Unterwegs: Spanien von Nord nach Süd

Motorradreise: Spanien von Nord nach Süd Mit dem Motorrad von Costa Verde bis zur Costa de la Luz

Von Küste zu Küste, von Nord nach Süd, von der kühlen Costa Verde bis zur warmen Costa de la Luz. Eine Frühlingskreuzfahrt längs durch die Iberische Halbinsel mit überraschenden Einblicken ins spanische Hinterland.

Mit dem Motorrad von Costa Verde bis zur Costa de la Luz Deleker
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Wer an Spaniens Küsten denkt, dem fällt zunächst die Sommer-Sonne-Strand-Touristen-Industrie mit ihren monströsen Bausünden am Mittelmeer ein. Doch spanische Küsten können auch anders. Ganz anders. Meine Ténéré parkt am Atlantik in der weiten Bucht von San Vicente. Schmalbrüstige Wellen plätschern an den breiten und makellosen Sandstrand im Norden Kantabriens. Ein paar Spaziergänger stapfen durch den feinen Sand, schnüffeln die kühle Meeresbrise und suchen nach Muscheln und Treibgut. Massentourismus ist anderswo, Einsamkeit und Ruhe statt Animationsbespaßung und Disco-Lärm. Sanfte grüne Kuppen hügeln sich landeinwärts, branden gegen eine gigantische Mauer aus himmelhohen Felsen, die 2500-Meter-Berge Picos de Europa. Genau dort will ich hin, das Meer werde ich erst an der Südspitze Spaniens wieder sehen.

Kaum 30 Minuten später bin ich schon inmitten dieser spannenden Berge im kleinen Dorf Sotres. Hier zweigt der Weg über die Picos nach Espinama ab. Die schmale Spur holpert auf der Seitenmoräne des eiszeitlichen Morrena-Gletschers bergwärts. Die Piste ist anspruchsvoller als erwartet. Dicke Steine, ausgewaschene Rinnen, schmierige Felsplatten, steil und geil. In einem langen Bogen folgt der Weg dem grünen Grat, hält direkt auf eine verschneite Nordwand alpinen Ausmaßes zu. Der Höhenmesser zeigt 1700 Meter, als ich den höchsten Punkt erreiche. Pause und genießen. Mir ist mächtig warm geworden, der Ténéré auch. Vorbei an ein paar Altschneefeldern seile ich mich ab ins enge Tal von Potes, gönne mir dort ein paar Tapas und munter machende Cafés cortados, die spanische Espressovariante.

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Die Landkarte der Picos zeigt ein Gewirr wunderbarer Bergstrassen, genug um eine Woche in diesen grandiosen Felsmassiven herumzukurven. Verlockend, aber schließlich habe ich die Südspitze Spaniens im Visier, und die ist noch ein Stückchen entfernt. Aber eine kleine Runde geht noch, hinauf zum Puerto de San Glorio und zum Mirador del Oso, dem Aussichtspunkt des Bären. Ein lebensgroßer weißer Steinbär schaut in die Berge. Dazu das 360-Grad-Panorama der Extraklasse, freie Sicht auf die spektakulären Picos, deren höchster immerhin 2648 Meter erreicht.

Südlich der Picos tauche ich ein in die dünn besiedelte Weite Zentralspaniens. Eine überraschende Weite, auf die ich mich nur zu gerne einlasse, die einen lässig ruhigen Fahrstil mit befreiender Entspannung belohnt. Irgendwann erreiche ich den Ebro - kurz nach seiner Quelle am Fuß der Sierra de Peña Labra ist er noch ein quicklebendiger Bach - und folge ihm südostwärts. Ein kleines Schild begrüßt mich in der Provinz Aragon. Die Berge bleiben zurück, geben dem Ebro nun viel mehr Platz zum Sich-Breitmachen und Mäandern, und mir die Chance, ein paar schnelle Meter bis zum nächsten berühmten Fluss zu rollen, dem Rio Tajo, der quer durchs Land fließt und bei Lissabon als Rio Tejo in den Atlantik mündet. Hier, in der Serrania de Cuenca, hat der noch junge Fluss bereits einen beeindruckenden Job erledigt, hat einen spektakulären Canyon aus dem gelbbraunen Gestein gefräst und senkrechte hohe Wände modelliert. Die Aufwinde des Nachmittags nutzen Gänsegeier, die scheinbar mühelos ihre Runden über der Schlucht drehen.

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Filmreif: Spaniens Burgen sind Reisehighlights.

Spürbar mehr Mühe hat die Yamaha auf den kleinen verschlungenen Wegen in der Serrania, aber sicher auch deutlich mehr Spaß, muss sie doch nicht nach Futter, sondern eher nach der Ideallinie suchen. Die angesichts von Löchern, Flicken und Rollsplitt nicht ganz einfach zu finden ist. Ein anspruchsvolles Terrain, der Gegensatz zur zentraliberischen Weite, die mich westlich von Cuenca wieder verschluckt.

Viele spannungsfreie Stunden später erreiche ich Consuegra in der Provinz La Mancha. Auf einem Hügel recken zwölf weiße Windmühlen, allesamt fein restauriert, ihre schwarzen hölzernen Flügel himmelwärts, erinnern natürlich an die Geschichten von Don Quijote und seinem Knappen Sancho Pansa. Alte Windmühlen sind das Wahrzeichen der Mancha, kaum ein Hügel, auf dem nicht eine Mühle thront.

Die zeitlose stille Aura der historischen Türme passt bestens zur übersichtlichen Landschaft. Die Straßen zerteilen als endlose gerade Bänder die grünen Felder. Mohnblumen setzen rote Akzente unter dem tiefblauen Frühlingshimmel Kastiliens. Kühle und glasklare Luft allerorten. Mann und Maschine gehen hier in den amerikanischen Highway-Modus, der im dicht besiedelten Mitteleuropa kaum möglich ist, und cruisen mit konstant 90 Sachen auf den Horizont zu: kaum Orte, kaum Verkehr - pure Entschleunigung. Sanft wellt sich das einsame Hochland, karge Hügelketten begleiten mich.

Bis sich die Landschaft langsam in Falten legt, Berge und Täler werden prägnanter, die Straße kennt wieder Kurven, zunächst noch weit geschwungen, dann zunehmend enger. Es geht abwärts in die langweilige Tiefebene des Rio Guadalquivir, den ich unterhalb des mächtigen Castillo Almodóvar erreiche. Nur noch ein paar Kilometer bis Córdoba, einer wenig prickelnden Großstadt, gesegnet mit einem der eindrucksvollsten Bauwerke Europas: der Moschee La Mezquita. 856 Marmorsäulen, alle durch Bögen miteinander verbunden, tragen in perfekter Harmonie das Dach der 1200 Jahre alten Mezquita. Früh morgens, bevor die Besuchermassen durch das architektonische Wunderwerk plappern, herrscht im Halbdunkel der Moschee eine paradiesisch stille Atmosphäre. Ein Platz zum andächtigen Staunen, zum Entspannen, Meditieren, Genießen. Die Atmosphäre ist noch intensiver als in der Alhambra.

Das Gegenteil von Entspannung, also höchste Konzentration, ist gefragt, als ich Córdoba zur Rushhour verlasse. Ich könnte in kaum vier Stunden am Südzipfel Spaniens sein. Was frevelhaft wäre, denn vor mir liegt Andalusien, und das Südkap wird auch in vier Tagen noch ortsfest sein. Andalusien im Frühling ist ein einziger Traum, der spätestens dort beginnt, wo die Monotonie der Olivenhaine endet. Also 150 Kilometer weiter, am Fuße der Sierra Nevada. Tief verschneit und unnahbar fern ragen die Berge auf, ihr höchster Gipfel, der Mulhacén, bis auf 3482 Meter Höhe. Rund um die Sierra haben die Straßenbauer Pässe mit maximalem Suchtpotenzial in die Bergflanken gemeißelt, aufgelockert durch bilderbuchschöne Aussichten über kleine Dörfer und weiße Gipfel.

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Pass Alto de Velefique - Sensation: Null Verkehr, feinster Teer.

Parallel zur Mittelmeerküste bilden diverse Gebirge nicht nur massive Riegel zum Landesinneren, sondern vor allem den Stoff, aus dem Motorradfahrers Träume sind. Wochenlang könnte man hier unterwegs sein, die Melange aus mediterraner Lebensart, toller Landschaft und feinsten Straßen genießen. Steile, dicht bewaldete Berge bis zum Horizont, an einigen kleben äußerst malerische weiße Dörfer, die berühmten Pueblos Blancos. Sierra Nevada, Sierras de Tejeda, Serrania de Ronda, Sierra Bermeja, Gebirge, die kaum jemand außerhalb Spaniens kennt, die derjenige, der sie auf zwei motorisierten Rädern durchkreuzt hat, allerdings nie mehr vergessen kann.

Doch irgendwann habe ich mich schwindelig genug gefahren und peile endlich die Südspitze Spaniens an - Tarifa. Die Nähe zu Afrika wird greifbar. Seien es die schneeweißen maurischen Gebäude, die fliegenden afrikanischen Händler oder die abenteuerlich überladenen Autos, die im Hafen auf die Fähre nach Marokko warten. Nur 14 Kilometer entfernt, jenseits der Straße von Gibraltar, sehe ich klar und deutlich Afrika, erkenne sogar einzelne Häuser. Afrika, so nah und doch so fern.

Eine heftige Fernweh-Attacke überfällt mich. Das aufregende und unheilbare Virus - ausgerechnet hier und heute, fast 3000 Kilometer von zu Hause entfernt, schlägt es wieder zu. Erinnerungen kochen hoch, an die Überfahrt mit der Fähre nach Marokko, an die Angst vor dem Zoll. Vor 27 Jahren wagten wir uns erstmals nach Afrika, wollten in einem betagten VW Bulli die Sahara durchqueren und blieben schließlich acht Monate auf dem Schwarzen Kontinent. Apropos Fernweh: Müsste ich meiner Ténéré nicht mal ihren Namensgeber im fernen Niger zeigen? Doch, sicher, irgendwann demnächst. Wer nicht mehr träumt, hat das Leben schon hinter sich.

Infos

Werel
Reisedauer: 15 Tage. Gefahrene Strecke: 3000 Kilometer.

Spanien im Frühling fordert und belohnt alle Sinne. Auf dem langen Weg zwischen der grünen Nordküste und den einsamen Stränden der Costa de la Luz überrascht die Iberische Halbinsel mit einer Weite und Vielfalt, die in Europa selten geworden ist.

Anreise:
Spanien ist groß, die Anreise weit. Wer auf eigener Achse anreist und bis Andalusien möchte, sollte genug Zeit im Gepäck haben. Unter drei Wochen ist die Stressgefahr nicht unerheblich. Von Köln bis Tarifa kommen leicht 2500 Kilo-meter zusammen. Stressfreier und bequemer ist es, einen Teil der Strecke mit dem Autozug zurückzulegen, der wöchentlich von verschiedenen deutschen Bahnhöfen bis Narbonne in Südfrankreich fährt. Pro Person und Motorrad kostet die einfache Fahrt beispielsweise von Düsseldorf je nach Saison ab 266 Euro. Informationen gibts von DBAutozug, Telefon 0 18 05/24 12 24 oder unter www.dbautozug.de.

Reisezeit:
In den Picos de Europa, der Sierra Nevada und den vielen 2000-Meter-Bergen im Landesinneren kommt der Frühling bisweilen erst Mitte Mai. Im Winter kann hier viel Schnee liegen. Andalusien hingegen ist ein Ganzjahresziel. Ab Juni ist im Landesinneren, vor allem in der heißesten Region am Rio Guadalquivir, mit Temperaturen bis 40 Grad zu rechnen. Erst ab Mitte September wird es wieder erträglicher. Allerdings ist das Land dann von der Sonne ausgedörrt, das frische Frühlingsgrün des Mai längst Geschichte. Die besten Reisemonate für Zentralspanien sind Mai, Juni so-wie Mitte September bis Ende Ok-tober. Juli und August eignen sich nur für garantiert hitzeresistente Reisende.

Unterkunft:
Vor allem abseits der wenigen touristischen Zentren ist es in der Nebensaison nicht leicht, eine Unterkunft zu finden. Die wenigen Pensionen und vor allem die Campingplätze öffnen manchmal erst Mitte Mai und schließen im Oktober. Besser ist die Lage in den größeren Orten und entlang der Küste. Im einsamen Landes-inneren finden sich oftmals schöne Plätze zum freien Zelten. Nur in der Hauptsaison im August kann es entlang der Küste, in Andalusien und in den Picos de Europa etwas voller werden, niemals aber so überlaufen wie entlang der spanischen Mittelmeerküste.

Literatur:
Die besten Reiseführer für Spanien kommen aus dem Michael Müller Verlag (24,90 Euro) und von Lonely Planet (26,99 Euro). Daneben gibt es eine Vielzahl von regionalen Reiseführern, empfehlenswert sind aus dem Reise Know-How Verlag Andalusien, Nordspanien und Katalonien sowie vom Michael Müller Verlag Andalusien und Nordspanien. Als Übersichtskarte eignet sich das Michelin-Blatt 734 im Maßstab 1:1000000. Wesentlich detaillierter sind die Michelin-Regionalblätter für alle Gebiete in Spanien (573, 574, 575, 576, 578), Maßstab jeweils 1:400000, Preis 7,50 Euro.

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