Immer wieder Afrika. Seit 13 Jahren zieht es Rainer und Petra Bracht im Sattel ihrer alten GS auf den schwarzen Kontinent. Diesmal für drei Monate. Zeit genug, um eine 16000 Kilometer weite Runde durch Westafrika zu drehen.
Immer wieder Afrika. Seit 13 Jahren zieht es Rainer und Petra Bracht im Sattel ihrer alten GS auf den schwarzen Kontinent. Diesmal für drei Monate. Zeit genug, um eine 16000 Kilometer weite Runde durch Westafrika zu drehen.
Nur ein Gedanke hält Petra und mich aufrecht im Sattel: 90 Tage Afrika. Die rund 1100 Kilometer von unserer Haustür bis hinunter in den Hafen von Genua erweisen sich nicht gerade als Spazierfahrt. Es ist bitterkalt, und teilweise liegt Schnee auf den Straßen. Kaffeepause um Kaffeepause hangeln wir uns Richtung Mittelmeer. Als wir an Bord der Fähre rollen, die uns nach Tunis bringen wird, spüren wir, wie die Spannung der letzten Tage abfällt.Endlich Afrika! Nach fünf Minuten sind die Formalitäten am tunesischen Zoll erledigt, und wir brechen nach Hammamet auf. Es ist fast schon wie zu Hause ankommen. Nach 13 stets mehrmonatigen Reisen erscheint uns dieser Kontinent wie eine zweite Heimat. An der algerischen Grenze erkennt uns tatsächlich der Zollchef, freut sich sogar aufrichtig, uns wieder zu sehen. »30 Tage, wie immer?« erkundigt er sich nach der Dauer der obligatorischen Versicherung, und uns gefällt diese zuvorkommende Behandlung.Zwei Tage später in Ghardaia. Eine angeneheme Stadt, in der hauptsächlich Mozabiten leben, eine strenggläubige Sekte des Islam, die sich bereits im 11. Jahrhundert in dieser Gegend niedergelassen hat, um der Verfolgung in anderen, weniger abgelegenen Landesteilen zu entgehen. Auffällig ist ihre Kleidung, die nur eine Öffnung für ein Auge erlaubt.Wir machen uns auf den Weg nach El Goléa, überquren einzelne Berge und durchqueren kleinere Dünenfelder. Zwei Tage müssen wir in einer Oase mit ihren sagenhaften 200000 Dattelpalmen schließlich auf die Zusammenstellung eines Konvois warten, ohne den wir aus Sicherheitsgründen nicht nach In Salah reisen dürfen. Einmal unterwegs, löst sich der Konvoi zu unserer Überraschung allerdings rasch wieder auf. Wir fahren praktisch allein, treffen einige der schwer beladenen Lkw und ihre bewaffneten Bewacher erst wieder in einem Café an dem Abzweig nach Timmimoun. Doch auch die weitere Strecke bis In Salah sind wir ohne Begleitung unterwegs, passieren schöne, rötlich leuchtende Dünen, nehmen das Plateau du Tademeit unter unsere Stollen, dessen völlig ebene, vegetationsfreie Fläche mit schwarzen Steinen übersät ist. Ein eintöniges, aber trotzdem faszinierendes Fahrerlebnis.Unsere nächste Station: Tamanrasset, das wir zwei Tage später erreichen. Wir stellen unser Zelt auf dem Campingplatz Tarahist auf und entspannen drei Tage, trinken Unmengen von Tee, schlendern durch die lebhafte Stadt, in der viele Tuareg in traditioneller Kleidung ihre Geschäfte verrichten. Seit unserem ersten Besuch ist der Ort stark gewachsen, doch an der von Tamarisken bewachsenen Hauptstraße hat sich in den 13Jahren kaum etwas verändert.Wir machen uns auf den Weg nach Arlit im Niger. 700 Kilometer sind es bis dorthin, und die Piste wartet mit elendigen Wellblechpassagen und teilweise langen Sandfeldern auf. Gut, dass wir in »Tam« die Michelin-Dessert-Reifen aufgezogen haben. Zwei Tage benötigen wir, um die Grenze des Niger in Assamaka zu erreichen. Im Land selbst macht uns dann ein heftiger Sandsturm zu schaffen. Die Sicht geht gegen Null. Glücklicherweise können wir den Windschatten eines Lkw nutzen, bis der Sturm nachlässt, und erreichen noch am Nachmittag die Uranbergbaustadt Arlit, befinden uns endlich in Schwarzafrika. Anders als in den vom Islam geprägten Ländern herrscht hier am Abend richtig Leben auf der Straße. Das Hotel, in dem wir uns einquartiert haben, dient gleichzeitig als Bordell, und das kalte »Bière Niger« fließt in Strömen.Weiter nach Agadez, wo wir eine kleine Pause einlegen. Nach den Sandstürmen und den Tagen auf der Piste haben unsere zwei T-Shirts und drei Unterhosen pro Person endlich eine Wäsche verdient. Und auch uns tut eine Dusche gut.Auf dem Weg nach Niamey wird die Vegetation allmählich dichter. Ausgedehnte Erdnussfelder säumen die Piste. Um die kostbare Ernte vor Mäusen und anderen Plagegeistern zu schützen, haben die Bauern ihre urnenförmigen Speicher auf Stelzen gestellt. Um uns zu schützen, müssen wir auf dem heruntergekommenen Campingplatz in Niamey dem Nachtwächter eine kleine Geldspende zukommen lassen. Von einer ruhigen Nacht dennoch keine Spur. Auf dem Gelände befindet sich eine gut besuchte Bar, in der zahlreiche Prostituierte auf Kunden warten. Dafür ist das Bier ausnahmsweise optimal gekühlt.Wir benötigen zwei Tage, um die Visa für Burkina Faso zu organisieren, machen uns langsam auf den Weg zum Nachbarland. Der Grenzübertritt verläuft für afrikanische Verhältnisse völlig entspannt. Nur einen Tag später reisen wir in Togo ein, das wir von Nord nach Süd durchqueren wollen. Leider sehen wir recht wenig vom Land. Ein anhaltend heftiger Wind bläst roten Staub der in dieser Region charakteristischen Lateritböden in jede Ritze, und zusätzlich brennen die Bauern ihre trockenen Felder ab, was die Sicht ebenfalls stark einschränkt. Aber wir spüren eine Veränderung. Das bislang recht trockene Klima weicht endgültig den Tropen. Südlich von Atakpamé ist es heiß und unglaublich schwül. Im heruntergekommenen Lomé steigert sich dann noch der Verkehr zum absoluten Chaos. Fahren im Grenzbereich. Nur erträglich mit einem Ziel vor Augen: der Campingplatz »Chez Alice« im Vorort Avepozo, den wir von früheren Reisen her kennen. Für uns der beste Platz in Afrika, um ein paar Tage zu relaxen, um andere Reisende zu treffen und um zu feiern. Die Party, die hier jeden Mittwoch steigt, genießt unter Travellern einen legendären Ruf.Nach dieser Erholpause brechen wir auf in Richtung des benachbarten Ghana. Erstaunlicherweise haben wir auf das entsprechende Visum nur drei Tage warten müssen, und auch an diesem Grenzübergang verlaufen Aus- und Einreise völlig unproblematisch. Der Weg zum riesigen Akosombo-Stausee führt schon bald durch eine wunderschöne Hügellandschaft und entpuppt sich als gut ausgebaute Kurvenstraße. Ideal zum Motorradfahren. Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir die Staumauer, finden einen gut gelegenen Zeltplatz am Rande des Volta-Flusses. Eine äußerst schmackhafte Portion Flusskrebse krönt diesen wunderbaren Tag.Tags darauf erreichen wir wieder das Meer und mit ihm die Hauptstadt Accra. Wir sind praktisch am südlichsten Punkt unserer Reise angelangt. Hier ist es wieder spürbar wärmer als im höher gelegen Inland. Am Tag sind die 30 bis 35 Grad gerade noch auszuhalten, doch nachts treibt uns die extrem hohe Luftfeuchtigkeit bei immerhin noch 25 Grad fast in den Wahnsinn. An Schlaf ist kaum zu denken. Unsere Schlafsäcke, die wir als Unterlage benutzen, kann man morgens fast auswringen. Zum Glück ist es zum Strand nicht weit, und ein Bad im Golf von Guinea erweist sich als angenehme Abkühlung. Zudem ist für Unterhaltung gesorgt. Schmunzelnd beobachten wir, wie unzählige Boys, viele im Rasta-Look und mit einem Joint in der Hand, an der Promenade um die Gunst der überraschend zahlreichen Touristinnen aus aller Welt buhlen, um sich für ein paar Tage aushalten zu lassen.Noch ein paar Tage am Strand von Ampenyi, dann nehmen wir wieder Nordkurs, lassen den Boxer über Lateritpisten durch die traurigen Regenwald-Überreste im Landesinneren bis Kumasi brummen. Das Land wird karger, schließlich breitet sich eine unendlich weit erscheinende Savannenlandschaft vor uns aus. Eine irrsinnige Hitze liegt über diesem Teil Ghanas in Larabanga am Eingang zum »Mole Game Reserve« messen wir 40 Grad.Ein Wildhüter führt uns durch den Nationalpark. Wir beobachten Affen, Antilopen und Buschböcke, entdecken an einer Wasserstelle mehrere Warzenschweine und können uns einem Elefanten sogar bis auf zehn Meter nähern. Zum Schlafen gehts zurück nach Larabanga, wo wir anstelle eines stickigen Zimmers ein Bett auf dem Dach des Hotels erhalten. Auch das Essen wird uns unter einem grandiosen Sternenhimmel serviert.Nur ausschlafen ist nicht drin in Afrika beginnt das Leben sehr zeitig. Kurz nach Sonnenaufgang sitzen wir bereits wieder im Sattel unserer BMW. Der Vorteil des Frühaufstehens: Die Temperatur ist noch angenehm und das Licht einfach fantastisch. Heute wollen wir durch den Nordwesten Ghanas bis über die Grenze nach Burkina Faso gelangen.Zunächst holpern wir über eine üble Wellblechpiste, die plötzlich von einer neu asphaltierten Straße abgelöst wird. Schon bald geht es allerdings wieder auf einer teils sehr sandigen Piste weiter. Die flache Landschaft bietet wenig Abwechslung, nur dann und wann taucht mal ein Dorf auf. Dafür kommen wir recht gut voran, reisen problemlos nach Burkina Faso ein und erreichen kurz darauf die Hauptstadt Bobo-Dioulasso.Unser nächstes Ziel ist Segou in Mali. Eine schöne Stadt am Ufer des Niger. Mit prächtigen Gebäuden aus der Kolonialzeit, tollen Lehmbauten und einer imposanten Allee am Fluss. Nach den vielen staubigen Kilometern gönnen wir uns hier eine Pause. Besonders faszinierend ist das Leben am Fluss. Unzählige Boote sind unterwegs, transportieren Waren aller Art. Wir entdecken eine Werft, in der die farbenprächtigen Pirogen gebaut werden, und fast überall haben Fischer ihre Netze ausgelegt. Über die hygienischen Zustände darf man indes nicht nachdenken. Sämtliche Abwässer werden in den Fluss geleitet, er ist gleichermaßen Toilette, Waschplatz, Müllhalde, Fischereizone und Badestelle. Auf ein leckeres Fischgericht, landestypisch mit Knoblauch, Chili und Butter zubereitet, können wir dennoch nicht verzichten.In Bamako erhalten wir die beantragten Visa für Mauretanien und brechen in Richtung der 600 Kilometer entfernten Stadt Kayes auf. Eine Gruppe Motorradfahrer kommt uns entgegen und warnt uns vor der fahrerisch schwierigen Etappe. Ernsthafte Sorgen haben wir jedoch nicht. Unsere insgesamt 500 Kilogramm schwere Fuhre lässt sich erstaunlich sorgenfrei über die steinigen Passagen und sogar durch den Fech-Fech-Sand bewegen. Die teilweise trialartigen Abschnitte machen mit dem drehmomentstarken Boxer sogar richtig Spaß. Erster Gang, Kupplung kommen lassen, dann mit Schrittgeschwindigkeit relativ problemlos über fast jede Hürde in dieser nahezu unberührten Savannenlandschaft. Wir sind völlig in unserem Element, passieren nur eine Handvoll winziger Dörfer, deren Bewohner uns stets aufs freundlichste begrüßen. Direkt am Ufer des Senegal-Flusses schlagen wir unser zelt auf, schwimmen im klaren Wasser der Stromschnellen Chutes de Felou. Afrika, wie es schöner kaum vorstellbar ist.Endlich im Senegal gelandet, brummen wir gleich weiter in Richtung Norden, erreichen bei Rosso in Mauretanien bereits wieder die Ausläufer der Sahara. Eine gut ausgebaute Straße führt durch ein rötlich schimmerndes Dünengebiet und vorbei an einigen Nomadenzelten, bis wir die Hauptstadt Nouakchott erreichen. Hier treffen wir Didier, einen Franzosen, der in einem 44 Jahre alten Renault aus Armee-Beständen unterwegs ist. Gemeinsam nehmen wir die Piste nach Nouadhibou in Angriff, die zuerst etwa 160 Kilometer weit direkt am Strand verläuft. Mal müssen wir bis ans Meer reichende Dünen überqueren, mal heißt es, Felsen und kleine Klippen zu umfahren.Da uns langsam die Zeit ausgeht auch drei Monate sind irgendwann einmal zu Ende , fahren wir sozusagen in einem Rutsch bis nach Marokko, biegen auf der Höhe von Bouzarkane in Richtung Foum-Zguid ab. Zwei Tage durchstreifen wir dieses Gebiet südlich des Atlas-Gebirges, in dem lediglich einige Oasen und Kasbahs, jene archaischen Wohnburgen aus Lehm, von menschlicher Zivilisation zeugen, genießen die Fahrt durch das fantastische grüne Draa-Tal bis nach Quarzazate und weiter zur gewaltigen Dadès-Schlucht. Was für ein Canyon, in den wir blicken! Und praktisch nebenan liegt die Todra-Schlucht. Nur dass man hier dem Flussbett folgt und sich zwischen den bis zu 1000 Meter hohen, senkrecht aufsteigenden Felswänden ziemlich winzig vorkommt.Ein paar Tage später haben wir Fès erreicht. Die älteste aller marokkanischen Königsstädte gilt als eine der schönsten der Welt. Orientalische Architektur in Vollendung, und seit jeher ist Fès eine wichtige Handels- und Marktstadt. Als wir durch die Gassen der Altstadt schlendern, vorbei an Gerbern, Wollfärbern, Kupferschmieden und anderen Handwerkern, die Geräusche und Gerüche in uns aufnehmen, fühlen wir uns ins Mittelalter zurückversetzt. Dabei steht endgültig die Heimreise an es geht sozusagen zurück in die Zukunft. Über Chefchaouen rollen wir nach Tanger zur Fähre nach Europa.Ganz ohne Panne was irgendwie ein Wunder wäre kommen wir auch diesmal nicht davon. Nach bisher acht neuen Kardanwellen, mehreren Rahmenbrüchen, ölenden Federbeinen oder völlig verrückt spielender Elektrik (siehe MOTORRAD 7/2000) gibt 30 Kilometer vor dem Hafen in Tanger plötzlich die Lichtmaschine ihren Geist auf. Doch wir sind schon dankbar, das die Straßen zurück nach Deutschland nicht mehr verschneit sind.
Eine Motorradreise durch die Länder Westafrikas ist ein Abenteuer und an Eindrücken schwer zu überbieten. Die Logistik (vor der Reise) und Bürokratie (in Afrika) sollte man aber nicht unterschätzen.
Anreise: Es gibt diverse Möglichkeiten, per Fähre nach Afrika zu gelangen. Am naheliegendsten sind die Verbindungen von Genua, La Spezia oder Marseille nach Tunis (SNCM, Corsica Marritima). Wer Marokko als Ziel (Comanav) hat, muss mindestens bis ins südfranzösische Sète fahren. Die günstigste Passage (Genua-Tunis) schlägt einfach pro Person und Motorrad mit etwa 220 Euro zu Buche. Infos bei den Fährgesellschaften: SNCM und Corsica Marritima, Telefon 06196/4291113; Comanav, Telefon 06102/811004. Eine passende Fährverbindung lässt sich auch im Internet unter www.ocean24.com oder www.ferriesonline.com sowie unter www.yalla-off-road.de finden und buchen.Reisezeit: Für die beschriebene Tour eigenen sich am besten die Monate Januar, Februar und März. Fährt man später, ist es in der Sahara bereits zu heiß, und in West-Afrika beginnt die Regenzeit.Dokumente: Mit Ausnahme von Tunesien, Marokko und Senegal herrscht überall Visumpflicht. Das Visum für Algerien sollte unbedingt schon zu Hause organisiert werden, während man den Stempel für Niger in Tamanrasset erhält. Jedes weitere Visum lässt sich in den Hauptstädten der jeweiligen Nachbarländer besorgen. Neben einem Reisepass mit genügend freien Seiten muss ein Impfpass sowie ein Internationaler Führer- und Fahrzeugschein mitgeführt werden. Für Marokko und Tunesien benötigt man eine Grüne Versicherungskarte, alle anderen Länder verlangen, dass an der Grenze eine Versicherung abschlossen wird. Zusätzlich wird für das Fahrzeug ein Carnet de Passage benötigt. Erhältlich beim ADAC. Sämtliche Einreisebestimmungen sind unter www.auswaertiges-amt.de per Mauslick erhältlich. Gesundheit: Eine Gelbfieberimpfung ist obligatorisch, eine Malariaprophylaxe oder entspechende Stand-by Medikamente sind lebenswichtig. Ferner sollte man nicht auf eine Auslandskrankenversicherung verzichten. Weitere Hinweise: www.malaria.de und www.fit-for-travel.deLiteratur:Nahezu alle Informationen finden sich in den ausführlichen Bänden von »Reise Know-How« über Tunesien, Algerische Sahara, Westafrika sowie über Marokko. Die beste Karte kommt von Michelin: Blatt 953 »Nord und Westafrika«. Satelittennavigation und Detailkarten sind je nach Route allenfalls in der Sahara sinnvoll.Jede Menge brauchbare Infos für Afrikafahrer (Streckenzustände, GPS, Einreisepropleme etc.) finden sich im Internet unter www.sahara-info.ch sowie unter www.klaus.daerr.de