Rund um Nürnberg

Rund um Nürnberg Liebenswerte Krake

Autobahnen, Bundesstraßen, Eisenbahnen, Wasserstraßen – wie von Krakenarmen scheint Nürnberg umschlossen. Die Altstadt ist davon unberührt, sie offenbart mittelalterliches Ambiente in Reinform.

Liebenswerte Krake Eisenschink

Nach einer alten Biker-Weisheit kann man dort gut essen, wo die Brummis vor der Tür stehen. Auf der A 9 lässt
sich 20 Kilometer vor Nürnberg eine weitere Erkenntnis hinzufügen: Parken Trucker an einem Seeufer, um ihre Standzeiten per Angelrute abzufeiern, dann muss dies ein ganz besonderer Tipp sein. Tatsächlich, direkt an der Ausfahrt Allersberg liegt wie gemalt der Rothsee und lädt ein zum Pausemachen. Auch wenn man keinen Angelschein besitzt oder als Motorradfahrer nicht unbedingt Angelruten in der Packtasche spazieren fährt. Denn hier lässt es sich ausgezeichnet baden. Oder man erholt sich auf einer frisch gemähten Liegewiese in der Sonne liegend von den Strapazen auf der Autobahn.
Der See ist ein Paradies aus zweiter Hand, künstlich angelegt beim Bau des Main-Donau-Kanals, der westlich daran vorbeiführt. Wie ein Fjord fügt er sich heute scheinbar natürlich zwischen den sanften Hügeln mit ihren Fichtenwäldern ein – nur einige Baumstümpfe ragen als stumme Überbleibsel des vergangenen Lebens aus dem Wasser – für die riesige Wasserfläche hatten einige Gebäude geflutet werden müssen.
Da ich nun schon einmal die Autobahn verlassen habe, bleibe ich gleich auf den kleinen Landstraßen, versuche, die eingenickten Schräglagengefühle wiederzubeleben und das Ballungsgebiet Nürnberg-Fürth-Erlangen erst einmal zu umfahren. Schlage mit dem kleinen Norton-Single einen Haken an dem prachtvollen
Renaissance-Schloss von Roth vorbei, rolle über den historischen Marktplatz der Stadt und anschließend weiter im Tal der Rednitz nach Schwabach. Malerische Fachwerkhäuser lassen hier vergessen, dass wir knapp unterhalb der Südwestkante dichtester Urbanität entlangsausen. Satellitenstädte und Industrieanlagen sind meilenweit entfernt, Flussidylle dominiert im Wechsel mit ländlichem Ambiente. Letzteres erhält urplötzlich eine exotische Anmutung, als völlig unbekannte Gewächse, maishoch mit riesigen Blättern und weißen Doldenblüten, auf den Feldern auftauchen. Tabak! Noch nie in Deutschland gesehen. Als ob sie zu Onkel Toms Hütte führen würde, avanchiert die gediegene fränkische Gemeindeverbindungsstraße bei Regelsbach zur
Tobacco Road, und ganze Wagenladungen der frisch geernteten Nikotinspender werden per Traktor in die Dörfer gekarrt.
Kaum vorstellbar, dass hier, zwischen Roßtal und Cadolzheim,
wo ich das idyllische Biberttal durchquere, ganz nahe der Puls
eines hektischen Industriegebiets schlägt. Und die kleinen
Waldsträßchen lassen ebenso wenig einen Gedanken an eine Großstadt aufkommen wie Cadolzburg, wo das romantische Franken direkt an die städtische Urbanität grenzt. Das Spätmittelalter ist hier an allen Ecken mit seinem geschlossenen Stadtbild und der trutzigen Burg präsent. Über Kopfsteinpflaster brabbelt der kleine Single durch das enge Stadttor, bis ich ihn nach ein paar Ecken abstelle. Das Viertel rund um die Burg lässt sich besser zu Fuß erkunden.
Direkt vor den Toren von Fürth angelangt, könnte ich nun über die Stadtautobahn in zwanzig Minuten in Nürnbergs Zentrum sein. Schon 1835 bewies hier die erste Eisenbahnlinie Deutschlands die perfekte Infrastruktur der Region. Aber nach den vielen Fachwerkhäusern und historischen Rundgängen zieht es mich erst mal wieder aufs Motorrad und weiter auf unseren Rundkurs um die Stadt. Nördlich von Herzogenaurach wechselt die Landschaft und ist geradezu pockennarbig überzogen von einem Heer kleiner und kleinster Fischteiche. Die Sträßchen werden immer enger und kurviger, und schließlich fahre ich einfach nur noch dem Sonnenstand hinterher. Verirren wird man sich in dem herrlich verkehrsarmen Labyrinth sowieso nicht. Drei wichtige Autobahnen, A 3, A 6, A 9, verschlingen sich hier ineinander und sorgen dafür, dass der Reisende wie von sechs Armen einer
Krake immer wieder irgendwo aufgefangen wird. Dazu kommen noch sieben Tentakel breite Bundesstraßen, acht Eisenbahnbeine und zwei Wasserstraßen. Die Krake scheint allen Verkehr in ihr Maul hineinstrudeln zu wollen.
Dennoch ist Nürnberg kein Moloch. Die fast vollständig erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauern scheinen im Gegenteil noch immer alles Feindliche vom Innern abschirmen zu wollen, selbst die hoch und majestätisch auf einem Hügel thronende Burg wird nicht wie in anderen Großstädten vom Verkehr umbrandet. Zwar gibt es ab 22 Uhr ein innerstädtisches Fahrverbot für Motorradfahrer, doch wer am Abend in einem Café am Tiergärtnertorplatz sitzt und den Blick in der mittelalterlichen Umgebung zwischen Burg und Dürerhaus hin- und herwandern lässt, wird den Rückweg zu seinem Gefährt durch die engen Gassen eher genießen als lästig empfinden. Und bei einem Streifzug am nächsten Morgen an der Pegnitz, wo die Trauerweiden melancholisch ihre Zweige ins Wasser hängen lassen und das Bläshuhn friedlich drum herum paddelt, vermisse ich die Norton nach wie vor nicht. Motorräder kann man dafür in der Altstadt im weltbekannten Nürnberger Spielzeugmuseum bewundern. Selbst auf die Gefahr hin, dass das geliebte Zweirad ganz aus dem Auge gerät, stehen in der Altstadt noch unbedingt Bratwürste oder die legendären Lebkuchen zur Kostprobe an. Aber spätestens dann ist wieder Fahrtwind fällig.
Richtung Nordosten ballern Norti und ich raus aus der Stadt, auf der B 14 am Rande des Sebalder Reichswaldes entlang, tauchen ein in den riesigen Kiefernforst, der vom Rothsee im Süden bis Erlangen im Norden den gesamten Osten des Ballungsraumes mit einem breiten Grüngürtel säumt. Die Kleinstadt Lauf taucht auf, umgibt uns fast schon selbstverständlich mit Burg und herrlich fränkischem Fachwerk. Ich bin draußen – ab Lauf lassen die Krakenarme von uns ab, der Verkehr verebbt, kleine Landstraßen rollen wieder unter den Rädern und im Gegensatz zum sonst eher flachen Nürnberger Umland ragen hier rund 500 Meter hohe Berge gen Himmel.
Der Rothenberg mit gleichnamiger Festung ist so einer. Und
zudem wunderschön zu umfahren. Oder weiter im Süden der Moritzberg, Hausberg der Nürnberger. Noch weiter östlich beginnt der Fränkische Jura, wo es motorradtechnisch nun richtig zur Sache geht. Wer nicht aufpasst, kann in den gewundenen Tälern und schönen Bergstrecken samt Motorrad schnell mal länger verloren gehen und in wilder Kurvenhatz vergessen, dass eigentlich nur ein Kurztrip um Nürnberg geplant war.

Rund um Nürnberg

Nürnbergs Altstadt ist
eine der besterhaltenen in Deutschland und mit ihrem mittelalterlichen Ambiente absolut sehenswert. Dass rundum auch einer der
größten Ballungsräume Deutschlands liegt, kann
dabei leicht in Vergessen-
heit geraten. Zu gut sind
die Verkehrsverbindungen, um schnell in das Umland vorzustoßen, das zwischen Fränkischem Seenland und Jura die verschiedensten Landschaftstypen bietet.

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