Kompressor-Vespa GTS 300 im Einzeltest
Die Power-Vespa

Normalerweise gelten Vespas ja als schick und niedlich. Das sollte man bei diesem starken und exklusiven Power-Scooter gleich mal vergessen. Wer Wind sät, wird Sturm ernten! Die Kompressor-Vespa GTS 300 im Einzeltest.

Die Power-Vespa
Foto: jkuenstle.de

Schwarz-rote Warnfarbe steht hier klar für Porco Nero-Tuning („Schwarzes Schwein“) der Roller & MotorradBox in Stuttgart. Die machte vor zwei Jahren der Vespa GTS 300 mit klassischem Motor-­Tuning Beine. Noch viel heftiger sticht die neueste Wespe zu, geht dank eines eingebauten Kompressors wirklich ab wie die wilde Sau. Autofahrer an der Ampel sind keine Gegner. Sondern einfach nur lästig mit ihrem Rumgezuckel. Unspektakulär schnell beschleunigt der High-Tech-Scooter, macht lange Arme. Fahren die Autos rückwärts? Seine Leistung ist stumpf verdoppelt, von einst 17 auf nun rund 34 PS am Hinterrad. In sechs Sekunden von null auf 100, hängt er gar BMW C 650 und Yamaha TMax 530 ab.

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Ortsschild, Brause auf, der eben noch drängelnde Audifahrer bleibt gekränkt zurück: In 3,3 Sekunden hechtet der Wunder-Roller im Zwischenspurt von Tempo 60 auf 100. Das ist das Niveau von (gleich teuren) 1000er-Supersportlern. Eine Serien-300er braucht dafür geschlagene 7,8 Sekunden, eine andere Welt. Bei dieser verrückt gewordenen Kompressor-Vespa GTS 300 dreht gern mal das Hinterrad durch – ABS und Traktionskontrolle ASR sind wegen eines anderen Steuergerätes nun deaktiviert.

Variomatik darf niemals durchrutschen

Ein halbes Jahr lang leisteten die Techniker und Tüftler Enzo, Malte und Pavel viel Pionierarbeit bei der Adaption des links am Motor sitzenden Kompressors. Er hat einen separaten Ölkühler unter der Bodenwanne, sein Ladeluftkühler mit Druck-Kompensator versteckt sich im einstigen Helmfach. Aus Boost wird Bums. Frech und verwegen fährt das schwarze Geschöpf, viel besser und flotter als die Serie. Selbst bergauf, die steilen Hänge der Schwäbischen Alb rauf, schwingt sich die Kompressor-Vespa GTS 300 souverän empor. Sie taugt absolut als Überlandgefährt. Und als echter Gefährte, mit tief verborgenem Geheimnis. Das ist witziges Understatement.

Doch früh, bei echten 128 km/h ist Schluss, greift ruckelnd der Begrenzer ein: Der nur noch 9,5 zu eins verdichtende Motor dreht dann „bloß“ 9.400/min, der Kompressor bereits 240.000 mal pro Minute – das absolute Limit für das kleine Bauteil. Und die Variomatik darf niemals durchrutschen, dann wäre überdrehen vorprogrammiert. Ohne Kompressor tunt die Roller & MotorradBox 300er bis 10.800 Umdrehungen, arbeitet gerade an Drehzahlmessern und Hubraum-Kits für den 278-Kubik-Zylinder.

Alles verbaut, was fein und teuer ist

Du hörst den Kompressor surren, beim spaßigen Spiel mit der Beschleunigung. An die Zwangsbeatmung zeigt sich die größere Drosselklappe angepasst, mit 38 statt 32 Millimeter Durchmesser. Der Single hat durchaus Durst. Handlich und wuselig im Großstadt-Gefühl ist jede Vespa easy zu fahren. Auch diese wendet auf dem Handteller (Wendekreis unter vier Meter) und bockt sich quasi von allein auf den Hauptständer auf. Vor allem aber fährt sie spürbar stabiler, dank vorderen Federbeins von HH-Racetech mit Ausgleichsbehälter. Es bietet viel Reserven, arbeitet Asphaltverwerfungen tapfer ab. Michelin 2CT Power Pure SC haften vertrauenerweckend. Ein gefräster Brembo-Vierkolben-Bremssattel vorn fängt den Schwarzkittel jederzeit sicher wieder ein. Der ist zwar einerseits erleichtert (Auspuff, Lithium-Ionen-Akku), andererseits durch seine Spezialteile insgesamt drei Kilogramm schwerer als zuvor, moderate 161 Kilo. Bei der Kompressor-Vespa GTS 300 ist alles verbaut, was fein und teuer ist. Ergibt das alles Sinn? Keine Ahnung. Aber es macht mächtig Laune. Eben einfach bestechend.

Umbau-Infos: Kompressor-Vespa GTS 300

Basis: Vespa GTS 300 ABS/ASR

Tuning-Maßnahmen:

  • Rotrex-Kompressor mit separater Ölversorgung eingebaut
  • handgefertigte Riemenscheibe
  • handgefertigte Halteplatte
  • geänderte Ölversorgung
  • Federbein vorn von HH Race-Tech
  • CNC-gefräster Brembo-Vierkolben-Bremssattel
  • gefräste Remus-Bremshebel
  • Felgen von der Vespa 946 verbaut
  • Einzelsitz
  • Akrapovic-Auspuff
  • LSL-Lenkergewichte
  • Lithium-Ionen-Batterie
  • und vieles mehr.

Preis: Komplettfahrzeug: 18.666 Euro; alle Tuningteile auch einzeln erhältlich, Preise dafür gibt es auf Anfrage

Kontakt und Infos: Roller & MotorradBox Stuttgart, Oliver Heda, Sankt-Pöltener-Straße 74, 70469 Stuttgart-Feuerbach, Telefon 0711/27317022, www.roller-motorradbox.de

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Erscheinungsdatum 26.05.2023