zum Düsenstock frei, so dass mehr Benzin durchlaufen kann. Die Düsennadel hat meistens fünf verschiedene, überein-ander angeordnete Kerben, in denen sie über einen kleinen Sicherungsring im Gasschieber eingehängt ist: Standardposition ist meistens die dritte Kerbe von unten. Wird die Düsennadel nun eine Kerbe höher (bzw. niedriger) gehängt, läuft der Motor fetter (bzw. magerer). Damit lässt sich ein empfindlicher Motor (z. B. ein hochgezüchteter Zweitakter) auf unterschiedliche Wetterbedingungen fein abstimmen: Bei trockener, sauerstoffarmer Witterung hängt man die Düsennadel eine Kerbe tiefer; bei sauerstoffreicher Luft eine Kerbe höher.

Einstellarbeiten
Voraussetzungen: Motor ist mechanisch in Ordnung, Luftfilter sauber, Zündkerzen okay, Ventilspiel eingestellt.
1. Motor warmlaufen lassen, am besten zehn Kilometer mit mittlerer Drehzahl sanft warmfahren.
2. Leerlaufdrehzahl einstellen: Beim Einzylinder Gasschieber-Anschlagschraube entsprechend der Vorgabe ein- oder ausdrehen. Bei Zweizylindermotoren: Rechten und linken Vergaser so lange abwechselnd bearbeiten, bis man das Gefühl hat, dass der Motor gleichmäßig und ruhig läuft.
3. Gaszugspiel einstellen bzw. kontrollieren: dabei den Lenker bei laufendem Motor ganz nach rechts und links bis an den Lenkanschlag bewegen. Die Leerlaufdrehzahl darf sich durch die Lenkbewegungen auf keinen Fall verändern.
4. Bei Zweizylindermotoren: Anschlüsse zum Luftfilterkasten lösen und von den Vergasern abziehen, so dass freie Sicht auf beide Gasschieber besteht. Dann langsam Gas geben: Beide Gasschieber müssen den Vergaserquerschnitt gleichmäßig freigeben. 4.1. Gas geben, bis die Gasschieber oben am Rand stehen – es darf kein Absatz zu sehen oder zu spüren sein: beide Gasschieber müssen die Vergaserquerschnitte freigeben. Wenn nicht: Mit den Stellschrauben oben im Gasschieberdeckel korrigieren.
5. Ansprechverhalten aus Standgasdrehzahl einstellen: Motor starten, Luftregulierschraube bzw. Gemischregulierschraube ganz fein ein- bzw. ausdrehen, bis der Motor kurz vor dem Absterben ist. Dann um eine 1/4 Umdrehung zurückdrehen.
6. Anschließend stoßweise Gas geben, dann "Gas zu" und die Leerlaufdrehzahl wieder stabil absinken lassen.
7. Wenn der Motor nun sauber Gas annimmt, eine Probefahrt machen: Aus tiefen Drehzahlen heraus beschleunigen, der Motor muss sauber hochziehen und darf sich nicht verschlucken
Fazit
Nur mit sauber eingestellten Vergasern bringt der Motor seine volle Leistung und auch abgasseitig ist alles in Ordnung. Probleme in der Gemischaufbereitung können aber auch zu kapitalen Motorschäden führen.