Magadan heißt eine Hafenstadt am östlichen Ende der Welt. Ein Ort, der zum Ziel wird für die österreichischen Abenteurer Renate und Joe Pichler. Weder schlimme Pisten noch Gebirge, Wüsten, Sümpfe oder Bären können sie aufhalten.
Magadan heißt eine Hafenstadt am östlichen Ende der Welt. Ein Ort, der zum Ziel wird für die österreichischen Abenteurer Renate und Joe Pichler. Weder schlimme Pisten noch Gebirge, Wüsten, Sümpfe oder Bären können sie aufhalten.
Es ist zum Verrücktwerden. Warum kann man nicht einfach losfahren, warum lässt der ganze Behördenkram schon vor der Abreise alle Nerven blank liegen? Ich will nach Magadan, eine der östlichsten Städte Russlands, will den asiatischen Kontinent durchqueren und scheitere schon fast zu Hause an den dafür notwendigen Visa. Ich bin so genervt, als ich meine KTM 990 Adventure R endlich starten kann, dass ich von der ersten Etappe über Ungarn nach Rumänien durch die Ukraine vorbei am Schwarzen Meer in den Kaukasus wenig mitbekomme, so sehr raucht mir der Schädel. Meine Frau Renate tröstet mich vom Soziussitz.
Das Abenteuer beginnt an der Grenze von Usbekistan: Regenfälle haben das Gebiet in ein riesiges Schlammloch verwandelt. Busse und Lkw sind stecken geblieben, nur ein Motorrad kommt durch. Wir erreichen Moynaq, die einst größte Hafenstadt Usbekistans. Vom Aralsee allerdings ist hier weit und breit nichts zu sehen. Einst stolze Fischerkutter liegen im Sandmeer und rosten vor sich hin. Das Wort Wüstenschiff bekommt hier eine makabre Bedeutung. Die ehemalige Hafenstadt liegt heute 150 Kilometer vom Ufer entfernt, und der stolze Aralsee ist auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Größe geschrumpft. Sandstürme sind an der Tagesordnung und die Folgen für die hier lebende Bevölkerung fatal. Asthma ist verbreitet, und man hat die weltweit höchste Rate an Speiseröhrenkrebs. Verständlich, dass wir uns im Wortsinn schleunigst aus dem Staub machen.
In Turkmenistan angekommen, haben wir für die nächsten neun Tage nun einen Führer und ein Begleitfahrzeug im Schlepptau. In dem totalitären Überwachungsstaat ist es nicht erlaubt, sich länger als fünf Tage ohne Begleiter aufzuhalten. Als ob es in der Karakum-Wüste nicht schon von Haus aus heiß genug wäre, besuchen wir am Morgen auch noch den Gaskrater von Darwaza, der von den Einheimischen das Tor zur Hölle genannt wird. Unser Fahrer Valodia kann es nicht glauben, dass ich mit dem Motorrad nach Damla, einer Oase im Herzen der Karakum-Wüste, weiterfahren will. Ich soll doch mit ihm im Land Cruiser mitfahren, das sei bequemer und sicherer. Alle Motorradfahrer, die es bisher versucht haben, sind an der extremen Hitze und den weichen Sanddünen gescheitert. Nicht überraschend, denn das Unternehmen ist hart: Nach anfänglich noch guter Piste führt die Route 90 Kilometer durch Sanddünen, und dazu kommt eine gnadenlose Hitze von über 40 Grad im Schatten. Nach fünf Stunden bestialischer Schufterei taucht endlich die kleine Oase zwischen den Dünen auf. Wir sind die ersten Motorradreisenden, die Damla erreicht haben. Zu Ehren unserer Ankunft wird sofort ein Schaf geschlachtet, und dazu gibt es dann natürlich auch einige Gläser Wodka.
„You have high temperature, will you bring the Schweinegrippe to Usbekistan?“ Ich kann es nicht glauben, der Typ im weißen Kittel hält mir bei der Ausreise aus Turkmenistan ein Thermometer, das aussieht wie eine Spielzeugpistole, an den Schädel und stellt erhöhte Temperatur fest. Dem Mediziner zu erklären, dass ich gerade 200 Kilometer bei 45 Grad durch die Karakum-Wüste gefahren bin, es unterm Helm ziemlich heiß war und ich keine Schweinegrippe habe, ist gar nicht so einfach.
Entlang der legendären Seidenstraße fahren wir weiter nach Tadschikistan. Um die autonome Region Gorno-Badakhshan im Süden des Landes besuchen zu können, haben wir uns schon vor der Abreise bei der Botschaft in Wien eine Sondergenehmigung besorgt. Die Region ist ein sensibles Grenzgebiet, und die zahlreichen Militärstreifen kontrollieren immer wieder unsere Papiere. Die Straße in den Süden führt entlang des Panj-Flusses durch eine enge Schlucht direkt an der Grenze zu Afghanistan. Bei Iskahim wird das enge Tal breiter, und wir haben einen atemberaubenden Blick auf die schneebedeckten Berge des Hindukusch. Durch das fruchtbare Wakhan-Tal führte einst ein wichtiger Seitenarm der Seidenstraße. Von der mächtigen Befestigungsanlage Yamchun ist nur noch eine Ruine übrig geblieben. Der legendäre Handelsweg ist bereits Geschichte, Rauschgifthandel ist heute das Hauptgeschäft.
Die Taliban und gewissenlose Warlords finanzieren ihren Krieg in Afghanistan mit Drogenhandel. 90 Prozent des Heroins, das Europa erreicht, wird durch Tadschikistan geschleust. Die Seidenstraße wurde zum Drogenhighway.
In Murgab gibt es schlechte Nachrichten: Die Grenze nach Kirgisistan ist wegen Unruhen in Osh geschlossen. Das bedeutet für uns, wir müssen über den Pamir-Highway zurück nach Duschanbe und Kirgisistan weitläufig umfahren. Ein Umweg von über 1000 Kilometern liegt vor uns. Die Fahrt durch die öde Steppenlandschaft Kasachs-tans zählt dann nicht unbedingt zu den Highlights der bisherigen Reise.
Nach Tagen auf eintönigen Teerstraßen sind wir nun in der Westmongolei angekommen. Ein Land, in dem Asphalt noch ein Fremdwort ist. Auf staubigen, steinigen Pisten fahren wir Richtung Ölgiy. Die Orientierung ist nicht einfach. Wegweiser sind praktisch nicht vorhanden. Um den Altai Tavan Bogd Nationalpark an der chinesischen Grenze besuchen zu können, ist erneut ein ziemlicher bürokratischer Aufwand erforderlich. Doch der lohnt sich mehr denn je: Am Ufer des Khoton Nuur finden wir einen traumhaften Platz zum Zelten. Mit unserer großen KTM Adventure sind wir für die hier lebenden Nomaden eine riesige Attraktion, über die sie noch lange sprechen werden. Nachdem sie zuerst ausgiebig unser knallrotes Zelt inspiziert und sich köstlich über unseren rußenden Benzinkocher amüsiert haben, müssen wir nun auch ihre Jurte besuchen. Als Begrüßungstrunk gibt es gesalzenen Milchtee, und wir werden zusätzlich auch noch zum Abendessen eingeladen. Der Tee schmeckt zwar gewöhnungsbedürftig, ist aber gar nicht so schlecht. Doch die dann folgende fette Hammelsuppe ist eine echte Herausforderung für unsere Geschmacksnerven. Die fettesten Fleischteile landen alle auf meinem Teller, sie gelten bei den Nomaden als besondere Delikatesse. Gott sei Dank habe ich noch eine kleine Flasche Wodka im Zelt, die werde ich rein prophylaktisch danach noch austrinken …
Nach fünf Wochen Mongolei sind wir wieder zurück in Russland und haben mit der Insel Olkhon den schönsten Teil des Baikalsees erreicht. Und es gibt sie noch, diese weißen Flecken auf den touristischen Landkarten. Über die 5500 Kilometer lange Strecke von Olkhon bis nach Magadan steht so gut wie nichts in meinem Reiseführer. Wir sind auf die Informationen der Einheimischen angewiesen. Der Hotelbesitzer in Zigalovo macht uns dann darauf aufmerksam, dass es auf den nächsten 300 Kilometern bis nach Magistralny keine Versorgungsmöglichkeit mehr gibt. Das heißt für uns volltanken und ausreichend Wasser und Lebensmittel mitnehmen. Ab Ust-Kut geht es dann für 1000 Kilometer nur noch mit dem Schiff weiter, denn Straßen gibt es keine mehr in diesem abgelegenen Teil Ostsibiriens. Die Lena, mit 4400 Kilometern einer der längsten Flüsse der Erde, ist im Sommer der einzige Verkehrsweg. Der Frachter ist bis auf dem letzten Platz mit Containern und Lkw gefüllt. Aber für unsere KTM finden wir noch einen Platz direkt neben der Ladeluke. Kaum an Bord, werden wir sofort in die Gemeinschaft der Lkw- Fahrer aufgenommen. Als Erstes gibt es natürlich mehrere Gläser Wodka und rohen Fisch. Während ich die österreichisch-russische Freundschaft mit viel Wodka besiegeln muss, organisiert Renate eine Kabine für uns. Wir müssen also nicht, wie befürchtet, unter freiem Himmel übernachten. Nach drei Tagen an Bord erreichen wir Lensk und können dann endlich wieder auf zwei Rädern weiter Richtung Polarkreis. Entlang der Viyuski-Route fahren wir auf materialmordenden Wellblechpisten durch die sibirische Taiga und erreichen nach vier Tagen Jakutsk. Ein wichtiger Versorgungspunkt, bevor wir zur letzten Etappe aufbrechen, entlang der legendären „Road of Bones“ Richtung Osten.
Kolyma-Highway ist der eigentliche -Name dieser 2000 Kilometer langen Straße von Jakutsk nach Magadan. Sie wurde in der Stalin-Ära von Zwangsarbeitern gebaut, um die Arbeitslager im unwirtlichsten Teil der Sowjetunion zu versorgen. Zigtausende haben die unmenschlichen Arbeitsbedingungen nicht überlebt und wurden direkt neben der Straße verscharrt. So ist der Name „Knochenstraße“ entstanden. Die abenteuerliche Piste führt durch unberührte Tundra- und Taiga-Landschaften, entlang reißender Bäche durch tiefe Schluchten in den äußersten Osten Sibiriens. Es ist eine wilde, atemberaubend schöne, aber menschenleere Gegend. Die Abstände zwischen den Ortschaften betragen bis zu 500 Kilometer, und Hotels sind eine Seltenheit. Aber wir haben ja unser Zelt dabei, und die angeblich hier lebenden Bären werden durch die Geräusche der Auspuffanlage hoffentlich vertrieben. Selbst etliche Reifenschäden auf der steinigen Piste können uns nicht aufhalten, und so erreichen wir nach 138 Tagen endlich die 100000-Seelen-Stadt Magadan am Ochotskischen Meer bei strömendem Regen.
Nach einer heißen Dusche kehren die Lebensgeister zurück, und wir feiern mit Lachs, Kaviar und Unmengen an Wodka unsere Ankunft am Ende der Welt.
Ein Trip, der nur was für Menschen mit ausgeprägten Abenteueransprüchen ist: bürokratische Hürden, extreme klimatische Bedingungen, fahrerische Herausforderungen, ungeheure Entfernungen und am Ende die „Road of Bones“.
Anreise und Einreise:
Ein gültiger Reisepass, nationale Zulassung und nationaler Führerschein sind obligatorisch. An den Grenzen wird eine temporäre Einfuhrgenehmigung ausgestellt, ein Carnet de Passage ist nicht erforderlich. Wir haben den Rücktransport in Magadan mit Luftfracht nach Moskau organisiert. Es gibt auch die Möglichkeit, das Bike mit dem Schiff nach Wladiwostok und von dort weiter in die Heimat zu transportieren.
Klima und Reisezeit:
Die beste Zeit für eine Transasien-Reise ist von Mai bis September. Dennoch sind die Temperaturschwankungen enorm. Wir erlebten eine unvorstellbare Hitze in der Karakum-Wüste und im Kontrast dazu Schneefelder am Pamir-Highway.
Motorrad und Verkehr:
Außerhalb der großen Städte ist das Verkehrsaufkommen eher gering. Hier ist eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern erforderlich, und teilweise ist Benzin mit nur 76 Oktan erhältlich. Unbedingt entsprechende Vorkehrungen am Motorrad treffen, um einen Motorschaden zu vermeiden. Die KTM Adventure ist serienmäßig mit einer umschaltbaren Zündbox ausgestattet.
Geld:
Geldautomaten findet man in allen größeren Ortschaften, wobei Visa und Mastercard am meisten verbreitet sind. Euro können fast überall getauscht werden, für Notfälle sollte man unbedingt noch Dollar mitnehmen.
Kommunikation:
Grundkenntnisse der kyrillischen Schrift und ein paar Brocken Russisch sind unbedingt erforderlich. Öffentliche Telefone sind überall zu finden. Das Handynetz ist gut ausgebaut, und die meisten GSM-Anbieter in Europa haben Roaming-Partner in den jeweiligen Ländern. Aber Achtung: Unbedingt vorher die Gesprächsgebühren erfragen, es kann sonst teuer werden. Internetcafés gibt es in allen größeren Ortschaften.
Literatur und Karten:
Karten zu den meisten Ländern sind im Reise Know-How Verlag erhältlich. Sie sind wasserfest und unzerreißbar, daher für den Motorradgebrauch bestens geeignet. Für das GPS sind die OSM-Karten zu empfehlen. Detaillierte Reiseführer zu den einzelnen Ländern gibt es im Reise Know-How Verlag auf Deutsch und bei Lonely Planet auf Englisch.
Hotels und Camping:
Hotels aller Preisklassen findet man in den Großstädten und Touristenzentren. Auf dem Land sind es einfache Unterkünfte, mit denen man vorliebnehmen muss. Campingplätze sind selten, aber die braucht man in den dünn besiedelten Gebieten Asiens ohnehin nicht, man kann sein Zelt überall aufstellen. Der Treffpunkt aller Mongolei-Reisenden ist das Oasis Café in Ulan-Bator. Hier gibt es auch die besten „Käsekrainer“ Asiens (geräucherte Brühwürste mit Käseanteil), Infos: www.intergam-oasis.com.
Essen und Trinken:
Das Nahrungsmittelangebot ist überall ausreichend. In allen großen Ortschaften findet man gut sortierte Supermärkte. Mineralwasser in Plastikflaschen ist überall erhältlich. Die Auswahl von lokalen Spezialitäten reicht von „Plov“ (Reisgericht) in Usbekistan bis zu geräuchertem Lachs und Kaviar in Magadan. Bier und vor allem Wodka scheinen in fast allen Ländern Grundnahrungsmittel zu sein.
Adressen/Termine:
Infos im Netz unter folgenden Seiten: www.horizonsunlimited.com, digitale Karten weltweit: www.openstreetmap.org.
Der Autor begeistert in Österreich und Deutschland mit Multivisionsshows.
Programm und Infos: www.josef-pichler.at.