Frei von Sachkenntnis gedeihen Vorurteile bekanntlich besonders gut. So teilen viele Motorradfahrer, besonders jene, die sich „nie auf so einen Schaukelstuhl setzen würden“, unabhängig von Hubraum und Leistung Roller in zwei Kategorien ein: Da gibt es zum einen die lifestylige Vespa-Fraktion, die überwiegend durch die City und zur Eisdiele cruist, und zum anderen den auch zahlenmäßig nicht unerheblichen Rest, der gerne als betuliche Rentnerschaukel bar jeglicher fahrdynamischen Attitüde verunglimpft wird.
Mittelklasse-Scooter frisch renoviert
Diese Ansicht ist zwar spätestens seit Erscheinen des Yamaha Tmax 500 anno 2000 widerlegt, hält sich aber hartnäckig. Auch dem taiwanesischen Hersteller Kymco ist daran gelegen, das Kraftroller-Segment (über 125 Kubik) aus besagter Ecke zu holen. So präsentierte man bereits vergangenes Jahr den AK 550 als einen ernst zu nehmenden Konkurrenten im Großroller-Segment, bei dessen Vorstellung gar einige Runden auf der Kartbahn gedreht wurden – und sich der AK tapfer schlug. Dennoch überrascht es, dass der Importeur zur Fahrzeugpräsentation des in diesem Jahr frisch renovierten Mittelklasse-Scooters Kymco Xciting S 400i an den Nürburgring einlädt. Die meinen es in Sachen Sportlichkeit wirklich ernst, was?

Ganz so ernst wird es aber offenbar nicht. Denn neben der berühmten Rennstrecke befindet sich mit dem gleichnamigen Fahrsicherheitszentrum ein perfektes Areal, um Fahrzeugen jedweder Art auf den Zahn zu fühlen. Gut so, denn schließlich behaupten die Taiwanesen, man habe im Vergleich zum Vorgänger nicht nur die Linien der Karosserie gestrafft, sondern das Fahrwerk gleich mit. Zudem werde die Telegabel des Kymco Xciting S 400i wie beim Motorrad üblich von zwei statt nur einer Gabelbrücke geführt, was die Steifigkeit und somit die Fahrstabilität deutlich erhöhe.
Gentlemen, start your engines!
Der 400-Kubik-Einzylinder mit vier Ventilen liefert mit maximal 36 PS und 38 Nm hinreichend Dampf für souveränen Vortrieb, wurde bis auf eine geänderte Variomatik-Abstimmung und breitere Motorlager unverändert vom Vorgänger übernommen. Kultiviert und mit sonorem Brummen geht er ans Werk. Auch unter den nicht unbedingt repräsentativen (Renn-)Bedingungen auf der engen Berg- und Talbahn macht er eine gute Figur. Eine ebensolche kann man der Bremsanlage konstatieren. Die Doppelscheibe vorne mit radial angeschlagenen Vierkolben-Festsätteln zeichnet sich durch konstant hohe Verzögerungen bei geringer Handkraft am einstellbaren Hebel aus. Ein aktuelles Bosch-ABS (Typ 9.1) überwacht dabei die Räder und sorgt für bestmögliche Bremsleistungen ohne Blockieren. Allerdings wird der Kymco Xciting S 400i beim harten Ankern, besonders bergab, etwas unruhig und schwänzelt mit der Hinterhand. Das ist zwar nicht gefährlich, aber gewöhnungsbedürftig.

Auch an das frappierende Handling des Kymco Xciting S 400i muss man sich gewöhnen. Er lenkt erstaunlich leicht ein, ist dafür aber recht kippelig und verlangt nach einer ruhigen Hand am Lenker, um eine saubere Linie zu fahren. Hat man das verinnerlicht, überrascht das Zweirad mit einer enormen Schräglagenfreiheit, die erst spät von zart über den Asphalt krispelnden Anbauteilen begrenzt wird. Unter trockenen Bedingungen machen auch die nicht näher bezeichneten Maxxis-Reifen die wilde Kurvenhatz anstandslos mit. Respekt!
Verarbeitung und Wertanmutung in Ordnung
Bei der darauffolgenden Fahrt durch die Eifel treten weitere Details des Kymcos zutage: Der ohne Werkzeug verstellbare Windschild lässt sich individuell anpassen, bietet guten Schutz. Langbeiner wünschen sich auf Dauer aber etwas mehr Platz für ihre Gräten. Ein möglicher Sozius freut sich hingegen, dank hoher Stufe in der zweigeteilten Bank über den Fahrer hinwegschauen zu können. Die Zweiteilung hat außerdem den Vorteil, dass eventuell vorhandenes Gepäck nicht erst abgebaut werden muss, um ans Helmfach zu gelangen. Verarbeitung und Wertanmutung gehen ebenfalls in Ordnung, sodass der Kymco Xciting S 400i in Summe künftig so manches Weltbild ins Wanken bringen dürfte.