Der Schweiß fließt, die Arme schmerzen, das Herz schlägt bis zum Hals. Sportliches Motorradfahren ist Knochenarbeit. Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten wird beim Brennen auf der Rennstrecke der gesamte Körper belastet. Die vorderradorientierte Sitzposition und die Bremsphasen gehen zu Lasten der Unterarme und Handgelenke, beim Beschleunigen stemmt sich der Pilot in die Rasten und fordert so die Beinmuskulatur. Um das Bike immer unter Kontrolle zu halten, sind darüber hinaus gute Rumpfmuskeln und ein hohes Maß an Körperspannung nötig.
Ist der Körper für derartige Belastungen nicht ausreichend trainiert, spürt man das neben Muskelschmerzen vor allem an der nachlassenden Konzentration - was im Extremfall zum Sturz führen kann.
Aus diesem Grund sollte jeder, der regelmäßig mit dem Motorrad auf der Rennstrecke unterwegs ist darauf achten, zum Saisonbeginn ein Mindestmaß an körperlicher Fitness mitzubringen. Um dies zu erlangen, sind neben einem festen Willen vor allem zwei Faktoren wichtig: professionelle Betreuung und ein möglichst früher Trainingsbeginn. Mit Unterstützung von IDM-Pilot Pascal Eckhardt erklärt PS, wie Sie es schaffen, bis zum Saisonbeginn topfit zu sein.
FITNESSANALYSE
Nur wer sein aktuelles Fitnessniveau kennt, kann gezielt trainieren. Sportinstitute wie Ortema und Europeansports (siehe Kasten Seite 71) sind darauf spezialisiert, die körperliche Fitness von Breiten- wie Profisportlern zu testen und einen individuell angepassten Trainingsplan zu erstellen. Bei Ortema kostet ein Zweieinhalb-Stunden-Test 194 Euro - eine lohnenswerte Investition, die den Grundstein für effektives Training und optimale Fitness über die gesamte Saison legt. Bei diesem Test werden Kraft, Oberkörper- und Beinmuskulatur, Beweglichkeit, Haltung, Balance sowie Defizite ermittelt. Kernpunkt der Untersuchung ist die Laktatmessung, die Auskunft über den aktuellen Fitnessstand gibt.
Pascal Eckhardts Physiotherapeutin Christina Erben erklärt, wie die Laktatmessung funktioniert: "Laktat fällt an, wenn bei großer körperlicher Belastung die Sauerstoffversorgung zu gering ist und der Körper Kohlenhydrate verbrennt. Die Folgen von Laktat sind Schmerzen durch Reizung der freien Nervenenden, zudem fällt der pH-Wert des Körpers, was zu einer Übersäuerung des inneren Milieus führt. Ab einem Laktatwert von etwa 6-8 mmol/Liter (1 mmol = ein tausendstel Mol, ein Mol entspricht etwa 6x10²³ Teilchen eines Stoffes), sinkt allmählich das Verständnis für Technik, Taktik und Koordination - Dinge, die ein Motorradfahrer während eines Rennens unbe-dingt benötigt."
Laktatwerte lassen sich generell in verschiedene Bereiche einteilen. Unter 2 mmol/L arbeitet der Körper im aeroben Bereich: Der Puls ist relativ niedrig, der Muskulatur steht genügend Sauerstoff zur Verfügung. Zwischen 2 und 4 mmol/L gibt es einen Übergangsbereich, in dem der Muskulatur förmlich die Luft ausgeht und der Körper allmählich vom aeroben, fettverbrennenden in den anaeroben, kohlenhydratverbrennenden Bereich rutscht. Ab zirka 4 mmol/L befindet man sich dann im anaeroben und damit schädlichen Bereich, der Puls ist entsprechend hoch. Diese Werte sind allerdings lediglich grobe Anhaltspunkte - nur mit einer individuell ermittelten anaeroben Schwelle lässt sich ein optimaler Trainingsplan erstellen.
Steht das aktuelle Fitnesslevel fest, geht es ans Trainieren. Generell sollte der Trainingsplan eines Hobbyracers aus vier Säulen bestehen: Ausdauertraining, Krafttraining, Mentaltraining, Erholung.

AUSDAUERTRAINING
Eine gute Grundausdauer ist die wichtigste Voraussetzung für eine konstante Leistung über den gesamten Renn- und Saisonverlauf. Nur wer bis zum Zielstrich fit bleibt, fährt vorne mit. Darüber hinaus verlangsamt gezieltes Ausdauertraining den Laktatanstieg und vermeidet so Probleme, die durch zu hohe Laktatwerte entstehen, beispielsweise Konzentrationsschwächen und Muskelübersäuerung. Das Herz-Kreislauftraining orientiert sich strikt an den Ergebnissen der Laktatmessung und dem daraus erstellten Trainingsplan, der Trainingsdauer und Herzfrequenzen enthält. Als Trainingsgerät eignen sich Hometrainer oder Fahrrad. Joggen trainiert ebenfalls die Ausdauer und tut dazu noch der Psyche gut. Letztlich bleibt es der persönlichen Vorliebe überlassen, ob man sich fürs Fahrrad oder die Laufschuhe entscheidet, beide Trainingsformen sind in etwa gleich effektiv.
Bei allen Trainingsformen gilt: nicht übertreiben! Oft überlasten Sportler aus Unwissenheit ihren Körper, was definitiv schadet statt nützt. Die Faustregel für Trainingsanfänger: Den Körper nur so stark belasten, dass jederzeit noch problemlos eine Unterhaltung möglich ist.

KRAFTTRAINING
Das Krafttraining sollte speziell auf die Bedürfnisse des Motorradsports abgestimmt sein. Es sollte Übungen zur Körperspannung sowie spezielles Training einzelner Muskelgruppen enthalten. Straßensportpiloten sollten vor allem Trizeps, Schulter und Nacken trainieren, um den Verzögerungskräften entgegenzuwirken, für Offroadfahrer lohnen sich außerdem Übungen für den Oberschenkelbereich.
Fitnesstraining Teil 2






MENTALTRAINING
Viele Piloten trainieren zwar ihren Körper, vernachlässigen aber das Training ihrer psychischen Ressourcen. Dabei ist gerade Konzentration einer der wichtigsten Sicherheits- und Erfolgsfaktoren im Rennsport. Eine gute mentale Vorbereitung auf die Saison sollte deshalb ein fester Bestandteil des Trainingsplans sein.
Da jeder Pilot mit anderen psychischen Wehwehchen kämpft, sollte man für eine optimale Saisonvorbereitung einen Experten aufsuchen. Sportinstitute, Sport-Universitäten und Olympiastützpunkte eignen sich als erste Anlaufstelle, um nähere Informationen zu bekommen.
Bereits einfache Übungen helfen, die Konzentration zu schulen: Zu Hause zwei Radiosender gleichzeitig einschalten und versuchen, nur einem zuzuhören und den anderen auszublenden beispielsweise. Oder so lange wie möglich eine Kerzenflamme beobachten und darauf achten, wann die Gedanken abschweifen.
Vor dem Start spalten sich Motorradrennfahrer psychologisch betrachtet in zwei Lager: Die "Kognitiven Vermeider", die versuchen, alle Einflüsse von außen auszublenden und sich zu sammeln und die "Wachsamen Bewältiger", die bis kurz vor dem Start Informationen sammeln.
Allein diese Unterteilung führt die Komplexität des Themas Mentaltraining vor Augen und zeigt, wie wichtig eine individuelle Betreuung in diesem Bereich ist.
ERHOLUNG
Ein weiterer Punkt, der häufig unterschätzt wird, ist das Thema Erholung. Viele Sportler trainieren zu viel - mangels professioneller Beratung oder aus falschem Fleiß heraus. Zuviel Training schadet dem Körper mehr als dass es nutzt und ist einer der häufigsten Gründe, warum ehrgeizige Ziele nicht erreicht werden. Deshalb gilt grundsätzlich: Nach einem harten Trainingstag, einem langen Lauf oder einer 150-Kilometer-Rundfahrt mit dem Rennrad am besten ausschlafen, den Körper nur mäßig belasten und danach zur Entspannung in die Sauna gehen oder in aller Ruhe ein wenig im PS-Heft blättern.
Experten-Interview

Nur effektives, zielgerichtetes Training führt mittelfristig zum Erfolg. Professionelle Unterstützung ist deshalb unabdingbar - und zwar von Anfang an. Bereits vor Trainingsbeginn empfiehlt sich ein Termin bei einem Sportinstitut, um den aktuellen Fitnessstand zu analysieren und auf Basis dieser Ergebnisse einen gezielten Trainingsplan zu erstellen. PS sprach mit Christof Weiß von der Europeansports GmbH (www.europeansports.de) und mit Stefan Bettels von Ortema (www.ortema.de) über spezifische Anforderungen an engagierte Hobbyracer.
? Welche Muskelgruppen sollte man als Motorradfahrer besonders trainieren?
! Weiß: Durch die hohen Flieh-, Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte wird beim Motorradfahren auf der Rennstrecke im Prinzip der gesamte Körper beansprucht. Speziell Becken, Schultern und Oberkörper werden in fast jeder Fahrsituation stark belastet. Leichte Piloten haben hier Vorteile, da das Verhältnis von Körperkraft zum Körpergewicht positiver ausfällt. Schwere Fahrer müssen entsprechend deutlich mehr trainieren, um ein adäquates Kraft-Gewicht-Verhältnis zu erreichen. Insgesamt sollte man versuchen, hohe Körperspannung und eine stabile körperliche Basis zu erreichen.
Bettels: Je nach Motorradklasse werden unterschiedliche Muskelgruppen belastet. Besonders der Oberschenkelmuskulatur kommt meiner Meinung nach eine hohe Bedeutung zu. Sie muss einerseits dauerhafte Vibrationen aushalten, andererseits vor allem im Cross- und Trialbereich aber auch maximalkräftig sein, das heisst, für kurze Zeit maximale Kraft bereitstellen können. Ebenfalls wichtig ist eine gute Rumpfmuskulatur, um die Kontrolle über das Motorrad zu behalten, beispielsweise bei Richtungswechseln und Hanging-Off. Der Fahrer möchte schließlich das Motorrad steuern, nicht umgekehrt. Ansonsten werden vor allem die Unterarme der Piloten stark belastet. Eine gute Muskulatur im Bereich Rücken, Schultern und Nacken kann außerdem helfen, beim Sturz den Körper vor Verletzungen zu schützen.
? Was ist für Hobbyracer wichtiger: Kraft- oder Ausdauertraining?
! Weiß: Bei langer Belastung wie einem Motorradrennen ist es wichtig, dass sich das Kraftpotenzial von Anfang bis Ende nicht unterscheidet. Das Hauptaugenmerk sollte beim Training deshalb auf Grundlagenausdauer und Kraft-Ausdauer gelegt werden. Eine dauerhafte Belastung mit punktuellen sich wiederholenden Belastungsspitzen, wie sie beim Anbremsen auftreten, erfordert Intervalltrainingsformen. Neben Hantel- und Getätetraining ist deshalb Arbeiten mit dem Ergometer extrem wichtig. In unserem Institut haben wir Ergometer entwickelt, die sportartspezifisch zyklisch die Maximalkräfte für Beine und Arme trainieren. Intervalle zwischen sechs und 30 Sekunden sind zum Aufbau dieser Belastungsverträglichkeit optimal.
? Welche Körperregionen sind bei Hobbyracern besonders häufig unzureichend trainiert?
! Bettels: Fast zu 90 Prozent finden wir bei unseren Analysen Schwächen im Bereich der rückwärtigen Oberschenkelmuskulatur. Diese Muskeln sind für die Kniesicherheit wichtig und schützen vor dem Verrutschen nach vorn sowie vor möglichen Kreuzbandrissen. Ansonsten ist die Defizitliste breit gefächtert: Bei vielen Piloten stimmt das Rücken-Bauchmuskulatur-Verhältnis nicht, andere leiden unter einem Rundrücken. Schultertraining ist sehr wichtig, ebenso Unterarmfitness. Die kann man ganz einfach zu Hause testen: Versuchen Sie, mit zwei Fingern eine Wäscheklammer auseinanderzudrücken, dann werden Sie merken, wie schnell Ihnen die Kraft ausgeht.
? Wie lange vor Saisonbeginn sollte man spätestens mit dem Krafttraining beginnen?
! Bettels: So früh wie möglich, frei nach Sepp Herberger: Nach der Saison ist vor der Saison. Der Körper muss dauerhaft belastet werden, um die Fitnessresourcen aufrecht zu halten. Das Wichtigste dabei ist eine gute Grundlagenausdauer. Gerade wenn man länger nichts mehr gemacht hat, sollte man darauf achten, langsam anzufangen und auch beim Training der Schnellkraft nicht zu übertreiben. Viele Sportler trainieren zu intensiv und schaden ihrem Körper damit. Das Wichtigste ist eine gute Basis. Beginnt man zu spät mit dem Training, sollte man auf keinen Fall zu stark pushen, sondern das Fitnesslevel langsam steigern und gegebenenfalls den Trainingsplan in die Saison hineinlaufen lassen.
! Weiß: Das Trainingsprinzip sollte dem Jahresverlauf folgen: Nach Saisonende den Körper langsam herunterfahren und einige Zeit lang extensiv belasten. Dann ist eine Pause von zirka einem Monat sinnvoll, danach sollte man langsam wieder beginnen zu trainieren. Der Winter macht bei Sommersportarten die Champions. Wer das verschläft, hat dadurch auch Schwächen im Rennen. Gerne kann man im Januar und Februar Wintersportarten in das Kraft-Ausdauer-Training integrieren. Wenn das nicht geht, sollte man den Schwerpunkt auf klassische Ausdauersportarten und begleitendes Krafttraining legen.
? Mit welcher anderen Sportart lassen sich die Belastungen beim Motorradfahren vergleichen?
! Bettels: Wenn man sich vor Augen hält, dass Michael Schumacher während eines Formel-1-Rennens etwa sieben Liter Wasser verlor, kann man sich in etwa vorstellen, wie stark die körperliche Belastung im Motorsport ist - zumal sich ein Motorradrennfahrer weit mehr bewegen muss als ein Formel-Pilot. Der Wasserverlust und die Pulsfrequenz sind extrem hoch. Ein einstündiges Motorradrennen lässt sich meiner Meinung nach grob mit einem Wettkampf-Halbmarathon vergleichen. Dem gängigen Glauben, sportliches Motorradfahren auf der Rennstrecke sei nicht anstrengend, muss endlich der Zahn gezogen werden.
? Und welche Alternativ-Sportarten eignen sich, um den Körper fürs Motorradfahren zu trainieren?
! Weiß: Im Zweiradbereich eignet sich vor allem Mountainbiken, speziell Downhill. Hier wird der Oberkörper ähnlich stark beansprucht, und die koordinativen Reize sind ebenfalls vorhanden. Zum Kräftigen eignet sich jetzt im Winter auch Langlaufen, das trainiert den oberen Rückenbereich. Generell ist Wintersport gut geeignet, um das Koordinationsvermögen zu schulen und ein Gefühl für Geschwindigkeit zu entwickeln. Klettern ist ebenfalls geeignet - das trainiert Konzentration, Körperspannung, die Arme und das generelle Kraft-Ausdauer-Niveau.
? Wie sollte man sich direkt vor dem Rennen verhalten und was lässt sich tun, um am Tag nach dem Rennen nicht mit üblem Muskelkater aufzuwachen?
! Weiß: Wenn man in ein Rennen geht, dann aufgewärmt und konzentriert. Der Körper sollte auf ein Aktivitätsniveau gebracht werden, das ihn auf die Belastungen im Rennen vorbereitet. Durch die Aktivierung bekommt das Gehirn mehr Sauerstoff und man ist ab dem Start zu hundert Prozent da. Speziell Motocrosser fahren sich häufig vor dem Rennen auf dem Ergometer warm.
Nach dem Rennen dasselbe: Der Körper ist extrem belastet und vollgepumpt mit Laktat und Stresshormonen. Diese müssen aktiv abgebaut werden. Am besten durch aktive Regeneration, beispielsweise einen leichten Lauf, Radeln oder Hometrainer - irgendetwas, das den Kreislauf extensiv belastet, um das Aktivierungsniveau langsam runterzufahren.
! Bettels: Vor dem Rennen entsprechend aufwärmen durch Joggen oder Fahrradfahren. Außerdem sollte man einige kurze Schnellkraftübungen machen. Generell sollte man darauf achten, den Körper mit genügend Flüssigkeit zu versorgen, aber vor dem Rennen nicht allzuviel zu essen und zu trinken.
Nach dem Rennen sollte man den Körper durch Laufen, Dehnen und Lockern wieder runterbringen. Am nächsten Tag muss sich der Körper regenerieren, am Besten im Schwimmbad, in der Sauna oder durch einen lockeren Lauf.
? Wie oft sollte man sein Fitnesslevel von einem Experten überprüfen lassen?
! Bettels: Für Freizeitsportler empfehle ich ein bis zwei Besuche im Institut pro Jahr. Einmal vor, einmal nach der Saison. Im Frühjahr empfiehlt sich ein Termin im Februar oder März, so bleibt noch genug Zeit, um das Training bis Saisonbeginn optimal zu gestalten und den Körper in Form zu bringen.




