Mit der kleinen Vespa S 50/125 haben sie es 2006 vorgemacht. Die brave LX wurde ein wenig gestrafft, bekam einen nostalgischen Rechteckscheinwerfer, eine Sitzbank mit hellgrauem Keder, eine rot lackierte Schraubenfeder an der vorderen Einarmschwinge und das Publikum war hin und weg.
Die Sitzbank und die Schraubenfeder finden sich auch an der neuen GTS 300 Super. Dazu schwarz lackierte Felgen und Lüftungsschlitze in der rechten Seitenverkleidung, die allerdings nur dem Benzintank Frischluft zufächeln. Ihre Hauptaufgabe, an die Vespa 150 GS von 1955 zu erinnern, erfüllen sie dennoch.
Anders als die kleine Vespa S hat sich die GTS 300 auch antriebstechnisch verändert. Mehr Bohrung und Hub ergeben 34 Kubikzentimeter mehr Hubraum als bei der GTS 250, auf deren Motor der 300er aufbaut und, als Zweck der Operation, zehn Prozent mehr Drehmoment bei weniger Umdrehungen. In Zahlen: 278 statt 244 Kubikzentimeter, 22,3 statt 20,1 Newtonmeter bei nur 5000 statt bei 6500/min. Viel Arbeit, so Piaggio, habe man investiert, um diese bullige Leistungscharakteristik zu erreichen.
Frappierender Effekt: Dieser Antrieb begeistert vom ersten Meter an durch seine fulminante Kraftentfaltung. Die 300er-Vespa reißt an der Ampel an wie noch keine vor ihr, lässt die Automeute binnen Sekunden im Rückspiegel verschwinden. Allerdings hat man so auch mir nichts, dir nichts 70 oder 80 km/h drauf. Und bei langsamer Fahrt will das Gas mit gefühlvoller Hand dosiert werden, so kraftvoll packt der Motor zu. 118 km/h nennt Piaggio als Höchstgeschwindigkeit, 121 km/h rannte unser Testroller allemal genug für Vespagemäße Fortbewegung.
Die vollzieht sich mit der 300er ansonsten nicht anders als mit der GTS 250. Erfreulichkeiten wie gutes Platzangebot, entspannte Sitzposition und leichtes Handling paaren sich mit akzeptabler Fahrstabilität, die sich allerdings nicht mit der eines Honda SH 300i messen kann. Die Bremsen ankern wirksam, verlangen allerdings einen kräftigen Zug am Hebel und liefern wenig Rückmeldung. Was daran erinnert, dass auch die GTS 300 Super unbeschadet ihrer überraschenden Sprintqualitäten eher zum Flanieren als zum sportlichen Kurvenwetzen gemacht ist.
Daten Vespa GTS 300 Super

Motor
Wassergekühlter Einzylinder-Viertakt-Motor, eine oben liegende Nockenwelle, vier Ventile, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, G-Kat, E-Starter, Fliehkraftkupplung und Variomatik.
Bohrung x Hub 75 x 63 mm
Hubraum 278 cm³
Verdichtungsverhältnis 11:1
Nennleistung 15,8 kW (22 PS) bei 7500/min
Max. Drehmoment 22,3 Nm bei 5000/min
Fahrwerk
Selbsttragende Karosserie aus Stahlblech, gezogene Einarmschwinge vorn, Triebsatzschwinge mit zwei Federbeinen mit einstellbarer Federbasis hinten, Scheibenbremse vorn, Ø 220 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm.
Alu-Räder 120/70-12 51P; 130/70-12 62P
Reifen 120/70-12 51P; 130/70-12 62P
Bereifung im Test Pirelli GTS 23/GTS 24
Maße + Gewichte
Radstand 1370 mm, Sitzhöhe 790 mm, Gewicht* 160 kg, Zuladung* 180 kg, Länge/Breite 1930/755 mm, Tankinhalt 9,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Weiß, Schwarz
Preis 4899 Euro inkl. 180 Euro Nebenkosten
Messwerte
Höchstgeschwindigkeit 121 km/h
Beschleunigung
050 km/h 3,4 sek
Durchzug
50100 km/h 10,5 sek
60100 km/h 9,4 sek
Tachometerabweichung
Effektiv (Anzeige 50/100) 45/92 km/h
Verbrauch
Landstraße 3,6 l/100 km/h
Theor. Reichweite 250 km
Kraftstoffart Super
Aufgefallen
Plus
+ Beschleunigung aus dem Stand begeistert
+ Ergonomie und Platzangebot sind vorbildlich
+ In Design und Stil kaum zu toppen
+ Verarbeitung wirkt ordentlich
Minus
- Helmfach ist für normale Helme zu flach
- Vorderradfederung arbeitet unsensibel
- Aufbocken geht relativ schwer
- Streuscheibe des Scheinwerfers blendet