Motorradfahren in Dänemark. Kann das spannend sein? Klaus und ich probieren es einfach aus. Fahren hoch nach Jütland, wollen einmal um den Limfjord. Limfjord? Im Freundeskreis rätselt manch einer ergebnislos, worum es sich dabei handeln könnte; denn bekannt ist der 180 Kilometer lange Sund hierzulande kaum. Er ist ein großes Gewässer, verbindet Ostsee mit Nordsee. Im Osten bei Hals teilt er flussartig das Land, wird dann Richtung Westen -immer größer und seeartiger. In Thyboren schließlich vereint er sich durch eine -schmale Öffnung mit der Nordsee. Der Limfjord gleicht einem hellblauen Tintenklecks, der sich auf die dänische Landkarte ergossen hat.
Løgstør liegt an einem Kanal, der knapp viereinhalb Kilometer lang ist. Er wurde 1856 auf Anordnung des dänischen Königs Friedrich VII. gegraben, da der Lim-fjord an dieser Stelle zu flach war. Für Schiffe sowieso, aber auch schwer beladene Boote blieben im Schlick stecken. Fünf Jahre dauerte es, bis der 4,4 Kilometer lange Kanal fertig war, nachdem 400 deutsche Gastarbeiter von Hand drei Meter tief gegraben hatten. Tausende von Frachtschiffen tuckerten nun von Ost nach West und zurück. Allein 1899 fuhren über 3000 Schiffe durch den Friedrich-VII.-Kanal. Heute sieht man hier nur noch Touristenbötchen auf Ausflugstour.
Gleich gegenüber von Løgstør am Nordufer stand einst Dänemarks größte Wikingerburg: die Aggersborg. Man nimmt an, dass die Befestigungsanlage aus dem Jahre 400 v. Chr. stammt. Außerdem heißt es, dass dort 5000 Wikinger lebten. Leider sieht man heute nur noch einen nachgebauten Wall, der die ungefähren Ausmaße der Burg darstellen soll.
Da Løgstør sozusagen in der Mitte des Limfjords liegt, lassen sich von hier traumhafte Touren unternehmen. Uns ziehts zur Einstimmung einstweilen ans richtige Meer, nach Torup im Norden. Die Touristen schauen voll Vorfreude aufs Meer und erwarten die Ankunft von Nick und Diony, zwei gestandenen Fischern. Allmorgendlich werfen die zwei auf hoher See ihre Netze aus. Sind diese voll bis obenhin, kehren die Fischer natürlich zurück; aber nicht in ihren Hafen - einen solchen gibt es nämlich nicht -, sondern an den Strand. Dort herrscht jedoch um diese Zeit am späten Vormittag stets Ebbe. Und da man das große Fischerboot nicht ohne Weiteres dem Meer überlassen darf, muss es aus dem Wasser gezogen werden. Dies erledigt im 21. Jahrhundert eine etwa 700 PS starke Caterpillar-Planierraupe, die den Kutter mithilfe laut klackernder Eisenketten über den Sand an Land holt. Vor 200 Jahren hingegen wurden die schwer beladenen Schiffe noch mit Rollen von Hand an Land gezogen. Mühsam, mühsam. Für uns und all die anderen Touristen bietet sich ein tolles Spektakel.
Vor allem Nick zieht meinen Blick auf sich. Nicht, dass er dem „sexiest man alive“ Konkurrenz machen könnte. Das Gesicht ist voller Falten, umrahmt von einem zotteligen Bart, einer unfrisierten Mähne. In der Mitte glüht eine ewige Kippe, von Zähnen ist nicht viel zu sehen. Ein klassischer Seebär wie aus dem Buche. Auf den ersten Blick könnte er einem vielleicht Angst machen. Doch als ich ihn anspreche, um mich nach dem Fang zu erkundigen, strahlt er mich an und berichtet stolz von all den Schollen und Knurrhähnen, die ihnen ins Netz gegangen sind. 1000 Kilo Fisch fangen sie pro Tag. Er scheint die berühmte Seele von Mensch zu sein, der man dies auf den ers-ten Blick nicht ansieht. Sein hübscher Kollege Diony verkauft derweil die Fische an die Touristen. Pro Scholle nimmt er zehn Kronen. Frischer kann Fisch kaum sein.

Während sich die beiden in ihre Opel Omega Kombis werfen, um den Fang an die Restaurants in den umliegenden Dörfern zu verkaufen, machen wir uns auf den Weg. Am Straßenrand steht ein braunes Schild mit Margeritenblüte in der Mitte: das Symbol für die Margeritenroute. Sie ist ein Verkehrsnetz, das die schönsten Straßen Dänemarks miteinander verbindet. Ihm folgen wir gern und düsen gen Süden. Hinter Øsløs bringt uns eine lange Brücke, die einen fantastischen Blick ins Drumherum freigibt, nach Mors, zur größten Insel im Limfjord. Die Sommersonne ist endlich zurück, sodass das Motorradfahren wieder zu dem geworden ist, was es sein soll: Genuss. Heute sitze ich auf der wunderschön silber-orange lackierten Triumph Scrambler, die herrlich locker und leicht zu fahren ist. Der Himmel ist blau, die Wiesen sind üppig grün. Sanft wiegt das Korn im Mittsommerwind. Immer mal wieder passieren wir hübsche Dörfer. Menschen sieht man leider kaum. Wo mögen sie sein? Vielleicht am Strand? Oder in ihren schönen Häusern, halten Siesta, schmieren sich ein Smørrebrød? Wir genießen die Einsamkeit. Eine sanfte Westbrise lässt die Zweige in den Bäumen zappeln.
Beschwingt biegen wir nach Westen ab, denn dort wollen wir schon wieder ans Meer, um die Stelle zu besuchen, an der der Limfjord sich in die Nordsee verabschiedet. Über eine gigantische Brücke geht’s via Hurup nach Thyboren. Leider schlägt hier das Wetter um und ist jetzt richtig fies geworden. Es gießt in Strömen, der nun kräftige Westwind sorgt für Schlagseite. Regenkombi ja oder nein? Immer diese lästige Frage, die so schwer zu beantworten ist. Als Motorradfahrer ist man optimistisch und sieht an der nächsten Ecke am liebsten schon wieder die Sonne lachen. Doch dem ist nicht so, also fügen wir uns der Quälerei ins Ganzkörperkondom. Am Meer tobt das Wasser. Eine Fähre hat es beim Kampf der Gewalten schwer, den Kurs zu halten. Wir schauen uns das Spektakel für ein Viertelstündchen an und beschließen dann, ins Binnenland zurückzukehren. Dort ist es schöner.

Die Kombi landet wieder in der Sattel-tasche der Harley, mit der Klaus heute die Dänen blendet. Überhaupt, diese Dänen. Hatte ich bereits erwähnt, dass die meisten Menschen in Dänemark fast andauernd lächeln? Keine Fassade, alles echt. Ein -äußerst sympathisches Völkchen.
Auf dem Rückweg über Mors begleiten uns Regenbögen als Entschädigung für das schäbige Unwetter. Immer wieder tauchen neue auf, wir können uns gar nicht satt-sehen. Mit tiefen Drehzahlen wummern die Motoren unter uns, die Halbinsel Salling verschwindet in den Rückspiegeln, und wir erreichen das Kloster Vitskøl auf dem Festland. Der berühmte Kräutergarten ist noch geöffnet. Ein romantisches Kleinod, ein Eldorado für alle grünen Daumen der Welt. Zum einen werden hier Heilpflanzen angebaut, zum anderen wachsen hier 36 Kräuter, die ob ihres intensiven Geruchs oder ihrer besonderen Form auch von Menschen erkannt werden, die ihr Augenlicht verloren haben. Ein Blindengarten also.

Richtung Osten durch das Hinterland zu cruisen, ist unser nächstes Projekt. Die Zweizylinder bollern durch Getreidefelder bis Aalborg, das mit seinem Fußballverein Aalborg Boldclub bereits dreimal dänischer Meister war. Weiter geht es mit niedrigsten Drehzahlen. Hals ist das Tor zum Kattegatt im Osten. Der Strand ist riesig und beinah menschenleer. Weißer Sand, wohin das Auge blickt. Bis man richtig schwimmen kann, muss man ein paar Hundert Meter hinausgehen. Einen ganz anderen Strand erleben wir weiter oben im Norden. Hier liegt Løkken, ein auf den ersten Blick eher tristes Touristenstädtchen. An seinem Strand darf man Motorrad fahren. Der Wind bläst kräftig aus West, und wir drehen behutsam ein paar Runden, immer auf der Hut vor kleinen Kindern und Quallen. Die Zweizylinder genießen den festen Sand, das Fahrerlebnis wird gewürzt durch die großen Wellen, die donnernd nach unseren Bikes lecken, um sich anschließend wieder mit großem, knirschendem Rauschen zurückzuziehen. Deswegen sind wir hier: Sommer, Sonne, Strand, entspannter lässt es sich kaum Motorradwandern.
Infos

Es gibt viel zu fahren und viel zu schauen am Limfjord in Dänemark. Wer das Meer liebt, sollte sich den grenzenlosen Himmel und die entspannten Dänen unbedingt gönnen.
Allgemeines:
Das Königreich Dänemark setzt sich zusammen aus der großen Halbinsel Jütland, der Insel Seeland, den selbst verwalteten Reichsteilen Färöer und Grönland sowie etwa 500 weiteren Inseln. Staatsoberhaupt der konstitutionellen Monarchie ist seit 1972 Königin Margarethe II. Seit 1973 ist das Land in der Europäischen Union, doch der Euro wird von der Bevölkerung abgelehnt, man zahlt in Kronen: ein Euro entspricht etwa 7,5 Kronen, eine Krone etwa 0,13 Euro.
Anreise:
Hinter Hamburg auf die A 7, nach der Grenze auf der E 45 nach Norden fahren. Bei Hobro abfahren, dann Landstraße bis Ausfahrt nach Løgstør.
Beste Reisezeit:
April bis September. Von Mai bis Juli scheint die Sonne im Schnitt acht Stunden am Tag. Regenschauer sollte man trotzdem einkalkulieren, Fleece gehört ins Gepäck.

Übernachten:
Hotels gibt es reichlich. Für die Limfjord-runde bietet sich Løgstør als Basis an. Das „Løgstør Park Hotel“ kostet im DZ 150 Euro. Pensionen, Bed & Breakfasts oder Unterkünfte für Backpacker finden sich in jedem Städtchen, die Jugendherberge in Aalborg kostet 38 Euro pro Nacht.
Freizeit:
Boote lassen sich fast überall mieten, der Limfjord eignet sich auch zum Schwimmen, Schnorcheln und Tauchen. Für Reiter existieren zahlreiche Angebote, und Fahrradverleihe gibt es wie Sand am Meer.
Sehenswert:
In Aalborg Altstadt, Utzon Center. Lille Vildmose, ein Moor südlich von Hals.
Literatur/Karten/Adressen:
Merian Reiseführer „Dänemark“ (12,50 Euro), Rother Wanderführer „Dänemark/Jütland“ (12,90 Euro), gute Straßenkarten an jeder Tankstelle. Alles zum Urlaub in Dänemark unter www.visitdenmark.de.