Yamaha schickt seinen Erfolgsroller TMax in die siebte Generation. Mit mehr Hubraum soll er als 560er noch sportlicher auftreten, ohne Komfort einzubüßen. Wir konnten ihn in Portugal bereits fahren.
Yamaha schickt seinen Erfolgsroller TMax in die siebte Generation. Mit mehr Hubraum soll er als 560er noch sportlicher auftreten, ohne Komfort einzubüßen. Wir konnten ihn in Portugal bereits fahren.
Als Yamaha im Sommer 2000 den TMax 500 der staunenden Presse vorstellte, war die Rollerwelt mit einem Schlag eine andere. Denn bis dahin hatten die meist kleinrädrigen Plastikbomber bestenfalls 250 cm³ und rund 20 PS. Was für flottes Vorankommen in Ballungsgebieten durchaus reicht, aber in freiem Gelände der Fahrdynamik frühe Grenzen setzt. Zudem schränkte die als Triebsatzschwinge mit entsprechend hohen ungefederten Massen geformte Antriebseinheit die Möglichkeiten der Fahrwerksabstimmung stark ein. Obendrein waren seinerzeit die meisten Roller auf Nutzwert und nicht auf Fahrspaß konzipiert.
Mit dem TMax änderte sich das radikal. Allein die Eckdaten sorgten für Raunen in den Reihen der Reporter: 40 PS. 160 km/h. Zwei Zylinder. Unter 200 Kilogramm Trockengewicht. 14-Zoll-Räder, hinten sogar als 150er. Wie soll das gehen?
Es ging, und geht bis heute, weil Yamaha bei der Konstruktion mit einem weißen Blatt Papier begonnen hat. So wurde der schwere Twin fest mit dem Rahmen verschraubt, eine leichte Aluminiumschwinge, in deren linkem Arm sich der gekapselte Kettenantrieb verbarg, sorgte für die Radführung. Vorne übernahm diese Aufgabe eine solide Doppelbrücken-Telegabel. Dieses Konzept war der Grundpfeiler für die im Scooter-Segment überragenden Leistungen in punkto Fahrdynamik und Fahrverhalten. Auch vor Motorrädern seiner Leistungsklassen musste sich ein TMAX nie verstecken.
Das Konzept kam und kommt vor allem in Europa an, wo 84 Prozent aller 330.000 seit Markteinführung 2001 verkauften Mäxe ihren Besitzer fanden. Die sind übrigens, wie die Marktforschung herausfand fast immer männlich, zwischen Mitte 30 und Mitte 50, Vielfahrer, und gerne Wiederholungstäter beim Fahrzeugneukauf. Denn auch Gutes kann noch verbessert werden.
So revolutionär der TMax bei seiner Einführung war, so evolutionär war völlig zu Recht seine Weiterentwicklung. Yamaha spricht von insgesamt 7 Generationen, kleine Modellpflegen eingeschlossen. Der größte Sprung war 2012, der Rahmenwerkstoff wechselte von Stahl auf Alu, der Hinterradantrieb von gekapselter Kette auf Zahnriemen, der Twin legte 30 cm³ zu du das Kleid wurde etwas gestrafft. 2015 und 2017 gab es jeweils ein kleines Lifting, bzw. neue Ausstattungsvarianten und jetzt sah Yamaha die Zeit wieder einmal gekommen, Hand an den Max zu legen. Was uns in die Gegenwart und nach Portugal bringt, wo die Japaner zur Probefahrt mit dem 2020er Jahrgang eingeladen hatten.
Rein äußerlich hat sich im Vergleich zum 2019er Modell nicht viel getan. Vorne leuchten jetzt auch die Blinker mit LED-Technik, das Rücklicht wurde neu gezeichnet. Ver- und entriegelt wird ausschließlich mittels Smart-Key. Unterm Kleid wurde deutlich mehr Hand angelegt. Durch zwei Millimeter mehr Bohrung wuchs der Hubraum von 530 auf 562 cm³. Der Durchmesser der Einlassventile wuchs um einen auf 27 Millimeter. Zudem wurde der gesamte Kurbeltrieb überarbeitet, wobei die Besonderheit des TMax-Twins beibehalten wurde: Er ist ein Gleichläufer, das heißt, beide Kolben laufen parallel. Wer jemals einen alten englischen Twin oder eine Yamaha XS 650 bewegt hat, weiß, dass dieses Konzept zwar einen schönen Klang aber auch fürchterliche Vibrationen hervorbringt. Dass der Max zwar wohl tönt, aber kaum vibriert, liegt an einem ebenfalls als Kolben geformten Ausgleichsgewicht, dass sich um 180 Grad versetzt zu den beiden Antriebskolben bewegt. In gewisser Weise hat der TMAx also einen Dreizylinder-Boxermotor.
Durch den Hubraumzuwachs stiegen Leistung und Drehmoment moderat an. Die Leistung um zwei PS auf 48, allerdings bei deutlich gestiegener Nenndrehzahl, das Drehmoment wuchs um drei auf 56 Nm bei nach wie vor 5.250/min. Bei ziemlich genau dieser Drehzahl befindet sich auch der Arbeitsbereich der ebenfalls modifizierten Variomatik. Deren Übersetzung wurde insgesamt etwas kürzer, dito die Sekundärübersetzung des Zahnriemens. Dadurch soll der neue TMax noch hurtiger voran sprinten als der auch nicht eben phlegmatische Vorgänger. Dennoch gibt Yamaha den Normverbrauch mit 4,8 statt 5,3 Litern an.
Soviel zur Theorie, die sich mit Himmel und Roller die Farbe teilt: Grau. Es geht los. In der morgendlichen Rush-Hour zeigt sich, dass der Scooter top ausbalanciert ist. Beim Slalom durch die Autokolonnen lässt er sich millimetergenau dirigieren. Auch das Gas lässt sich feinfühlig dosieren. Das ist wichtig, denn zwischen den Spiegeln Scooter und Autos liegen oft nur wenige Zentimeter Platz. Der einsetzende Nieselregen macht die Sache nicht einfacher, doch die feinregelnde, nicht abschaltbare Traktionskontrolle verhindert den Verlust derselben, wenn bei einem Zwischenspurt mal wieder ein Bitumenfleck, Pflastersteine oder weiße Fahrbahnmarkierungen für stark erhöhten Schlupf sorgen.
Dass die Federraten in Upside-down-Gabel und Federbein minimal erhöht wurden, fällt bei dieser Fahrweise nicht auf. Dafür aber, dass der Lüfter trotz moderater Temperaturen und zusätzlicher Wasserzufuhr von unten sehr oft anspringt. Was die Frage aufwirft, ob mit der Reduzierung des Kühlmittels auf nur 130 cm³ nicht etwas übers Ziel hinausgeschossen wurde.
Irgendwann hat auch der längste Stau ein Ende. Auf der Brücke des 25. April, besser bekannt als Golden Gate Bridge von Lissabon verläuft die Fahrbahn rund 70 Meter über Grund, will heißen Wasser. Sowohl Regen als auch Wind haben ordentlich aufgefrischt. Die meisten der entgegenkommenden Zweiradfahrer haben ihre Füße schonmal bodennah positioniert, denn die Böen rütteln kräftig an Brückentragseilen und Fahrzeugen. Auch die Mäxe der Journalistentruppe wanken, aber sie weichen nicht, und die Füße können vor Wind und Wasser geschützt auf den Trittbrettern bleiben. Dennoch sinkt der Puls deutlich, als das Ende des knapp 2.300 Meter langen Bauwerks erreicht ist. Die Reise geht weiter in Richtung Setúbal und an der Küste weicht der Regen dem Nebel. Auch diese erzwungene Schleichfahrt meistert der Yamaha problemlos.
Irgendwann kann sich dann aber doch die Sonne durchsetzen, die Straßen trocknen ab, und der Max kann zeigen, was er noch so draufhat. In Sachen Sportlichkeit kann ihm kein anderer Scooter das Wasser reichen. Nicht superhandlich, aber dennoch agil lässt er sich in die Ecken werfen, Schräglagenfreiheit ist zumindest solo kein Thema. Im S-Modus spricht er noch etwas direkter an, als i T-Mode. Auf Bremsen in Schräglage reagiert er gelassen, will heißen neutral. Die Bremswirkung ist dem sportlichen Habitus angemessen, allein das ABS arbeitet Yamaha-typisch mit recht langen Regelintervallen. Doch das kann die Freude am Fahren nicht nachhaltig trüben. Der Rückweg führt bei mittlerweile bestem Wetter über den rund 17 Kilometer langen Ponte Vasco da Gama. Wenn man nicht aufpasst, stehen auf der Bahn ratzfatz 160 Sachen auf der Uhr. Für den TMax ist das kein Problem, die örtliche Executive könnte aber dem Fahrer eins bereiten, also lassen wir es ausrollen und genießen den Ausblick auf die Stadt ebenso wie den Windschutz hinter dem beim gefahrenen Tech Max-Modell elektrisch stufenlos um 135 Millimeter verstellbaren Windschild.
Aller Sportlichkeit zum Trotz zwickt du zwackt auch nach mehreren Stunden Fahrt nichts. Unter der Bank lassen sich entweder ein Integralhelm plus Kleinkram verstauen. Oder auch zwei Jethelme. Insgesamt ist der TMax also eine runde Sache. Doch keine Rose ohne Dornen: Der Standard-Max kostet 11.990 Euro, die bei der Präsentation gefahrene Tech Max-Variante stolze 13.699 Euro. Dafür gibt es aber neben besagtem verstellbarem Schild noch einen Tempomaten, beheizte Griffe und Sitzbank, ein in der Federvorspannung einstellbares Federbein und eine TMax Connect genannte Anbindung ans persönliche Smartphone mit der sich allerlei wichtige und weniger wichtige Informationen abrufen lassen. Zu haben sind beide ab Dezember.