Sorry, liebe BMW-Designer, aber von vorn sieht euer Roller aus wie eine Dorade. Mal sehen, ob er auch was taucht.
Sorry, liebe BMW-Designer, aber von vorn sieht euer Roller aus wie eine Dorade. Mal sehen, ob er auch was taucht.
Es gibt da natürlich einen gravierenden Unterschied: Während die wohlschmeckende Dorade für rund zwölf Euro pro Kilogramm zu haben ist, zahlt man für ein Kilo Touring-Roller aus dem BMW-Teich umgerechnet rund 45 Euro. Der C 650 GT kostet in der Basisversion 11450 Euro. Mit Highline-Ausstattung (Tagfahrlicht, Sitzheizung, Heizgriffen, Reifendruckkontrolle) erhöht sich der Preis um 790 auf 12 240 Euro. Kein Schnäppchen, doch vielleicht ein guter Fang …
Ein Fang, den man eigentlich schon im Mai dieses Jahres an Land hätte ziehen können. Wenn, ja, wenn BMW wie angekündigt hätte liefern können. Die verspätete Auslieferung begründen die Bayern mit technischen Änderungen in letzter Minute.
Besagte Nachbesserungen betrafen den Sekundärtrieb. Egal. Ab sofort stehen der C 650 GT und sein Blutsbruder C 600 Sport bei den Händlern. Wie schon bei anderen BMW-Modellen ist die Hubraumbezeichnung irreführend, denn beide Roller sind mit dem identischen Antrieb ausgerüstet, einem kurzhubigen Twin mit 647 Kubik.
Und den werden wir jetzt gleich mal starten. Hoppla, wer den 650er-Großraumroller schieben muss, denkt trotz des markanten Gesichts eher an Wal als Dorade. Ungeachtet eines vermeintlich niedrigen Schwerpunktes aufgrund des tief eingebauten Motors braucht man zum Rangieren des 268-Kilo-Brockens Erfahrung. Einfach vom Seitenständer hebeln und schieben geht eh nicht. Denn der ausgeklappte Seitenständer aktiviert auch gleichzeitig die Feststellbremse. Auf der einen Seite pfiffig gelöst, auf der anderen nicht. Denn Ungeübte, die beim Rangieren zur Sicherheit gern den rettenden Seitenständer ausgeklappt haben würden, schauen in die Röhre. Überhaupt braucht man schon etwas Erfahrung - und sollte nicht eingerostet sein. Denn besonders niedrig ist der Durchstieg nicht. Und wer sein Bein über die Sitzbank mit der integrierten Lehne schwingen möchte, sollte auch nicht unbedingt an Gicht leiden.
Schon nach den ersten Metern on the road verdrängt ein herzerfrischendes Grinsen alle Bedenken. Die Sitzbank ist nicht nur breit und bequem, sondern auch beheizbar. Man sitzt äußerst entspannt - Beine lässig gestreckt, Füße auf den langen Trittbrettern. Und ist die elektrisch verstellbare Scheibe bis zur höchsten Stellung ausgefahren, stellt sich tatsächlich eine Behaglichkeit ein, wie man sie sonst nur von großen Tourenmotorrädern gewohnt ist.
Die Bezeichnung GT steht also nicht umsonst für Grand Tourismo. Doch nun zum Motor: Der neu entwickelte Twin ist durch seine um 70 Grad nach vorn geneigte Zylinderbank besonders flach geraten und klingt recht kernig. Mit seinem Leistungs-Output von nominal 60 PS und den auf dem MOTORRAD-Prüfstand am Hinterrad gemessenen 47 PS kann er sich im Reigen der Großroller gut behaupten. Ein CVT-Getriebe (Continuously Variable Transmission) sorgt mit seinem Riemenantrieb für stufenlose Kraftübertragung, zwei Ausgleichswellen sollen lästige Vibrationen eliminieren, was hervorragend klappt. Der Motor hängt sehr weich am Gas und setzt Gasbefehle relativ spontan um. Relativ deswegen, weil sich die Power erst einmal über die Fliehkraftkupplung nach hinten hangeln muss. Bei hitzigen Ampelstarts muss man die Beschleunigung auf den ersten fünf Metern als sehr verhalten beschreiben. Doch dann schnellt die Dorade für fast alle Bürgerkäfige uneinholbar vorwärts.
Dieser gierige Vorwärtsdrang endet auf der Autobahn erst bei echten 175 km/h, barsch vom Drehzahlbegrenzer eingebremst. Und das bei einem Roller. Mit hoch aufgestelltem Windschild. Und der gefühlten Aerodynamik einer Garage. Das Schöne dabei: Man hockt bei diesem Tempo urgemütlich auf dem C 650 GT, lässiger, entspannter und geschützter als bei den meisten Motorrädern, und denkt sich: Och, eigentlich könnt ich ja auch gleich weiter nach Italien fahren. Selbst bei 160 km/h Dauertempo wirkt der Antrieb völlig entspannt. Und der Fahrer auch. Maßgeblichen Anteil daran hat auch das Fahrwerk des C 650 GT. Allein schon von den Daten (1591 Millimeter Radstand, 64,5 Grad Lenkkopfwinkel und 92 Millimeter Nachlauf) her lässt sich ein Bezug zu modernen Motorradfahrwerken herstellen. Zudem besteht der Hauptrahmen aus einer torsionssteifen Brückenrohr-Konstruktion, wie sie normalerweise nur bei Motorrädern verwendet wird. Der Antrieb ist als tragendes Element im Rahmen integriert, und im Bereich der Schwingenlagerung wird die Stahlrohr-Konstruktion mit einer Aluminium-Druckgusseinheit verbunden. Um es auf den Punkt zu bringen: Der 650er läuft in allen Lebenslagen stabil. Er schaukelt und pendelt nicht, wenn man mit hohem Speed über fiese Betonplatten prescht. Längsrillen nimmt er gelassen, und selbst wenn man Bodenwellen in Schräglage überfährt, kommt nie richtige Panik auf.
Wobei wir beim Stichwort wären. Nein, nicht Panik. Sondern Schräglage. Denn der C 650 GT kann nicht nur Tour. Er kann auch Sport. Die sogenannten Schräglagen-Taster, im Motorrad-Jargon auch Angstnippel genannt, sind am Hauptständer montiert. Falls diese ihre Jungfräulichkeit tatsächlich mal verlieren, ist man schon verdammt schräg. Vor allem für einen Roller. Das Famose dabei: Der 650er vermittelt ein hervorragen-des Feedback. Sein straff abgestimmtes Fahrwerk ist alles andere als wabbelig und bietet dabei auch noch Komfort. Auf den 15-Zoll-Rädern rollen Metzeler-Reifen mit gutem Grip und der Bezeichnung „FeelFree“. Selten hat sie besser gepasst. Einmal in Fahrt, lenkt sich der Roller trotz seines hohen Gewichts spielerisch. Aber auch die Entschleunigung funktioniert tadellos: Drei Zweikolben-Schwimmsättel nehmen, ABS-unterstützt, jeweils eine 270-Millimeter-Scheibe in die Zange. Das Ergebnis ist super und auf Motorrad-Niveau. Der Druckpunkt ist bei beiden Hebeln klasse und die Wirkung tadellos
Tadellos. Ein starker Ausdruck, der ohne Einschränkungen jedoch nicht passt. Denn es gibt was zu tadeln: Beispielsweise lässt sich der C 650 GT schwer auf den Mittelständer bocken, es fehlen Griffe. Der Testverbrauch ist mit 4,7 Litern/100 km auf der Landstraße und 5,8 Litern auf zügigen -Autobahnetappen recht hoch. Eine BMW F 800 R braucht rund einen Liter weniger. Auch wabbeln die Spiegel bei Tempi oberhalb von 140 km/h so hin und her, dass man kaum was darin sieht. Über die Stauraumverkleidung mit dem Charme eines Filzpantoffels kann man noch geteilter Meinung sein. Über die wabbelige Tankklappe jedoch nicht: Zierliche Nippel sollen sie -arretieren. Beim Testexemplar waren diese schnell abgebrochen…
Aber hauen wir den Fisch an dieser -Stelle nicht in die Pfanne. Kleinigkeiten wie Plastiknippel oder Spiegelbefestigungen kann man nachbessern. Und vielleicht ist der GT fürs Durchmogeln im Stau ein bisschen zu fett. Dafür macht er auf der Landstraße höllisch Spaß und bietet sehr viel Komfort. Mit dem C 650 GT ist es wie mit der Dorade: Die fühlt sich im offenen Meer auch wohler als auf dem Teller.
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei Ausgleichswellen, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 38 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 588 W, Batterie 12 V/12 Ah, Stufenloses CVT-Getriebe, Fliehkraftkupplung, Kette im Ölbad.
Bohrung x Hub 79,0 x 66,0 mm
Hubraum 647 cm³
Verdichtungsverhältnis 11,6:1
Nennleistung 44,0 kW (60 PS) bei 7500/min
Max. Drehmoment 66 Nm bei 6000/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, mit verschraubten Alu-Gussteilen, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 40 mm, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, liegend, mit Hebelsystem, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 270 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 270 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 15; 4.50 x 15
Reifen 120/70 R 15; 160/60 R 15
Bereifung im Test: Metzeler FeelFree
Maße+Gewichte
Radstand 1591 mm, Lenkkopfwinkel 64,6 Grad, Nachlauf 92 mm, Federweg v/h 115/115 mm, Sitzhöhe* 815 mm, Gewicht vollgetankt* 268 kg, Zuladung* 177 kg, Tankinhalt/Reserve 16,0/3,0 Liter.
Gewährleistung zwei Jahre
Serviceintervalle alle 10000 km
Farben Schwarz-, Bronze-, Rotmetallic
Preis 11450 Euro
Preis Testmotorrad** 12240 Euro
Nebenkosten zirka 260 Euro
Messwerte*
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit
175 km/h
Beschleunigung
0-100 km/h 6,4 sek
0-140 km/h 12,9 sek
Durchzug
60-100 km/h 3,4 sek
100-140 km/h 6,2 sek
Tachometerabweichung effektiv (Anzeige 50/100) 49/98 km/h
Verbrauch
Landstraße/Stadt 4,7 l/100 km
theor. Reichweite Landstraße 340 km
Kraftstoffart Super