Diese verflixte emotionale Bindung zum Opfer eigentlich ein Phänomen, mit dem Kriminelle zu kämpfen haben. Nun hat es auch mich erwischt. Praktisch für lau habe ich von einem Kumpel zwei alte Honda CX 500 im Dop-
pelpack bekommen, beide Baujahr 1982. Die schwarze Ausgabe ist verunstaltet durch eine Streetfightermaske, einen selbst gestrickten Rücklichthalter und überaus unpassende Blinker und Spiegel im Karbon-Look. Die Blaue hingegen, fast original, rund 63000 Kilometer gefahren, springt sofort an und lässt sich prima
um die Kurven wedeln. Leider kann mein Freund meine Begeisterung überhaupt nicht teilen. »Noch mehr Motorräder in
der Garage? Ach nö.« Güllepumpe oder Hausfrieden? Ich entscheide mich für Hausfrieden und somit zum Verkauf. Tja, und jetzt ertappe mich dabei, wie ich der Blauen den Tank tätschele. Die wenigstens tät ich gern behalten!
Mit genau diesem Problem weiß ich mich nicht allein. Oft zwingen einen
monetäre Gründe, Platzmangel oder Be-
ziehungsknatsch dazu, sich von einem Stück der geliebten Sammlung zu trennen. Halb möchte man, halb ganz und gar nicht. Und ist froh, wenn sich keiner auf die Annonce meldet. Man hats ja versucht, doch wenn die Welt den Bock nicht will...
Schweren Herzens presse ich die bei-
den Güllen in einen VW-Bus und karre
sie nach Stuttgart-Hedelfingen, zum GTÜ-Partner Ingenieur-Büro Gaul. Da will ich
sie schätzen lassen, die Schätzchen, um beim Preis auf Nummer sicher zu gehen, wenn ich sie schon verkaufen muss. Motorrad-Experte Michael Deuschle reibt sich erwartungsvoll die Hände, die er
kurz darauf beim Anblick der schwarzen CX am liebsten über dem Kopf zusam-
menschlagen würde. »Oh Gott, was ist
das denn?« meint er betreten. Juniorchef
Jürgen Glatzel schluckt sichtlich. »Da hat
sich einer aber Mühe gegeben«, formuliert er vorsichtig.
Umso begeisterter zeigt er sich bei
der Abholung von der Blauen: »Ich fahr
ja nicht viel im Jahr. Und die kostet nicht viel und ist zuverlässig.« Fehlt nur noch, dass er sie gleich behalten will. Der Händ-
lerverkaufspreis liegt laut Wertschätzung bei rund 1200 Euro. Womit sie im Privat-
verkauf gut 1000 Euro bringen müsste. Das schwarze Ekel dagegen wird auf
einen Händlerwert von schlappen 350 Euro
geschätzt. Das arme Ding wurde grausam misshandelt: Salzspuren am Motor, Sitzbank verschlissen und lose, Cockpit angeknackst, rostige Stellen. Ein erbärmlicher Zustand, und das mit nur 36000 Kilometern auf der Uhr. So richtig laufen will sie auch nicht.
Ich mache einen Aushang mit Fotos der Blauen und einem Bild aus dem Werner-Comic, das erklärt, warum die CX 500 Güllepumpe heißt. Zack, aufgehängt: beim örtlichen Louis-Laden, an der Uni, spaßeshalber noch im nahen Supermarkt. Und um an meinen Verkaufsabsichten kei-
nen Zweifel zu lassen, inseriere ich parallel in den Kleinanzeigenblättern Sperrmüll und Flohmarkt.
Tag drei. Immer noch keine Interessenten. Heimlich und ganz tief in mir drin stimme ich leise Jubelhymnen an, unternehme aber schließlich doch einen weiteren Verkaufsvorstoß. Ich schraube der Blauen eine rote Nummer an und versuche mein Glück bei Händlern. Limbächer & Limbächer in Filderstadt haben viele
Marken im Angebot und werben mit ihrer großen Auswahl an Gebrauchten die richtige Adresse, so scheint es. »Was willst du denn noch haben?« fragt Verkäufer Yalcin Cep. »So um die 1000 Euro. Ist doch schon ein Klassiker. Und fast original«, mache ich mich für die Blaue stark. Yalcin verschwindet, Rat suchend, Richtung Chef.
»Also, der Chef sagt, das kaufen wir gar nicht an. Bei dem Baujahr...« »Und wenn ich was dafür mitnehme?« Yalcin windet sich. »Was würdest du denn mitnehmen?« »Die DR 350 da hinten«, antworte ich spontan. Tatsächlich habe ich Interesse an einer DR, aber nicht wirklich jetzt. »Na ja, dann würdest du noch
was kriegen. Viel ist es aber nicht. So
300 Euro. Maximal«, sagt Yalcin leise und schaut bedauernd. »Ich habe es gerade im
Internet gecheckt. Da stehen über 20 von denen drin, allein zwischen Baujahr 82 und 86. Und die meisten haben weniger Kilometer runter.« Ich grinse die Chancen, dass die Blaue meine bleibt, steigen.
Bei Auto-Staiger, dem Honda-Händler in Stuttgart-Nord, zeigt der Verkäufer durchaus Sympathie für die CX. »Die steht ja wirklich gut da. Und das ist so ein
prima Alltagsfahrzeug, unkaputtbar.« Mehr als schmerzreiche 500 Euro kann und will
er nicht geben. Selbst dann nicht, wenn ich eine andere kaufe. »Versuchs besser mal privat«, rät er. »Da könnteste noch n Tausender kriegen, wenn die gerade einer sucht.« Meine Argumente vom Youngtimer-Status ziehen auch hier nicht. »Die ist nicht wirklich gesucht. Bei einer CB 500 oder CB 750 wirds schon interessanter.«
Der gute Mann hat offensichtlich Recht. Große Flaute auf dem Anzeigen- und Aushang-Sektor. Immerhin erscheint die Verkaufsanzeige der Blauen zwei Mal im Sperrmüll und entsprechend über deren Partner Quoka auch im Internet, genauso oft im Flohmarkt.
Nach weit über einer Woche tut sich was. Eine SMS. Scheinfreundlicher Text: »Hallo! Wir würden gern Ihr Motorrad kaufen. Bitte rufen Sie mich zurück. Meine Telefonnummer lautet: 0190/858970. Mit freundlichen Grüßen CMI 1,86 Euro/min.« Schlechter Gag! Die SMS ist geschickt getippt, damit man die Anrufkosten nur zufällig entdeckt. Wer zu kurz blättert
und nicht schon bei der 0190er-Vorwahl die Alarmglocken schrillen hört, der ruft frohgemut an und hängt in einer kostenintensiven Warteschleife. Kaufen will da das Motorrad garantiert keiner.
»Versuchs doch mal über die Anzei-
gen von Kaufe-alles-Händlern«, rät mir ein Kollege. Ich schwinge den Hörer, um zu
erfragen, was »alles« bedeutet: meistens »maximal zehn Jahre alt« oder »nur ab Baujahr 1990«. MVH in Hamburg bietet ein Online-Formular, das ich mit den Daten des schwarzen Ekels füttere. Keine Antwort. Bei Motorrad Best in München hört sich einer immerhin an, was die beiden meiner Meinung nach noch taugen. Die Schwarze könne noch so 50 Euro bringen. »Aber dafür ist der Weg zu weit«, meint mein Gesprächspartner. Für die Blaue möchte
er allerhöchstens 300 Euro veranschlagen. Doch eigentlich suche er nur Maschinen bis 50000 Kilometer.
Unter www.guellepumpe.de finde ich einen Online-Marktplatz. Der Administrator dieser Interessengemeinschaft stellt unentgeltlich Verkaufs- und Suchanzeigen ins Netz. Ich maile ihn an immer noch in der Hoffnung, dass das gute Stück keiner will.
Das schwarze Ekel schlummert inzwischen seiner Versteigerung bei Ebay entgegen. Eine Woche soll sie im Netz stehen, von Freitag bis Freitag. Startpreis: ein Euro Sofort-Kauf für 390 Euro. Sechs Bilder sind auch dabei, auf denen die Gülle sehr viel besser wegkommt als im wirklichen Leben. Aber der beschreibende Text ist ehrlich und schonungslos. So muss das auch sein, will man sich keine schlechten Bewertungen bei Ebay holen. Lesen potenzielle Kunden nämlich allzu viel Böses über einen Verkäufer, bieten sie nicht.
21 Angebote gehen für die Schwarze ein über 60 Leute haben sie unter
Beobachtung. Es wird spannend. Ein Tscheche macht mit 301 Euro das Rennen. Montags darauf pfercht er sie zu zwei anderen Honda in einen Lieferwagen und ist sichtlich zufrieden mit seinem Erwerb. Und die Blaue? Für die interessiert sich plötzlich ein Däne. Sollte ich sie bald im Land der Dänen wähnen? Mir wirds etwas mulmig. Aber vielleicht kann ich meinem Freund dafür ja die DR unterschieben.
Schätzstelle
Manches gute Stück fällt aus der Schwacke-Liste zu alt. Andere Motorräder liegen über dem Preisniveau,
weil sie rar, gut erhalten oder sinnvoll umgebaut sind. Da hilft das Gutachten einer anerkannten Stelle.
Wie läuft eine Wertschätzung?
Einen anerkannten Betrieb suchen, zum Beispiel einen Partner der Gesellschaft für technische Überwachung (GTÜ). Und erkundigen, ob es am gewünschten Ort auch einen Motorrad-Experten gibt. Über www.gtue.de findet man den nächsten Standort.
Kosten?
Es gibt zwei Formen von Gutachten. Für den Verkauf geeignet ist die DAT-Schätzungsurkunde. In ihr wird dokumentiert, welchen Wert das vorgeführte Fahrzeug hat. Bis 249 cm3 kostet das Gutachten 50 Euro plus Mehrwertsteuer; ab 250 cm3 60 Euro plus Mehrwertsteuer Umbauten mit vielen Modifikationen fallen aus dem Kostenrahmen. Da werden die tatsächlich benötigten Arbeitsstunden veranschlagt.
Welchen Wert hat der Wert?
Der ausgewiesene Wert entspricht dem Händlerverkaufspreis. Der Preis auf dem
Privatmarkt liegt deutlich darunter. Der Betrag, den ein Händler beim Ankauf zahlt, ist noch mal erschreckend geringer.
Was wird erfasst?
Alles, was dem Gutachter so auffällt. Neben den Daten des Motorrads dokumentiert
er auch Mängel und die in die Schätzung einfließende Ausstattung.
Verkaufsmöglichkeiten
Internet, gedruckte Anzeigen, Aushänge es gibt sehr viele Arten, sein Fahrzeug anzubieten und den höchsten Preis herauszufiltern. Die tatsächlichen Chancen hängen jedoch sehr vom Motorrad und dessen Alter ab.
Zeitschriften/Zeitungen: Kostenlose Anzeigen in großen, regionalen Annoncenblättern wie Sperrmüll (www.quoka.de), Der Heiße Draht (www.dhd24.com) oder Avis und
Reviermarkt (beide unter www.avis-verlag.de) erscheinen meist im gleichen Zeitraum auch online auf den entsprechenden Websites. Ebenso empfiehlt es sich, im Anzeigenteil der örtlichen Tageszeitung sowie in diversen Motorradzeitschriften zu inserieren.
Aushänge: am besten mit Farbfotos. Grunddaten, Zubehör und Besonderheiten des Motorrads aufführen. Nichts beschönigen.
Interessengemeinschaft (IG): Die gibts zu fast jedem Modell. Und sie finden sich leicht übers Internet. Meist haben sie einen Marktplatz, auf dem man sich rasch über Preise informieren kann.
Internet: Bei Internet-Auktionatoren wie Ebay muss man sich registrieren lassen. Tipps: Ehrlich sein, sonst ist der Ruf schnell ruiniert und keiner kauft mehr was.
Aussagekräftige Fotos dazustellen. Deutlich machen, dass es ein Privatverkauf ist (Haftungsausschluss). Den Auslauftermin für die Auktion am besten zum Wochenende hin und um die 20 Uhr ansetzen.
Wichtig hierbei: Auktionen sollten exklusiv sein. Eine bei Ebay angebotene Maschine muss an den Höchstbietenden verkauft werden. Ohne Versteigerung: Auf Internet-Marktplätzen wie mobile.de oder Motoscout24 können Gebrauchte, teilweise gegen eine Gebühr, mit Foto inseriert werden.
Kaufe-alles-Händler: Man kanns auch mal bei den gewerblichen Inserenten aus dem Kleinanzeigenteil versuchen. Die zahlen allerdings meist weit weniger, als der private Markt hergibt. Außerdem hat man mit Motorrädern, die älter als zehn Jahre sind oder Laufleistungen von über 50000 Kilometern aufweisen, kaum eine Chance. Ist das Motorrad aber verunfallt oder sonstwie wrackig, lohnt der Anruf allemal verschrotten kostet auch um die 200 Euro.