PS-Leser Frank Schulze fragt: Alu-Kupplungsscheiben sollen die rotierende Masse reduzieren. Verglühen die aber nicht zu schnell und müssen sehr bald wieder ersetzt werden? Der PS-Technik-Versteher Werner "Mini" Koch geht der Frage auf den Grund.
PS-Leser Frank Schulze fragt: Alu-Kupplungsscheiben sollen die rotierende Masse reduzieren. Verglühen die aber nicht zu schnell und müssen sehr bald wieder ersetzt werden? Der PS-Technik-Versteher Werner "Mini" Koch geht der Frage auf den Grund.
Es gibt Anbieter für Kupplungsscheiben aus Aluminium, welche die Stahlscheiben in Ölbadkupplungen ersetzen. Natürlich reduzieren diese Nachrüstteile die rotierenden Massen im Antrieb, was theoretisch den Motor spontaner ansprechen und freier hochdrehen lässt. Allerdings dürften diese Auswirkungen kaum messbar und in Form einer besseren Beschleunigung schon gar nicht spürbar ausfallen. Wir haben handelsübliche, 150 Millimeter große Stahlscheiben einer gängigen japanischen Kupplung mit 100 Gramm pro Scheibe gewogen. Das macht bei einem Kupplungspaket von sieben Stahlscheiben ein Gesamtgewicht von 700 Gramm.
Zu den Stahlscheiben kommen noch die Reibscheiben mit aufgebrachtem Kupplungsbelag, die bereits in der Großserie aus Aluminium gefertigt werden und nur 34 Gramm pro Stück wiegen. Warum? Weil Stahl ein spezifisches Gewicht von rund 7,8 kg (Gewicht pro Kubikdezimeter) aufweist. Aluminium hingegen liegt je nach Legierung bei 2,7 bis 2,8 kg. Beim Tausch der Stahlscheiben gegen solche aus Alu mit gleichem Durchmesser und gleicher Materialstärke, was anhand der vorgegebenen Abmessungen zwingend ist, würde man bei unserem Beispiel rund 460 Gramm einsparen. Hört sich ganz ordentlich an und ist natürlich bei einer auf das letzte Gramm abgespeckten Leichtbau-Rennsemmel ein echtes Wort.
Dennoch fallen diese 460 Gramm nur unwesentlich ins Gewicht, wenn man das gesamte Paket der rotierenden Motormassen betrachtet, das aus Kurbelwelle plus Lichtmaschinenrotor, dem Primärzahnrad und dem großen und schweren Kupplungszahnrad aus Stahl mitsamt dem Kupplungskorb sowie den Reibscheiben besteht. Dazu addieren sich noch in kleinem Maß die Zahnräder plus Getriebewellen, Kettenräder, aber vor allem das große und etwa 15 Kilogramm schwere Hinterrad mitsamt Bremsscheibe. Nicht zu vergessen, auch wenn es nicht an den Antriebsstrang gekoppelt ist, das rund elf Kilogramm schwere Vorderrad mit seinen großen 320er-Bremsscheiben, das beim Beschleunigen ebenfalls in Rotation versetzt werden muss – außer man hält es gekonnt über dem Asphalt! Natürlich ist bei all den aufgezählten Bauteilen nicht nur das Gewicht, sondern auch der Durchmesser und die Massenverteilung ein entscheidender Faktor für die Massenträgheit.
Ich bleibe dabei: Die geringeren Massen durch die Aluscheiben werden sich nicht in besseren Fahrleistungen nachweisen lassen. Nicht umsonst wurde bei BMW im Zug der Optimierung der S 1000 RR das Gewicht der Kurbelwelle sogar erhöht, um eine geschmeidigere Kraftabgabe und bessere Traktion zu ermöglichen. Zudem stellt sich die Frage, wie gut oder schlecht sich die beschichteten Aluminiumscheiben mit dem serienmäßigen Reibbelag vertragen, was Dosierbarkeit und Verschleiß angeht. Einen Verschleiß im herkömmlichen Sinne wird es kaum geben. Entweder ist die nur ein paar Hundertstel Millimeter dünne Beschichtung vollständig, oder sie reißt auf. Ein messbarer Abtrag, wie etwa auf dem Reibbelag, gibt es hier nicht. Ob sich die Aluscheiben ähnlich überhitzten Stahlscheiben wellen- oder schirmförmig verziehen, ist uns nicht bekannt.
Möchte man jetzt noch der leichteren Kupplung die theoretischen Nachteile anhängen, dann wird‘s zwar zur Erbsenzählerei, aber auch spannend. Denn die gegenläufig zur Kurbelwelle rotierende Kupplung zählt, auch wenn durch die etwa gedrittelte Drehzahl deutlich vermindert, zu den Massen, die den Kreiselkräften der Kurbelwelle und der Räder entgegenwirken. Und wie man weiß, heben sich gegenläufig rotierende, gleich hohe Massenkräfte in ihrer stabilisierenden Wirkung, der Zentrifugalkraft, auf. Dies verbessert die Handlichkeit, speziell in schnellen Wechselkurven. Aprilia verbaute mit aus diesem Grund in den weltmeisterlichen RSV 250-Motoren zwei gegenläufig rotierende Kurbelwellen. Ähnlich waren viele 500er-Zweitaktmotoren mit jeweils zwei Kurbelwellen aufgebaut. Und die rückwärts laufenden Kurbelwellen der MotoGP-Yamaha M1 tun dies, um den rotierenden Massenkräften der Räder entgegenzuwirken. Wie gesagt, leichte Kupplungsscheiben könnten rein theoretisch der Handlichkeit sogar abträglich sein. Rein theoretisch. Womit die Diskussion eröffnet ist. Wir warten auf eure Gegendarstellungen – oder Zustimmung.