PDA-Navigation auf dem Motorrad

PDA-Navigation auf dem Motorrad Über–All

Navigationssysteme erfreuen sich steigender Beliebtheit – auch unter Tourenfahrern. Anlass für MOTORRAD, dem Thema auf den Grund zu gehen. Im ersten Teil der Serie über Navigation überprüften wir die flexiblen Systeme auf Basis kleiner Pocket-PC (PDA) auf ihre Motorradtauglichkeit.

Über–All Garmin

Wissen, wo’s langgeht – das wünscht sich eigentlich jeder,
der unterwegs ist. Und so verwundert nicht, dass mobile Navigationssysteme
auf Basis handflächengroßer Minicomputer (Personal Digital Assistent, kurz PDA genannt) rasenden Absatz finden. Bereits 2003 wurden in Deutschland mehrere hunderttausend dieser Navigationssysteme bestehend aus PDA, Satellitenempfänger und Kartensoftware verkauft – Tendenz rapide steigend. Ihre Flexibilität (kein
Einbau nötig) sowie clever gemachte Ausstattungsfeatures machen sie auch für
den Einsatz auf dem Motorrad interessant. Denn die Systeme leisten erheblich
mehr, als nur von A nach B zu führen.
So erlaubt beispielsweise der jüngst vorgestellte Navigator 3 vom niederländischen Minicomputerhersteller Tom Tom (www.tomtom.com) die Planung von kompletten Motorradtouren mit einer Vielzahl selbst festgelegter Zwischenstopps. Auch lassen sich einmal erstellte Touren für den späteren Einsatz abspeichern, und die Reihenfolge der individuell festgelegten Zwischenziele ist variabel. Neu bei Tom Tom ist zudem die Möglichkeit, Routen europaweit zu planen. Die dafür nötigen Grobkarten mit allen europaweiten Hauptstraßen sind gleich mit dabei. Das gewünschte Ziel wird per Stift als Adresse eingetippt oder per Klick auf das berührungsempfindliche Display direkt auf der Karte markiert. Apropos Karten: Ihre
Aktualität entscheidet über die Zuverlässigkeit der Navigation. Tom Tom hat hier beim Navigator 3 kräftig nachgelegt, teilweise sind sogar befahrbare Waldwege gespeichert. Während einiger hundert Testkilometer entdeckten wir dennoch ein paar Kartenfehler. So fehlten vereinzelt Straßen, und bei einer Fahrt – das Ziel lag noch 200 Kilometer entfernt – verkündete die Sprachansage des Programms sogar
»Sie haben ihren Bestimmungsort erreicht« und stoppte die Navigation. 100-prozentig
verlässlich ist die Navigation leider –
wie auch bei den fest eingebauten Pkw-
Geräten – noch nicht.
Was die flexiblen PDA-Systeme für den Toureneinsatz so interessant macht, ist ihre Fähigkeit, die Route zum Ziel (oder Zwischenziel) beim Verlassen der vorgeschlagenen Strecke automatisch neu zu berechnen. Wenn es in der Gashand juckt, kann man beispielsweise eine schöne
Kurvenpassage wiederholt abfahren oder spontan einen Abstecher zu einem eben entdeckten Aussichtspunkt machen. Das System versucht zwar zunächst, auf die ursprüngliche Route zurückzuführen. Wird das aber ignoriert, erfolgt automatisch
die Neuberechnung anhand der momen-
tanen Position. Damit sind diese Systeme der starren Routenplanung zu Hause am PC haushoch überlegen. Dank der permanenten Neuberechnung kommt selbst
derjenige ans Ziel, der sich nur ganz grob an die Fahrhinweise hält und einfach mal etwas umherschweift.
Das Software-System MobileNaviga-
tor 4 von Navigon (www.navigon.de) geht bei der Routenberechnung einen Schritt weiter und berücksichtigt auf Wunsch auch aktuelle Stauinformationen. Der Schlüssel zu diesem Feature heißt TMC (Traffic Message Channel). Ein spezielles, in den GPS-Empfänger integriertes Modul wertet das via Radiosender ausgestrahlte Informationspaket zur Verkehrslage aus. Dieser kostenlose Service ist europaweit genormt und wird im Unterschied zum halbstündlichen Verkehrsfunk fortlaufend aktualisiert. Eine Display-Meldung informiert darüber, dass während der Fahrt
die Route aufgrund der momentanen Verkehrslage geändert wird.
Diese Features sind im praktischen Einsatz im Auto tausendfach bewährt und ziemlich ausgereift. Doch auf dem Motorrad trübt sich das Bild von den elektronischen Wegweisern etwas – hier herrschen andere Einsatzbedingungen. Einen der Knackpunkte stellt die Unterbringung
der Minicomputern dar. Weil PDA weder wasserdicht noch stoßgesichert sind, ist Kreativität gefragt. Neben der klassischen Unterbringung im Kartenfach des Tankrucksacks (guter Vibrations- und Witterungsschutz) sowie einem speziell für die Navigation entwickelten Tankrucksack
von Wunderlich (siehe Seite 112) gibt es eigentlich nur noch die so genannte Palmcase-Halterung von Touratech (siehe auch Seite 112). Allen Lösungen gemeinsam
ist jedoch die nur mäßige Ablesbarkeit im direkten Sonnenlicht. Dazu ist der Kon-
trastumfang der PDA-Displays etwas zu gering – selbst bei maximaler Intensität.
Bei sämtlichen Systemen ergänzt eine präzise Sprachanweisung die Information des Displays. Gute Erfahrungen machten wir mit einem einfachen Ohrhörer, wie man ihn vom Walkman her kennt. An das Kabel zwischen Helm und PDA muss man sich allerdings erst gewöhnen. Zwar gibt es aus dem Handybereich bereits drahtlose Hörer per Bluetooth, die ihre Informationen über Kurzstreckenfunk erhalten. Handhabung und Einrichten der Bluetooth-Verbindung gelingen jedoch nicht immer problemlos. Via Bluetooth lässt sich
auch ein entsprechender GPS-Empfänger drahtlos an den PDA verbinden.
Vor lauter Flexibilität und Drahtlosigkeit darf man die Energieversorgung dieser Systeme nicht vergessen. In der Praxis heißt das, entweder alle drei, vier Stunden die Akkus von PDA und gegebenenfalls Bluetooth-GPS und -Ohrhörer laden.
Oder eine Versorgung über die Bordelektrik zu installieren. Womit einmal mehr
das Basteltalent gefordert wird. Überhaupt kann die Navigation mit dem PDA einen gewissen Hobby-Charme nicht verleugnen,
denn so unbeschwert, wie es die Wer-bung verspricht – plug and play –, ist die Praxis noch nicht. Hat man sich aber
mit den Eigenheiten sowie den nötigen Kompromissen arrangiert, dann will man den Minicomputer als Helfer im Groß-stadtdschungel und auf Tour nicht mehr missen.

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Wie funktioniert GPS?

Das vom US-Militär entwickelte GPS (Glo-bal Positioning System) zur weltweiten Standortbestimmung basiert auf 24 Satelliten, welche in 20000 Kilometer Höhe zweimal pro
Tag die Erde umrunden. Die hochpräzisen Atomuhren an Bord der Satelliten sind untereinander
synchronisiert. Über Funk melden diese fortlaufend ihre aktuelle Position, die per Atomuhr ermittelte Zeit sowie in exakten Zeitabständen eine Kennung in Richtung Erde. Der GPS-Empfänger misst die Laufzeit des Funksignals und errechnet daraus die Entfernung zwischen sich und dem jeweiligen Satelliten. Hat der Empfänger die Signale von mindestens drei Satelliten ausgewertet, kann er die Position auf wenige Meter genau berechnen (bis auf vier Meter, je nach Empfang). Da sich
die Funksignale mit Lichtgeschwindigkeit in nur
wenigen Hundertstelsekunden auf die Erde zu
bewegen, muss der Computer im GPS-Empfänger Höchstleistungen vollbringen. Um das schwache Satellitensignal zu empfangen, benötigen GPS-Empfänger möglichst freien Raum zum Himmel. In Tunnels oder in sehr engen Häuserschluchten kann deshalb die Verbindung zu einzelnen Satelliten abreißen, was eine erhöhte Ungenauigkeit
zur Folge hat. Das mit den üblichen Geräten
genutzte amerikanische GPS-System heißt übrigens NAVSTAR. Das russische Militär betreibt ein ähnliches, GLONASS genanntes System, das sich mit zivilen Empfängern jedoch nicht nutzen lässt. Als dritte, rein zivil betriebene Variante soll das europäische System Galileo bis 2008 mit insgesamt 30 Satelliten in Betrieb gehen.

Heavy duty

Die Palmcase-Box von Touratech
(99 Euro) ist die wohl robusteste
Art, den Minicomupter mit auf Fahrt zu nehmen: wasserdicht, stoßgeschützt und mit einer sehr sauber
gefertigten Edelstahlhalterung
inklusive Schnellverschluss zum Abnehmen der Box. Nur eine Grundplatte bleibt dann am Lenker zurück. Die Bedienung des PDA durch die
abdeckende Folie gelingt problemlos, für den Bedienstift gibt es außen
einen separaten Halter. Schwerer fällt hingegen das Ablesen, da die
Folie nicht entspiegelt ist. Im direkten Sonnenlicht fällt der Kontrast der meisten Minicomputer sowieso zu schwach aus, um sie gut ab-
lesen zu können.

Die nächste Generation

All inclusive – es erscheint nur konsequent, den für die Navigation stets benötigten GPS-Empfänger gleich in den Taschencomputer (PDA) zu integrieren. Und so ist der Ique 3600 vom Hersteller Garmin, Marktführer in Sachen GPS-Handempfänger, sicher ein Vorreiter für künftig zu erwartende PDA-Generationen. Er kostet 749 Euro inklusive Software, Zubehör und detaillierten Kartenmaterial von
Europa. Die Vorteile überzeugen: kein lästiges Kabel zum GPS-Empfänger, keine Schwierigkeiten mit der Bluetooth-Funkverbindung zwischen PDA und GPS-Empfänger.
Einfach die Antenne an der Geräterückseite ausklappen – fertig. Allerdings ist der Ique 3600 einen Tick größer
als übliche PDA, besitzt aber ebenfalls die üblichen Office-Funktionen anderer Taschencomputer. Im Einsatz gefällt er (Betriebssystem Palm OS im Unterschied zu Windows Mobile der Pocket-PC) durch eine einfache Handhabung und praxisgerechte Details wie der Möglichkeit, die gerade angezeigte Karte per seitlichem Drehrad zu zoomen. So muss man nicht
jedes Mal zum Bedienstift greifen. Die Navigationsführung überzeugte dank rechtzeitiger Sprachansagen und einer klaren Kartendarstellung. Da der Ique keinen Bluetooth-Ausgang besitzt, kommt man
jedoch um ein Kabel zum Ohrhörer nicht herum.
Auf eine dreidimensionale Kartendarstellung verzichtet Garmin, was die Übersichtlichkeit während der
Navigation aber nicht behindert. Im rauen Motorradeinsatz kämpft der Ique mit den üblichen Problemen aller PDA: Er ist nicht wasserdicht und sein Gehäuse ist nicht besonders robust. Speziell die ausklappbare GPS-Antenne wurde ganz offensichtlich mehr für den Einsatz zu Fuß in der City oder im Auto als für die Montage an einem Motorradlenker entwickelt. Hier
ist der Garmin-PDA am besten in der passgenauen Aluminiumhalterung von Touratech (70 Euro; inklusive Abschließmöglichkeit) untergebracht, denn eine aufwendige, sensibel ansprechende Entkoppelung hält hier Motorvibrationen zuverlässig vom Taschencomputer fern. Da ein Nässeschutz fehlt, verschwindet der Ique bei einsetzendem Regen am besten im Kartenfach des Tankrucksacks.

GPS-Tankrucksack

Speziell für die PDA-
Navigation entwickelte Wunderlich (Telefon 02642/97980, www.wunderlich.de) einen Tankrucksack. In der Multimediatasche (110 Euro plus 30 Euro für den Befestigungskit) drückt ein per Blasebalg befüllbares Luftkissen den PDA gegen die Deckelfolie und fixiert ihn so. Über eine eingearbeitete Zwölf-Volt-Steckdose wird das Gerät mit Strom versorgt, ein Spiralkabel in einer Kletttasche an der Vorderseite ermöglicht den Kontakt zum Bordnetz.

Surftipps

www.gps-world.net: zahlreiche Routen zum Herunterladen;
Forum
www.pocketnavigation.de: die Informationsquelle zum Thema PDA-Navigation schlechthin
www.bmw-motorrad.de: unter der Rubrik »Navigationssysteme« erste GPS-Touren zum Downloaden
www.haid-services.de: Internetshop mit Schwerpunkt
PDA-Navigation; Bluetooth-
und Kabel-GPS-Empfänger
www.gps-gmbh.de: Garmin-
Importeur, Telefon 089/8583640
www.touratech.de: Zubehör für Navigation auf dem Motorrad, Telefon 07728/92790

Buchtipps

Die hier vorgestellten Bücher sind für
Einsteiger wie Fortgeschrittene gleichermaßen hilfreich und geben tieferen Einblick in die Thematik. Allerdings haben sie sämtlich ein grundlegendes Problem: Durch die Schnelllebigkeit der Computerwelt altern die Infos rasend schnell.

Abenteuer GPS
Der Schwerpunkt liegt auf der Navigation
mit dem Pocket-PC. Wer sich vom trockenen Schreibstil im Buch nicht abschrecken
lässt, findet hier die umfassendsten In-
formationen zu PDA-Navigation, beginnend
bei den Grundlagen bis hin zu echten Insidertipps.
wjr Verlag, ISBN 3-935659-18-0,
www.wjr-verlag.de, 18,90 Euro
GPS Outdoor-Navigation
Schwerpunkt ist die Navigation mit Handgeräten. Praxistipps ergänzen das gut erklärte Basiswissen. Einige Kapitel helfen bei der anspruchsvollen Navigation mit dem PDA.
Reise Know-how Verlag, ISBN 3-8317-1116, www.reise-know-how.de, 8,90 Euro

GPS Navigation für Auto, Motorrad, Wohnmobil
Wer nach seinen ersten Erfahrungen tiefer in das
Gebiet GPS-Navigation einsteigen möchte, findet
in diesem Werk umfassende Informationen. Verschiedene Navigationsvarianten werden ausführlich vorgestellt, das wichtige Thema PDA-Navigation jedoch nur gestreift.
Reise Know-how Verlag,
ISBN 3-8317-1090-2, 8,90 Euro

GPS-Empfänger

Anders als drahtlose Bluetooth-Empfänger (Typ Holux GR 230, mit Akku, 185 Euro; auf dem Foto rechts) benötigt eine so genannte Kabel-Maus (Typ Holux GM 210, 115 Euro; Mitte) eine Zwölf-Volt-Versorgung. Da aber der
PDA während längerer Fahrten
ohnehin eine Stromversorgung braucht, kann diese auch gleich die Kabel-GPS-Maus versorgen und so nicht nur Geld sparen, sondern auch Nerven schonen.
Die Bluetooth-Funkverbindung zwischen den Geräten ist nämlich teilweise problematisch. Links im Bild ist eine Zusatzantenne zu sehen (Typ MK-76, GPS GmbH, zirka 45 Euro), daran kann man beispielsweise einen unter der Sitzbank montierten GPS-Empfänger oder den GPS-Handempfänger »Ique« aus dem Hause Garmin (mit eingeklappter Antenne, siehe Kasten »Die nächste Generation«, Seite 112) anschließen.

Per Handy ans Ziel

Auch ein Handy kann den Weg weisen. Der Wayfinder (www.wayfinder.com) ist auf den ersten Blick eine interessante Variante: Man nutzt das vorhandene Handy und bezahlt den Service nur, wenn er benötigt wird, oder bucht ein günstiges Monats-Abo. Außerdem hat man stets aktuelle Streckendaten. Der Haken: Beim Handy muss es sich um ein Gerät handeln, dass mit
einem SYBIAN-Betriebssystem arbeitet und über eine Bluetooth-Funkverbindung verfügt. Auf dieses Handy wird nun das Programm aufgespielt. Plant man eine Route, so tippt man Start und Ziel auf Handytastatur ein und schickt die Routenanforderung per Mobilfunk an die Zentrale. Hier wird die Strecke berechnet und zurück ans mobile Telefon gesendet. Ein zusätzlicher GPS-Empfänger liefert per Bluetooth-Funkverbindung die aktuelle
Position ans Handy und unterstützt so die Navigation. Mithilfe von Piktogrammen auf dem Display plus Sprachausgabe gelangt man dann ans Ziel. Verlässt man die berechnete Route, ist eine Neuberechnung in der Zentrale nötig. Im Handy selbst sind keine Karten gespeichert. Für das Hin- und Herschicken der Daten ist eine GPRS-Mobilfunkverbindung (General Pocket Radio Services) nötig – im ländlichen Raum teilweise noch rar. Darüber hinaus ist das Handydisplay oft zu klein. Beides macht das System ungeeignet fürs Motorrad. Und überhaupt: Besitzt man noch kein entsprechendes Telefon, ist eine PDA-Lösung in der Regel günstiger und dazu noch flexibler.

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