Szene: Motorrad-Friedhöfe

Szene: Motorrad-Friedhöfe in den USA Rost in Peace

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Zehn Wochen reiste Gerhard Höss durch die USA. Auf der Suche nach Klassikerteilen stieß er auf bizarre „Scrapyards“.

Rost in Peace Höss

Natürlich war mir klar, dass die Amis ein wenig anders ticken als wir in Deutschland. Doch das, was ich hier in Mount Pleasant/Michigan zu sehen bekomme, verschlägt mir wirklich die Sprache, macht mich traurig und wütend zugleich.

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Die ungeschminkte Brutalität der amerikanischen Wegwerfgesellschaft

Gut, Schrottplätze sind auch bei uns keine Wohlfühl-Oasen für Romantiker. Aber dieser „Motorcycle Scrapyard“ hier in Michigan ist einfach unglaublich. Nicht nur in seinen Ausmaßen, sondern auch in seiner ungeschminkten Brutalität, mit der er uns die amerikanische Wegwerfgesellschaft offenbart. Meine Hoffnung war, während unserer zehnwöchigen Reise durch die USA nicht nur Kultur und ­Sehenswürdigkeiten zu erleben, sondern auch bei der Suche nach Teilen für meine Yamaha-Klassiker fündig zu werden.

Deshalb hatten meine Frau und ich uns bereits bei der Planung der Reise durch die USA einige dieser „Motorcycle Salvages“, „Scrapyards“ oder „Boneyards“ im Internet ausgesucht, die auf unserer Route liegen. Ganz oben auf meiner Wunschliste steht nämlich schon lange eine Hinterradnabe der 1976 nur in Japan und den USA verkauften Yamaha GX 750, weil ich meine eigene Dreizylinder-XS ebenfalls auf Speichenräder stellen möchte. Wegen des Kardans ist so eine originale GX-Nabe sehr hilfreich.

Doch der Glaube an solch einen glücklichen Fund schwindet in dem Moment, in dem uns der Besitzer dieses grünen Motorrad-Friedhofs mit einem „Do you want to see my old stuff?“ das Tor zu seinem riesigen Freigelände öffnet. Eigentlich ein malerisches Kiefernwäldchen – wenn dort nicht  zu Hunderten oder gar Tausenden die Motorradschätze der 60er- und 70er-Jahre im moosigen Boden versinken würden, mehr oder weniger stark gefleddert, außerdem schön nach Epochen ­voneinander getrennt.

Ich zähle mindestens 15 Stück der von mir hochgeschätzten Yamaha TX 750, die frisch restauriert in meiner Garage steht. Wandele durch lange Gassen, die entlang unzähliger Gerippe von Wasserbüffel, CB 750, XS 1100 & Co. führen. Überall rostiges Eisen und mattes Aluminium inmitten des frischen Grüns, das die japanischen ­Zwei- und Viertakt-Klassiker vergangener Zeiten gerade zu verschlingen scheint.

Hier ein riesiger Haufen mit zum Teil noch kompletten Motoren, dort aufgetürmte Kardangehäuse, Winkeltriebe, Auspuffanlagen, Räder und Tanks, die sich der Kraft der Natur längst ergeben haben. Was für ein Frevel, einfach Gras über solche Schätze wachsen zu lassen! Es tut mir in der Seele weh, zu sehen, wie hier Werte verrotten, die (nicht nur) bei uns ganz ­sicher noch zu verwerten wären.

Welch Kontrast zu den gigantischen Motorradmuseen, die wir natürlich auch besucht haben. Egal, ob im beeindruckenden Barber Vintage Museum, dem National Museum in Iowa oder in Sturgis, überall werden die Motorräder ausgesprochen lebendig und liebevoll präsentiert.

Tja, und dann steht man wieder auf einem anderen „Boneyard“ in einem anderen Bundesstaat und erlebt das gleiche: Japanische Bikes, die achtlos weggeworfen oder aus irgendeinem Grund stehen gelassen wurden. Mein Blick fällt auf eine von Wind und Wetter angegriffene, ansonsten jedoch unversehrte 125er-Yamaha, mit noch nicht einmal 2000 Meilen auf dem Tacho. Ein beklemmender Anblick, zumindest für mich. Seit über 30 Jahren schraube ich an solchen Bikes und restauriere sie, hier werden sie einfach dem Verfall preisgegeben.

Japanische Bikes werden ihrem Schicksal überlassen

Ein Bild des Jammers auch nördlich des Lake Roosevelt in Arizona, wo ich  hinterm Maschendrahtzaun des verschlossenen Geländes eine fast komplette Honda CB 77 entdecke, die geradezu nach einem liebevollen Restaurierer zu betteln scheint. Irgendwie erinnert mich dieses Bild an das stille Leiden vieler Kreaturen in den Tierheimen.

Auffällig ist allerdings, dass offensichtlich nur japanischen Bikes dieses Schicksal droht, denn auf keinem der acht besuchten Motorrad-Friedhöfe habe ich Maschinen von Harley-Davidson, BMW oder englischen sowie italienischen Herstellern entdeckt – egal, ob in Ontario, Michigan, Utah oder Arizona. Ähnlich die Situation in Kalifornien, wobei in diesem Bundesstaat die Motorrad-Schrottplätze einen organisierteren Eindruck machen. Strenge Umweltgesetze verhindern hier wohl das ungehemmte Abschieben auf die grüne Wiese. Ob man allerdings in den riesigen Containern mit Hunderttausenden von Teilen das gesuchte finden wird? Zweifel sind da durchaus angebracht.

Ich jedenfalls konnte von diesen „Motorcycle Scrapyards“ zwar unvergessliche Eindrücke mit nach Hause nehmen, die gesuchte Nabe einer Yamaha GX 750 habe ich dort aber nicht gefunden.

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