Schnell-Horex 250 aus der Nachkriegszeit
dohc-Eigenbauten von Roland Schnell

Inhalt von

Anfang der 50er-Jahre darf Deutschland wieder am internationalen Motorsport teilnehmen. BMW, DKW, NSU und Horex entwickeln neue Renner für ihre Werkspiloten. Privatfahrer, die mit einem deutschen Fabrikat starten wollen, schauen jedoch in die Röhre. Bis Roland Schnell ihnen 1953 seine dohc-Eigenbauten anbietet.

dohc-Eigenbauten von Roland Schnell
Foto: Nöll

Gute Rennmaschinen sind Mangelware in den ersten Nachkriegsjahren. Es wird genommen, was der Krieg übrig gelassen hat. Anders die beiden Karlsruher Rennfahrer Roland Schnell und Hermann Gablenz: 1949 erwerben sie zwei der gerade erst auf dem Markt erschienenen Parilla „Speziale Corsa“ und optimieren die Maschinen nach ihren eigenen Vorstellungen. Hermann Gablenz erhält die 250er, sein Freund Roland Schnell die 350er-Maschine.

Kompletten Artikel kaufen
Schnell-Horex 250 aus der Nachkriegszeit
dohc-Eigenbauten von Roland Schnell
Sie erhalten den kompletten Artikel (8 Seiten) als PDF
2,00 € | Jetzt kaufen

Den ersten Sieg fährt Gablenz beim Schleizer Dreiecksrennen ein. Dies sollte kein Zufallstreffer sein, was er mit seinem Triumph auf dem Sachsenring beweist. In der Saison 1950 gewinnt er am Ende mit fünf Siegen bei den kompressorlosen Viertellitermaschinen die Deutsche Motorradmeisterschaft. Bei Roland Schnell dagegen machen sich die ständigen Verbesserungen an seiner Parilla erst 1951 bezahlt, die sich inzwischen zum schnellsten Motorrad der 350er-Klasse gemausert hat. Mit fünf ersten Plätzen wird er ebenfalls Deutscher Meister. Da reift in den Köpfen der beiden Freunde der kühne Plan von einer Eigenbau-Rennmaschine. Die Konstruk­tion sollte so ausgelegt sein, dass sich auf ihrer Basis Rennmaschinen der Hubraumklassen von 250 bis 500 cm³ bauen ließen.

Drei Einzylinder-Prototypen für 1952

Als Horex-Händler Gablenz von der Idee in Bad Homburg berichtet, signalisiert Horex-Chef Fritz Kleemann Interesse. Auch wenn man im Werk momentan intensiv an den 500er-Renntwins arbeitet, eine Kleinserie käuflicher Rennmaschinen erscheint ihm dennoch als willkommene Bereicherung, sie würde die einheimischen Fabrikate gegenüber den tonangebenden Production ­Racern von AJS, Moto Guzzi, Norton und Velocette stärken. Im Gegenzug für die finanzielle Unterstützung und die Lieferung von Teilen wie Gabel oder Bremsen sollte Schnell den Markennamen Horex auf dem Tank platzieren.

Nöll, Jürgen
250er-Schnell-Horex.

Bereits in Ausgabe 7/1952 weiß MOTORRAD zu ­berichten, „dass hier eine Einzylinder-Renntype von 250, 350 und auch 500 cm³ geschaffen wurde, die mit keinem bekannten Modell vergleichbar ist. Wenn diese Konstruktion hinhaut, und das ist anzunehmen, dann besteht für später die Hoffnung, dass noch mehr Privatfahrer diese ‚Extra’-Horex fahren werden.“

Weil sich Roland Schnell in den zurückliegenden Jahren in erster Linie als Konstrukteur und Hersteller von Fahrwerken einen Namen gemacht hatte, überraschte seine Motorkonstruktion umso mehr. Zwar lassen sich bei seinem Motor hier und da Anleihen aus seinen bisher ­einge­setzten Triebwerken von AJS, Norton und Parilla ­erkennen, doch das Konzept ist neu. So entspricht beispielsweise die Verwendung von Magnesium als Werkstoff für das Motorengehäuse seiner Vorliebe für den Leichtbau, wenngleich auch für die späteren Modelle Aluminium-Gehäuse zur Anwendung kommen. In den Anfängen der 50er-Jahre absolut unüblich ist das horizontal geteilte, mit Kühlrippen und Versteifungen rundum versehene Kurbelgehäuse. Vier lange Zuganker, die sogar die untere Gehäusehälfte des Motors durchlaufen, halten die einzelnen Baugruppen einschließlich Zylinder und Doppelnocken-Zylinderkopf zusammen.

Die beiden Hubscheiben, Hubzapfen und Lager­zapfen der Kurbelwelle sind miteinander verpresst. Aufgrund der geringen Stückzahlen, die zwischen 1952 und 1954 entstehen, ist quasi jeder Motor eine Einzelanfertigung. Dies gilt nicht nur für die unterschiedlich langen Hübe der drei angebotenen Hubraumklassen, sondern auch für die Ausführung der Kurbelwellen. Bei den 350ern ändern sich zwischen 1952 und 1953 die Zylinderdimensionen. Beim Halblitermotor, der mit 85 Millimeter Bohrung und 88 Millimeter Hub nur in höchstens sechs Exemplaren entsteht, finden auf der linken Antriebsseite durchweg breitere und im Durchmesser größere Hubscheiben Verwendung. Natürlich fließen auch im Rennsport erprobte Verbesserungen permanent in die laufende Kleinserie ein. So wird unter anderem dem anfänglichen Loswalzen und Verdrehen der zur Aufnahme der Kurbelwellenlager dienenden Stahlbuchsen durch eine entsprechende Fixierung entgegengewirkt, die Schnell unter Verwendung von Passstiften realisiert.

Hartchrom-Beschichtung bei Rennmotoren

Bei Norton gab es bereits in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg Aluminiumzylinder, deren Laufbuchsen aus Grauguss eingepresst waren. Beim Stuttgarter Kolbenhersteller Mahle werden zu Beginn der 50er-Jahre intensive Versuche durchgeführt, wobei diese schwergewichtigen Gusslaufbuchsen durch spezielle Hartchrom-Beschichtungen ersetzt wurden. Bereits 1951 kann dieses Verfahren bei den luftgekühlten 1,3-Liter-Boxermotoren von Porsche erfolgreich in Serie gehen. Als Roland Schnell auf diese neuartige Technik aufmerksam wird, setzt auch er die Hartchrom-Beschichtung bei seinen Rennmotoren ein.

Ebenfalls von Porsche übernimmt Schnell den Verzicht auf die bis dahin üblichen Ventilsitzringe, indem er eine annähernd gleich hohe Verschleißfestigkeit durch entsprechende Materialverdichtung an seinen Aluminium-Zylinderköpfen erreicht. Was bei den Porsche-Moto­ren in der Serie problemlos funktioniert, klappt im Renn­einsatz allerdings nicht optimal. Vor allem die thermisch hoch belasteten Auslassventile sinken frühzeitig ein und zwingen zum häufigen Nachstellen der Ventile.

Viele technische Besonderheiten

Neben der starken Verrippung fallen an Roland Schnells Einzylindern die auf der rechten Seite des Motors angeordneten, extrem langen Schächte zur Unterbringung der Steuerkette auf. Ein auf der Kurbelwelle befindliches Stirnrad treibt über ein Zwischenrad das auf der gemeinsamen Welle sitzende Kettenritzel an. Von hier führt eine Einfachrollenkette nach oben zur Einlass-Nockenwelle. Gleichzeitig wird mit dieser Kette auch der hinter dem Zylinder sitzende Bosch-Zündmagnet angetrieben.

Insgesamt vier auf der linken Motorseite im Nockenwellengehäuse befindliche Stirnräder übernehmen den Antrieb der Auslass-Nockenwelle. Durch die gerade Anzahl der Stirnräder ergeben sich für die beiden Nockenwellen unterschiedliche Drehrichtungen. Lediglich bei den frühen Einzylinder-Modellen findet zum Antrieb der Auslass-Nockenwelle eine Rollenkette Verwendung. Die Verstellung der Steuerzeiten erfolgt durch sogenannte Vernier-Verbindungen, bei denen sich die Zahnräder der Nockenwellen in unterschiedlichen Positionen auf der Welle durch Stifte fixieren lassen. Die Abdichtung der Ventilstößel übernehmen Wellendichtringe, die ungekapselten Haarnadelventilfedern lassen sich bei etwaigen Federbrüchen leicht austauschen.

Ein Dellorto SSI-Rennvergaser übernimmt die Gemischaufbereitung, während eine mit zwei Zahnradpaaren ausgestattete Ölpumpe den Motor mit Schmierstoff versorgt. Der Öltank befindet sich unter der Sitzbank, die Ölpumpe dagegen tief im Motorengehäuse. Sie wird mittels Stirnrädern direkt von der Kurbelwelle angetrieben.

Motor-Getriebe-Einheit wirkt wie ein Blockmotor

Im eingebauten Zustand wirkt die Motor-Getriebe-Einheit der Schnell-Horex wie ein Blockmotor. Tatsächlich sind jedoch Motor und Getriebe in getrennten, miteinander verschraubten Gehäusen untergebracht. Um den konstruktiven Aufwand in Grenzen zu halten, versucht Roland Schnell zunächst ein Getriebe „von der Stange“ zu verwenden. Mit Hilfe von Ex-DKW-Rennfahrer Hermann Gablenz lassen sich über alte Verbindungen zur DKW-Rennabteilung in Zschopau drei komplette Renngetriebe der DKW SS 250 mit passenden Schaltautomaten beschaffen. Die vier Gänge des rückwärts drehenden ­Getriebes sind 2,16 – 1,51 – 1,20 und 1,0 übersetzt.

Die Radsätze und Gehäusedeckel sowie die Schalt­automaten können tatsächlich übernommen werden, dennoch wird aus Platzgründen die Herstellung neuer Getriebegehäuse unumgänglich. Der Antrieb in Form von zwei gerade verzahnten Stirnrädern ist zusammen mit der Trockenkupplung in einem Leichtmetallgehäuse auf der linken Seite der Maschine untergebracht. Motorräder mit diesen ersten Getriebevarianten erkennt man leicht an der auf der linken Fahrzeugseite befindlichen Sekundärkette. Ab 1953 liefert dann die in Ludwigsburg ansässige Firma Getrag eine Kleinserie von Viergang-Renn­getrieben, die 1,938 – 1,40 – 1,136 und 1,0 übersetzt sind und ebenfalls über einen Stirnrad-Antrieb verfügen. Die Kette zum Hinterrad befindet sich bei diesen Varianten auf der rechten Fahrzeugseite.

Zum Saisonbeginn 1952 stehen erstmals zwei Prototypen beim Dieburger Dreiecksrennen am Start. Zur großen Überraschung belegt Gablenz mit der 250er bereits beim Debüt der Neukonstruktion den zweiten Platz. Doch schon beim Internationalen Rhein-Pokal-Rennen in Hockenheim zeigt sich, dass die Motoren wesentlich stärker sind als es die ultraleichten Fahrwerke verkraften. Schnell und Gablenz haben einen beeindruckenden Speed drauf, die Maschinen schwänzeln jedoch beängstigend.

Schnell landet mit seiner Konstruktion auf dem Treppchen

So sehr, dass Roland Schnell seine 350er aus Sicherheitsgründen sogar abstellen muss. Viel besser läuft es dagegen beim Eifelrennen auf der Nürburgring-Nordschleife. Zwar kommt Gablenz erneut nicht an Thorn-Prikker vorbei und muss sich hinter dessen Viertelliter-Moto Guzzi mit dem vierten Rang begnügen, doch dafür ist Roland Schnell auf der 350er ganz vorne mit dabei. Hinter Baltisberger auf AJS und Knees auf Norton geht Schnell als Dritter über die Ziellinie und steht erstmals, seit er seine eigene Konstruktion einsetzt, auf dem Treppchen. Nach dem Feldbergrennen liegen beide Einzylinder-Horex in der Meisterschaftswertung mit jeweils fünf Punkten auf Platz fünf. Bei den 350ern ist sie mit Abstand die beste deutsche Maschine, bei den 250ern ist es aber  die DKW von Werksfahrer Ewald Kluge auf Rang zwei.

Beim Eilenriede-Rennen am 29.Juni im Stadtwald von Hannover schafft es Schnell dann erstmals, die Maschinen von AJS und Norton hinter sich zu lassen, um sich hinter den DKW-Werksfahrern Kluge und Siegfried „Sissi“ Wünsche auf deren schnellen Dreizylindermaschinen mit einem beachtenswerten dritten Rang wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft zu sichern. Am Saison­ende hat es Roland Schnell tatsächlich geschafft: Er gewinnt die Deutsche Meisterschaft in der 350er-Klasse und kann somit seinen Meistertitel aus dem Vorjahr erfolgreich verteidigen. Gablenz wird in der Saison 1952 Vizemeister in der Viertelliter-Klasse.

Mehr als ein Dutzend Piloten setzen 1953 auf die Schnell-Horex

Diese Erfolge zahlen sich aus: Am Ende der gelungenen Erprobungsphase liegen zahlreiche Bestellungen für die folgende Saison vor. So nimmt am 1. Januar 1953 die ­Roland Schnell-Motoren KG in Karlsruhe ihre Tätigkeit auf. Pressemeldungen zufolge haben bereits Anfang 1953 namhafte deutsche Rennfahrer, darunter Fritz Kläger, Friedel Schön, H.P. Müller, Robert Zeller, Karl Rühr­schneck, Siegfried Fuß, Hugo Schmitz und Friedrich ­Hillebrand, ihre Maschinen für die neue Saison geordert.

Nöll, Jürgen
Hermann Gablenz, der Deutsche Meister von 1950, startet zwei Jahre darauf auf der 250er-Schnell-Horex, hier beobachtet vom Konstrukteur Roland Schnell (im Ledermantel).

Weitere Besteller sind Aldinger, Duthe, Bähr, Beer, Baun, der Schweizer Gerber, der Franzose Emo und der Saarländer Lang. Auch der Baden-Badener Fuß soll eine 500er-Solomaschine erhalten, der Amberger Hillebrand dagegen eine 500er für den Einsatz in der Gespannklasse. Außerdem plant Schnell die Lieferung von Halbliter-Triebwerken für Formel 3-Rennwagen, da auch hier die Verwendung von Motorradmotoren (BMW, Norton, Gilera, Zündapp) sehr beliebt ist. Die Motorleistung wird für die 350er (Bohrung/Hub 75 x 79 mm) mit 35 PS bei 8000/min angegeben, die 500er (Bohrung/Hub 85 x 88 mm)  soll 45 PS bei 7500/min schaffen. Die 250er aus dem Vorjahr dürfte demnach also rund 28 PS gehabt haben.

In der Rennsaison 1953 vertrauen mehr als ein Dutzend Piloten auf die Zuverlässigkeit und das Leistungsvermögen einer Schnell-Horex, wobei Altmeister Hermann-Paul Müller die größten Erfolge einfährt. Als Privatfahrer startet er damit bei den 350ern, während er bei Horex als Werkspilot für eine Halbliter-Zweizylindermaschine unter Vertrag steht. Da der Twin jedoch nicht so recht zum Laufen kommt, geht er gelegentlich auch mit der 500er-Einzylindermaschine von Schnell an den Start.
Gablenz hat zwischenzeitlich seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport verkündet und seine 250er-Schnell-Horex an den jungen, vielversprechenden Nachwuchsfahrer Georg Braun aus Hechingen verkauft. Die Saison wird auch 1953 wieder beim Dieburger Dreiecksrennen gestartet. In der 350er-Klasse gehen so viele Nennungen ein, dass der Veranstalter gar nicht alle Privatfahrer annehmen kann.

Waren bis 1952 mit Ausnahme des von Schnell gefahrenen Prototypen und einer Moto Parilla die englischen AJS, Norton und Velocettes unter sich, so dominiert jetzt zahlenmäßig diese erste käufliche deutsche Rennmaschine. Aber was noch mehr verwundert: Der Newcomer ist von Beginn an in der Lage, allen englischen Singles das Auspuffrohr zu zeigen. Gleich zwei der Schnell-Renner fliegen als Erste über die Ziellinie: H. P. Müller gewinnt nach 20 Runden und der Renndistanz von 100 Kilometern mit einem Schnitt von 121,4 km/h vor seinem Markenkollegen Fritz Kläger. Seine schnellste Runde absolviert Müller mit einem Schnitt von 124,9 km/h, stellt einen neuen Rundenrekord auf und nimmt dem restlichen Feld fast eine ganze Runde ab. Doch gegen die deutschen Werks-Konkurrenten ist im weiteren Verlauf der 53er-Saison kein Kraut gewachsen. Weder gegen die neu entwickelte 250er-NSU Rennmax noch gegen die „Singenden Sägen“ von DKW mit ihren Dreizylinder-Zweitaktern. So liefern sich die Privatfahrer ihre eigenen Rennen.

Die Tage von Schnells Einzylindern scheinen gezählt

Beim Saisonfinale auf der Eilenriede kann sich „HaPe“ mit seiner Horex schließlich den Titel des besten 350er-Privatfahrers 1953 sichern. Obendrein gelingt es Müller beim Lauf der 500er, Schön auf Norton und Kläger auf ­Gilera auf die Plätze zu verweisen. Mit einem Schnitt von 130,5 km/h muss er nur „Schorsch“ Meier auf der Werks-BMW ziehen lassen, nachdem er anfänglich ­dessen Tempo noch mitgehen konnte.

Dennoch, die Tage von Roland Schnells Einzylindern scheinen gezählt. Zumindest, was Spitzenplatzierungen bei Rennen mit internationaler Beteiligung anbelangt. Zu den letzten Entwicklungen der Roland Schnell KG, die sich ab 1954 mit Regina-Umrüstsätzen auf Langarm-Schwinggabeln über Wasser hält, zählt eine Halbliter-Rennmaschine, deren Einzylindermotor stark nach vorn geneigt eingebaut ist. In Anlehnung an die liegenden Einzylinder von Moto Guzzi versucht Schnell, durch einen niedrigeren Schwerpunkt eine Verbesserung der Straßenlage zu erzielen. Als H.P. Müller mit dieser vollverkleideten Maschine erstmals Ende August 1953 beim Großen Preis von Bern auftaucht, versetzt er die Fachwelt in Staunen. Ähnlich den Guzzi-Werksrennern hat Schnell den Kraftstoff in Tanks beiderseits im unteren Bereich der Verkleidung untergebracht, was den Schwerpunkt zusätzlich absenkte.

1955 wird die Schnell KG im Handelsregister gelöscht

Bereits im Training überrascht Müller mit Rundenzeiten, die nur unwesentlich hinter denen der Schnellsten zurückliegen. Und im Rennen kann er das Tempo der Spitze mitgehen, bevor er schließlich ausfällt. Wenig später, beim WM-Lauf im italienischen Monza, schafft Müller unter all den Vierzylindern von Gilera und MV Agusta tatsächlich eine Trainingsbestzeit, muss im Rennen aber erneut wegen eines technischen Defekts aufgeben. War dies der richtige Ansatz? Ließ sich durch die erzielte Verbesserung des Handlings und die aerodynamische Vollverkleidung die Mehrleistung der Konkurrenz zumindest teilweise kompensieren?

Vielleicht. Doch für die nötige Weiterentwicklung der Schnell-Horex wird schon bald das Geld knapp. Zumal auch das Kundeninteresse an Motorrädern und damit auch an Rennmaschinen stark nachlässt. Norton und Matchless haben ihre käuflichen Rennmaschinen mittlerweile gründlich überarbeitet, die mehr Leistung und hervorragende Fahrwerke besitzen. Zudem ist für die Saison 1954 ein weiterer käuflicher Renner aus deutscher Fertigung angekündigt: die neue BMW 500 RS. Auf der Frankfurter IFMA im Spätherbst 1953 ist dann auch keine Schnell-Horex mehr zu sehen. Im Oktober 1955 wird die Schnell KG im Handelsregister der Stadt Karlsruhe gelöscht. Die noch im Einsatz befindlichen Maschinen verlieren – wie alle Rennmaschinen ohne Weiterentwicklung – im Laufe der Jahre immer mehr an Bedeutung.

Nach langem Auslandsaufenthalt stirbt Konstrukteur Roland Schnell am 8. Oktober 1980 in seiner Heimatstadt Karlsruhe im Alter von nur 59 Jahren. Über die Anzahl der gebauten Schnell-Horex liegen heute keine genauen Angaben mehr vor. Man geht jedoch davon aus, dass es nur eine 250er gab, die zunächst von Gablenz und ab 1953 von Braun gefahren wurde. Von den Halblitermaschinen dürften fünf bis sechs entstanden sein, die 350er stellt mit wohl acht Exemplaren den größten Anteil.

Daten Schnell-Horex 250*

Motor: Luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, zwei oben­liegende Nockenwellen, zwei Ventile, Bohrung/Hub 68 x 68 mm (75 x 79 / 85 x 88 mm), Hubraum: 250 cm³ (350/500 cm³), Verdichtung 9,8:1, Leistung 28 PS bei 8500/min (35 PS bei 8000/min/45 PS bei 7500/min), Trockensumpfschmierung, Bosch-Magnetzündung, Dellorto SSI-Vergaser, Ø 35 mm (35/40 mm), Trockensumpfschmierung

Kraftübertragung: Mehrscheiben-Trockenkupplung, klauengeschaltetes Vierganggetriebe von DKW SS 250 (350er/500er: Getrag), Primärantrieb über Kette, ab 1953 über Stirnräder

Fahrwerk: Doppelschleifen-Rohrrahmen, vorn Telegabel von Horex Regina, Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen, Vollnabenbremsen vorn und hinten, Drahtspeichenräder, Reifen  3,25-19 vorne und 3,50-18 hintenBauzeit: 1952–1953
*350er und 500er in Klammern

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD CLASSIC 10 / 2023

Erscheinungsdatum 01.09.2023