- AMSAS für Mensch und Maschine und Sicherheit
- Elektromotoren am Lenkkopf und am Vorderrad
- AMSAS für langsame Geschwindigkeiten bis zum Stillstand
- Sicherheitsstrategie von und für Yamaha Motor
- "Auf halbem Weg zum Ziel"
- Neues Elektro-Motorrad Yamaha 04
- Yamaha Motobot und Motoroid
- Ähnliche Studien von Honda und BMW
- Fazit
Im Rahmen des Safety Vision and Technology Briefing, das im November 2022 in Tokio stattfand, stellte Yamaha das Advanced Motorcycle Stabilization Assist System, abgekürzt AMSAS, vor. Um diesem Thema besonderes Gewicht zu verleihen, waren Yoshihiro Hidaka, Präsident von Yamaha Motor, und Heiji Maruyama, Entwicklungsleiter von Yamaha Motor, persönlich vor Ort präsent.
AMSAS für Mensch und Maschine und Sicherheit
Bei der Entwicklung des AMSAS wurde das langjährige Yamaha-Leitmotiv Jin-Ki Kanno, das für das angestrebte gefühlte Verschmelzen zwischen Mensch und Maschine steht, mit einem zweiten Leitmotiv kombiniert: Jin-Ki Anzen. Und Anzen ist das japanische Wort für Sicherheit. Auf der Grundlage eigener Analysen von Unfallursachen entwickelt Yamaha Motor derzeit Assistenzsysteme mit Fokus auf 4 Bereiche: unterstützte Gefahrenprognose, Schadensvermeidung und unterstütztes defensives Fahren, unterstützte Ausweichmanöver und Schadensbegrenzung.
Konkret soll das AMSAS das Umfallen des Motorrads mitsamt Fahrer verhindern. Im Fokus dieser Entwicklung stehen jedoch nicht Stürze bei hohen Geschwindigkeiten, sondern eher peinliche Umfaller bei langsamer Fahrt – oder gar im Stand.
Elektromotoren am Lenkkopf und am Vorderrad
Im Wesentlichen besteht das AMSAS aus zwei Elektromotoren: einer am Lenkkopf und einer am Vorderrad. Das sind keine Antriebsmotoren, sondern stufenlose Aktuatoren, über die präzise Impulse ins Fahrwerk eingesteuert werden können. Am Lenkkopf geht es logischerweise um Lenkimpulse, am Vorderrad um stabilisierende Bewegungen. An beiden Punkten gibt es jeweils zwei Optionen: am Lenker links und rechts, am Vorderrad vor und zurück.
AMSAS für langsame Geschwindigkeiten bis zum Stillstand
Bis circa 5 km/h, also ungefähr Schrittgeschwindigkeit, stabilisiert der Elektromotor am Vorderrad das Motorrad. Ab 5 km/h greift der Lenkmotor ein. So kann das AMSAS das Motorrad automatisch ausbalancieren, stabilisieren, senkrecht halten, also effektiv das Umfallen verhindern. Damit das gelingt, ist jedoch weit mehr erforderlich als nur die Adaption der Aktuatoren an Lenker und Vorderrad. Nämlich Sensorik und Steuerungselektronik. Und Know-how, Forschung, Entwicklung, Feintuning. Yamaha verwendet die neueste Generation einer 6-achsigen Inertialsensorik (IMU). Oberhalb der Schrittgeschwindigkeit stabilisieren die drehenden Räder das einspurige Fahrzeug, und das AMSAS klinkt sich aus.
Sicherheitsstrategie von und für Yamaha Motor
Jun Sakamoto, der bei Yamaha für die Sicherheitsstrategie zuständig ist, erklärt den Wert, den das AMSAS bieten soll: "Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, unter denen sich der Fahrer mehr auf die Bedienung seines Motorrads konzentrieren kann, sodass jeder das Gefühl genießen kann, eins mit seiner Maschine zu sein. Indem wir ein Assistenzsystem in den Momenten bereitstellen, in denen das Motorrad instabiler ist und mehr Geschicklichkeit erfordert, wollen wir einem breiten Spektrum von Fahrern Spaß bieten, der auf Sicherheit basiert." Yamaha hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der tödlichen Motorradunfälle bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren. Dabei spielen weitere Assistenzsysteme eine Rolle, wie das radarunterstützte Unified Brake System, das bereits bei der Tracer 9 GT+ eingesetzt wird.
"Auf halbem Weg zum Ziel"
"Mit den vorhandenen Basistechnologien sind wir auf halbem Weg zu unserem Ziel, den Kunden den Wert des AMSAS zur Verfügung stellen zu können", so Projektleiter Akitoshi Suzuki. Er und sein Team haben hohe Erwartungen an die Technologie: "Von nun an werden wir daran arbeiten, die Größe der verschiedenen Komponenten zu verringern, denn wir wollen die Technologie zu einer Plattform entwickeln, die nicht nur für Motorräder geeignet ist, sondern auch für eine Vielzahl anderer Anwendungen im Bereich der persönlichen Mobilität, wie etwa Fahrräder."
Neues Elektro-Motorrad Yamaha 04
Versuchsträger und erfolgreiches Demonstrationsfahrzeug für das AMSAS ist ein ebenfalls neu entwickeltes Elektro-Motorrad. Offenbar basiert es auf der sportlichen Yamaha R25, eng verwandt mit der hierzulande bekannten R3. Deren Vollverkleidung lässt – wohl absichtlich – nicht alle dahinter versteckten Details erkennen. Unten an den Verkleidungsseiten ist der Schriftzug 04 zu lesen. Ausgehend von der R25 oder der R3 sind vom elektrischen Antrieb der Yamaha 04 ähnliche Leistungsdaten zu erwarten. Für den Reihenzweizylindermotor der R3 werden 321 Kubik und 42 PS genannt. Allerdings wurde zur Vorführung des AMSAS demonstrativ die Endantriebskette entfernt. Die Botschaft: Es soll hierbei zunächst nur um das AMSAS gehen, und für dessen Auftritt bis Schrittgeschwindigkeit genügte der Elektromotor am Vorderrad. Weitere Details zur 04 nannte Yamaha noch nicht.
Yamaha Motobot und Motoroid
Viel mehr als nur Schrittgeschwindigkeit, nämlich über 200 km/h schnell fuhr bereits 2017 der Motobot von Yamaha, der 2015 erstmals vorgestellt worden war. Dabei handelte es sich gewissermaßen schon um eine selbstfahrende Maschine, beziehungsweise um eine fahrende Maschine auf einer Yamaha R1. Der Roboter namens Motobot war als humanoider Fahrer auf dem Motorrad platziert. Technisch hochinteressant und spektakulär – aber nutzlos. Denn der eigentliche Nutzer, der Fahrer, wurde ersetzt. Parallel präsentierte Yamaha das futuristische Motoroid Concept zur Tokyo Motor Show 2017. Im Motoroid steckte mehr Design als Technik. Dennoch setzte Yamaha dabei bereits auf einen elektrischen Antrieb. Und auf schwenkbare Akku-Packs zur Gewichtsverlagerung, somit zur Stabilisierung – gegen Umfallen. Das hieß Active Mass Center Control System, abgekürzt AMCES.
Ähnliche Studien von Honda und BMW
Ähnliche Studien sowie funktionstüchtige Entwicklungsfahrzeuge wurden auch schon von Honda und von BMW vorgeführt. Bei der selbstlenkenden BMW GS ging die fahrerlose, ferngesteuerte Demo-Fahrt im Jahr 2018 weit über Schrittgeschwindigkeit hinaus. Derlei Forschung und Entwicklung sowie das AMSAS von Yamaha sind ernst zu nehmen. Ob sie wirklich zukunftsweisend sind für motorisierte Zweiräder, das wird indes erst die Zukunft selbst zeigen.
Fazit
Mit dem Advanced Motorcycle Stabilization Assist System, kurz AMSAS, stellte Yamaha im November 2022 ein System zur automatischen Stabilisierung eines Einspurfahrzeugs vor. Dass das wirklich funktioniert, bei langsamen Geschwindigkeiten bis zum Stillstand, das wurde am Beispiel eines neuen Elektro-Motorrads auf Basis der Yamaha R25, eng verwandt mit der R3, demonstriert. Von der Serienreife scheint AMSAS weit entfernt, doch technisch interessant ist es allemal.