Veterama, genau. Zweimal jährlich wird diese gigantische Mixtur aus IFMA, Flohmarkt und Sperrmüll inszeniert, und zum Walhalla der Rost- und Schmierölinfizierten, der Besessenen und Gläubigen.
Veterama, genau. Zweimal jährlich wird diese gigantische Mixtur aus IFMA, Flohmarkt und Sperrmüll inszeniert, und zum Walhalla der Rost- und Schmierölinfizierten, der Besessenen und Gläubigen.
»München-Wien im Rekordschnitt von 135 km/h ist der Leverkus 1969 mit der gefahren!« Die Umstehenden raunen zustimmend, ja, ja, quasi das erste Superbike sei das gewesen. Die Verkaufsverhandlung um eine weiße Moto Guzzi V7 knapp hinter dem Eingang des Ludwighafener Maimarktgeländes tritt gerade in die entscheidende Phase. Neben der Menschentraube eine bemerkenswerte Kollektion weiterer Schnäppchen: Links eine mittelschwer verhunzte Honda CB 750 Four, ohne Tacho und Auspuffdämpfer, dafür mit selbstgebastelter Sitzbank, Italorasten und einer rotbraun versifften Vergaserbatterie, die alleine schon nach wochenlanger Arbeit schreit. Stand zwar neun Jahre, kostet aber auch nur 1900 Mark. Rechts eine Gilera-Enduro, dahinter eine BMW R 75/5. Laut Preisschild schon von 5900 auf 4900 Mark gefallen. Gegenüber gibts alte MOTORRAD-Hefte für eine Mark, drei Stände weiter, bei NSU-Hammel, original Ersatzteile für alle Luxe und Mäxe der Wirtschaftswunderjahre. Die Veterama - Schmelztigel der Bastelobjekte aller Dekaden. Seit 25 Jahre eine feste Institution, die halbjährlich in Ludwigshafen oder Mannheim über die Bühne geht. Mit rund 50 000 Besuchern und 3000 Anbietern der größte Event der Szene. Die Kennzeichen aus halb Europa auf dem Besucherparkplatz zeigen den Ausstrahlungsbereich des Treffens. Die Fahrzeugtypen das Interessensspektrum der Besucher: NSU TT, BMW 2002, Brezelkäfer, Hanomag Henschel - auf der Veterama teilen sich zwei- und vierrädrige Fans einträchtig das Terrain. Jetzt, am Sonntagmittag, gibts schon wieder Lücken, der große Run ist schon durch. Denn echte Schnäppchenjäger weiden gleich am Samstag früh den Platz ab.Mit Starthilfekabel und einer fetten Autobatterie ist man inzwischen bei der V7 zu Gange. Die drei Kaufaspiranten wollen den Motor hören. Ein paar Ecken weiter läuft die unermüdliche Suche in einem Stapel namenloser Getrieberäder am Stand eines Franzosen aus dem nahen Elsass. Wer die identifizieren kann, findet sich unter Umständen auch in den benachbarten Kisten mit Vergasern, Tachos und Lampen aller Länder zurecht. Gelegentlich helfen aufgepinselte Hinweise wie »Rudge« oder »Ardie« weiter. »Läuft ohne Geräusche« - BMW-Kornhas aus Karlsruhe wird da schon präziser. Der langmähnige Verkäufer mit Cowboyhut und Overall hortet Boxer und Singles in allen Einzel- und Komplettierungsstadien. Vom »R 45 Teileträger nur in Teilen« übers motorlose Geländechassis bis zur grau patinierten R 60/2. »Habt ihr noch Vergaserreiniger? Dann vier Dosen!« Dieser Kunde hat was vor. Eine 1300er Kawa bahnt sich grollend eine Gasse über den Platz, ein Mitvierziger mit angestrengt dreinblickender Gattin schiebt glücklich eine verwitterte Horex Richtung Ausgang. Zuweilen als Schrottplatz verschrien, ist die Veterama das Mekka der Jäger und Sammler aller Alters- und Sozialgruppen. Makellos restaurierte Edelobjekte zum Listenpreis tun sich hier schwer. So ziehen die Königswellen-Ducati für 16 000 Mark oder die Indian von Standzeile sieben zwar Bewunderer, aber kaum Käufer an. Die Jungs hinter dem Gebrauchtreifenstapel, der schwarzen 750er-Honda für 3800 Mark, dem platten Malagutti-Mofa und der alten Emme für zwei Blaue haben inzwischen den Klappgrill angeworfen und ein paar Bier aufgemacht. Über den Preis von der Honda ließe sich reden, rufen sie gutgelaunt rüber, was weg ist, ist weg. Gegenüber werden die ersten Teile verschenkt, und der Preis für das rostige Peugeot-Mofa ist bereits von 30 auf 10 Mark gefallen. Die Messe schließt in wenigen Stunden. Nur ein Velo Solex mit Ersatzmotor hält sich tapfer bei zwei Blauen. Der Transporter des Technikmuseums Sinsheim rollt über den Platz, doch Museumsstücke sind jetzt nicht mehr zu ergattern, nun werden die Gebrauchsspurenmodelle, die Restaurierungs- und Fanobjekte verramscht: irgendwo eine ganze Batterie angestaubter Guzzi- und Laverda-Motoren, eine komplette Lario für sensationelle 1500 Mark, Zustand unwäg- bis maximal rollbar, ein komplettes Dragster-Rennmotorrad für 4900, und sogar ein seltener Rau-Zentralrohrrahmenkit für eine Z 900 liegt noch herum. »Der Herr, der vorhin die Kadett-C-Stoßstangen gekauft hat, bitte zum Stand zurückkommen. Er hat die falschen mitgenommen«, dröhnt eine Lautsprecherdurchsage über den Platz. Letzte Gelegenheit, Vergesslichkeiten zu erledigen. Am Guzzi-Stand ist man inzwischen bei der Probefahrt angelangt. Konzentriert im umgedrehten Schaltschema rührend, rollt der Käufer die Standgasse entlang, die V7 schüttelt im wackeligen Grunddrehzahlbereich, - 8900 Mark - der Preis wankt nicht. Erste Hand, US-Modell, der Verkäufer hat schon die Ersatzkerzen parat. »Mit JU 88 gegen England«, »Lanz-Gespannbuch«, gegenüber packt die Verkäuferin im Ledertop die letzten Raritäten ein. Der Gebraucht-Literaturmarkt ist riesig, die Grenzen sind fließend - über Jagdflieger ist man schnell bei Militaria, Stahlhelmen und Tarnanzügen angelangt. Aber es wird auch niemand davon abgehalten, ein Caltex-Ölkabinett, alte Taxameter, eine Kettensäge oder ein 40 Jahre altes Loewe-Opta-Koffertonbandgerät zum Verkauf herzuschleppen. »Da ölt sie!« Offenbar ist man nun beim Preis. Der Verkäufer, sichtlich um Haltung bemüht, wiederholt, dass das Motorrad gerade mal 17 800 Kilometer runter habe und 8900 ein wirklich fairer Deal sei. Die Interessenten wiegen die Köpfe. »Aber sie ist nicht ganz original...« Puh klingt anstrengend. Die 750er-Honda für 1900 Mark ist ebenfalls noch da. Dummerweise wird die nicht billiger. Aber auch nicht besser. Dafür sind 1900 nicht wirklich unerschwinglich, und so ein Tacho und vier Auspuffeinsätze können nicht die Welt kosten .... Plötzlich sind sie weg. Einfach verschwunden. Der verdutzte Verkäufer steht plötzlich alleine mit der Guzzi und seinen Ersatzkerzen da. Die Blondschöpfe irgendwo in der Menge untergetaucht, wohl kein Bock mehr auf Guzzi. Der enttäuschte Verkäufer lädt sie in den Transporter, vielleicht läufts beim nächsten Mal. Wo steckt eigentlich der Verkäufer dieser Honda?
Die nächste Veterama findet am 6./7. April 2002 in der Ludwigshafener Friedrich-Ebert-Halle statt und ist nur Motorrädern vorbehalten. Autos und Zweiräder gemeinsam werden eine Woche später, am 13./14. April, auf dem Mannheimer Maimarktgelände gehandelt. Eintritt: ab sieben Euro, Standgebühr ab 60 Euro. Infos unter Telefon 06203/13507 oder www.veterama.de.