Roller fahren muss so schlecht nicht sein. In der Stadt zum Beispiel. Vor allem mit diesem Roller in dieser Stadt. Die Vespa, sie gehört zu Rom wie Tiber und Kolosseum.
Roller fahren muss so schlecht nicht sein. In der Stadt zum Beispiel. Vor allem mit diesem Roller in dieser Stadt. Die Vespa, sie gehört zu Rom wie Tiber und Kolosseum.
Rom. Wird ja bekanntlich die Ewige Stadt genannt. Könnte aber genauso gut »Roller City« heißen. Aus allen Ecken kommen sie angeprescht, vom rostigen Uralt-Zweitakter bis zum hochmodernen Zweizylinder. Einbahnstraße, weiße Linie, rote Ampel? Für die römische Rollerfraktion kein Thema. Die Holpersträßchen im Zentrum, die wohl zuletzt Cäsar ausbessern ließ, gehören ihnen. Autos werden gnadenlos eingekesselt und verladen, Motorräder als Artverwandte akzeptiert.Doch sogar hier kann man mit einem Roller noch auffallen. Nämlich mit einer schlichten Vespa. Die hat Piaggio gerade komplett überarbeitet; insgesamt ist es die 198. Version seit 1946. Nach dem Krieg bescherte der kleine, billige Zweitakter den Italienern ein wenig den Duft von Freiheit und Abenteuer. Der Arbeitsplatz am anderen Ende der Stadt, der Sonntagsausflug aufs Land, die Sommerfrische am Meer die Vespa machte es möglich. Die aktuelle Variante mit wassergekühltem EinzylinderViertaktmotor sieht der alten immer noch ähnlich. Aber deutlich größer ist sie, komfortabler. Und leider nicht mehr ganz so billig wie damals.Gleich an der ersten Ampel im Verlauf der Rom-Tour stoppt auf der Gegenspur ein angegrauter Taxifahrer und verursacht einen kleinen Stau. »Che bella!« ruft er aus dem Fenster. »Ist sie immer noch aus Blech?« Selbstverständlich. Auch die Vespa GT 200, Jahrgang 2003, trägt das schier unverwüstliche Metallkleid. Noch dazu lindgrün lackiert, ganz im Stil der 50er und 60er Jahre. Zu dieser Zeit kam der kleine Roller im Kino zu Weltruhm und avancierte zum Symbol für italienischen Lebensstil schlechthin. Zunächst mit dem US-Schmachtfetzen »Roman Holiday« von 1953, dem der deutsche Verleih den Titel »Ein Herz und eine Krone« verpasste. Audrey Hepburn als Prinzessin inkognito und Gregory Peck als Reporter mit Herz erobern Rom mit einer Vespa. Das Trio agierte dabei allerdings auf einem Hänger und wurde von der Zugmaschine aus gefilmt; die Hauptdarsteller kamen mit der Handschaltung nicht zurecht. Heute hätten sie an den Drehorten wie der Kirche Trinità dei Monti hoch über der Spanischen Treppe keine Probleme, denn derweil wird per Variomatik automatisch geschaltet. Gegenüber der Kirche sitzt Alef, einer der vielen Porträtzeichner der Stadt. Mit flinken Strichen bannt der gebürtige Ägypter die Vespa auf Papier. »Mal eine Abwechslung zu den vielen Gesichtern«, meint er grinsend. »Außerdem gefällt mir die Linie.« Allmählich bildet sich eine kleine Menschentraube um ihn. Sogar bei den Jüngeren weckt die Vespa nostalgische Gefühle. »Die gehört einfach zu Rom wie das Kolosseum und der Tiber«, sagt der Biologie-Student Marco, der seinen Suzuki Burgman keines Blickes mehr würdigt. »Fellini hat sie unsterblich gemacht.«Von Federico Fellini stammt der zweite Streifen, der Vespa-Legende schrieb. 1960 drehte er in Rom den wohl berühmtesten italienischen Film aller Zeiten: »La Dolce Vita«. Die überbordende Anita Ekberg verkörperte einen Hollywood-Star, der umwerfende Marcello Mastroianni einen Journalisten, die Vespa spielte sich selbst. Denn ständig ist im Film eine ganze Reportermeute hinter der Ekberg her zeitgemäß natürlich per Roller. Einer von ihnen hieß Paparazzo, und Fellini machte auch ihn unsterblich, denn sein Name steht heute als Synonym für den aufdringlichen Fotografen.Auf Fellinis Spuren wühlt sich die Vespa durch das hitzige Verkehrsgewirr. Via Veneto, Largo Fellini, Piazza del Popolo, Kolosseum. An den Ampeln überlassen die römischen Kollegen ihr höflich einen Platz in der ersten Reihe, wie es einer lebenden Legende gebührt. Doch beim Start macht sie plötzlich Schluss mit der Klassikvorstellung: Dank 20 PS und viel Power aus dem Drehzahlkeller hat sie die Nase meist erfreulich weit vorn. Andächtige Pause an der Fontana di Trevi, wo die Ekberg ihr nächtliches Bad im Brunnen nahm. Zum Leidwesen der römischen Stadtverwaltung, denn viele Touristen versuchen heute, es ihr gleich zu tun, sehen dabei aber nicht halb so gut aus und werden streng zurückgepfiffen. Anders als zu Zeiten von »La Dolce Vita« ist der Bereich um den Brunnen für den Verkehr gesperrt. Doch der Vespa können selbst die römischen Ordnungshüter nicht lange widerstehen, sie darf ausnahmsweise ganz langsam an der Fontana vorbeirollen. Der römische Rollertag klingt auf der Via Veneto im Café de Paris aus. Hier lauerten Paparazzo und Co. der Ekberg auf, die gegenüber im Hotel Excelsior logierte. Heute lauern nur Nepppreise auf Touristen, doch immerhin steht wieder eine Vespa vor dem Café genau wie in »La Dolce Vita«. Und wie Rom selbst, so verströmt auch Sie einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charme. Sie passen einfach gut zusammen, die Ewige Stadt und der ewige Roller.