begleitet von Furcht einflößenden Schlachtrufen, unter ohrenbetäubendem Kanonendonner und beißendem Pulverdampf stürzten sich Piraten einst auf ihre Opfer. Einige Jahrhunderte später ziehen zwei Supermotos ins Gefecht. Auch sie sind auf Beute aus und bekämpfen ihre Gegner. Auspuffhämmern erklingt stellvertretend für das Krachen der Geschütze, Reifenwimmern steht für wildes Kampfgeschrei, Drifts setzen geschickte Angriffs- und Verteidigungsmanöver, und verbranntes Gemisch ersetzt den Geruch von Schwarzpulver. Im Gegensatz zu Freibeutern raufen die beiden KTM 690 SMC nicht ausschließlich mit ihren Widersachern, sie konkurrieren auch untereinander: Eignet sich ein veredelter Segler besser für die Schlacht als ein Serienkahn?
Aye, die Leistungsdaten sprechen dafür. Knapp 77 PS und rund 73 Nm kitzelte der in Pulheim bei Köln ansässige Pirat Michael Bongen (pirateracing.de) aus einer 2009er SMC. Das sind über elf PS und rund sechs Nm mehr als bei der serienmäßigen Testmaschine. Für einen Einmaster überaus beeindruckende Werte. Ohne Hubraumerweiterung lässt sich diese Leistungsausbeute kaum realisieren. So vergrößerte der "Jack Sparrow des KTM-Einzylinder-Tunings" die Bohrung um zwei auf 104 Millimeter, der Hub blieb mit 80 Millimetern identisch. Daraus errechnen sich 679 Kubikzentimeter Hubraum, womit die getunte KTM dem in der Modellbezeichnung suggerierten Wert von 690 deutlich näher kommt, als es die Standardmaschine mit 654 Kubik vermag. Derartige Hubraum-Übertreibungen genießen bei österreichischen Einzylindern langjährige Tradition. Gemein - arrr!
Zurück zum Kampfgeschehen. Ab zirka 5000/min segelt die getunte "Black Pearl" um die Standardversion Kreise. Die Powerattacken gehen mit spürbaren, aber dem Punch angemessenen Vibrationen an Deck einher. Deutlich vernehmbar ist auch der Sound der Piraten-SMC. Sie grollt aus dem offenen Zubehör-Endtopf wie ein zorniges Hochseegewitter. Im unteren Drehzahlbereich fällt der Leistungsüberschuss deutlich geringer aus. Hier liegt der Vorteil des überarbeiteten Eintopfs zwischen einem und zwei PS und maximal drei Nm. Beim Beschleunigen aus Ecken unter Teillast verbucht die Serien-690er aufgrund ihres etwas satteren Antritts Vorteile und macht auf ihre Big-Bore-Schwester zwei, drei Meter gut. Bei Volllast stellt der Schnellsegler die Rangordnung wieder her. Sowohl beim Durchzug als auch bei der Beschleunigung eilt er der Standard-KTM deutlich voraus. Bei diesen Übungen helfen der Tuningvariante auch ihre etwas kürzere Übersetzung und das geringere Gewicht.
jkuenstle.de
Pirate Racing presst grandiosen Punch aus dem KTM-Einzylinder.
Die erwähnte Hubraumerweiterung und der Auspuffendtopf sind freilich nicht die einzigen Tuning-Maßnahmen an der schwarzen Perle. Da sich ihre gesamten Modifikationen fast ausschließlich auf den Motor beziehen, gibt PS einen kleinen, interessanten Einblick in die Verfahrensweise der Tuning-Werft Pirate Racing: Die größere Bohrung verlangt naturgemäß einen anderen Kolben. Hier setzt der Techniker auf die amerikanische Firma CP-Piston, die hochfeste Ware mit gefrästen Ventiltaschen liefert. Extrem belastbar sind auch die tiefengehärteten Pleuelbolzen, deren Nadellagerkäfig reibungsoptimiert versilbert wurde. Als Kurbelwellenlagerung dienen statt der zylindrischen Rollen- stabile Kugellager. Auch sie erzeugen weniger Reibung. Sollte ein solches Lager doch einmal kollabieren, kündigt sich das laut Pirate Racing mit typischen Geräuschen rechtzeitig an. Bongen: "Wenn das Klackern bei einer serienmäßig gelagerten Kurbelwelle auftritt, hat sich das Material schon stark aufgelöst und verursacht meist hohe Folgeschäden. Unsere Lager verhindern im Fall der Fälle Schlimmeres."
Am Zylinderfuß trug der Tuner vier Zehntel Material ab, was die Verdichtung auf 13,25:1 erhöht. Im Zylinderkopf rotieren spezielle Nockenwellen (Rallyeversion), die KTM als Zubehör anbietet. Sie liefern die Erklärung, warum die Big-Bore-Sumo bis zu mittleren Drehzahlen vergleichsweise verhalten zu Werke geht: Die Steuerzeiten verhelfen dem Antrieb zu hoher Spitzenleistung, was untertourig Power kostet. Strömungsoptimierte Ventilsitze schließen die Modifikationen am Zylinderkopf ab. An der Motoren-Peripherie steckt ein durchlassfreudiger Krümmer, ein Racing-Luftfilter sowie ein selbst angefertigtes Ansaugrohr mit konifiziertem Durchmesser.
jkuenstle.de
Die Pirate Racing KTM 690 SMC.
Als Herzstück des Tunings gilt die Motorsteuerung. Die frei programmierbare CPU gestattet es, Einspritzmengen und Zündzeitpunkte bei jeder Drehzahl und bei jedem Lastzustand beliebig zu variieren. Eine wahre Schatztruhe für Elektronik-Spezialisten. Das System steuert auch den Stellmotor für die Drosselklappen, was weitere Abstimmarbeiten wie beispielsweise bei der Gasannahme erlaubt. Dass der Teufel manchmal im Detail steckt, zeigt das Leerlaufverhalten: Bisweilen stirbt die Tuning-Sumo unvermittelt ab. Bei beiden KTMs setzt der Begrenzer dem Treiben bei 8600/min ein Ende. Der Käpt'n ist von der Standfestigkeit seiner Arbeit derart überzeugt, dass er selbst für Racingeinsätze ein halbes Jahr Garantie auf den Umbau gibt. Die Kosten? 5000 pieces of eight. Falls keine Piratenwährung zur Verfügung steht, tun es auch Euro in gleicher Anzahl. Im Preis enthalten sind auch die einzigen Modifikationen, die nicht den Antrieb betreffen: die mattschwarz beschichtete Schwinge sowie die eloxierten Fußrasten.
Für 2010 spendierten die Österreicher der SMC Schlauchlosfelgen, ein neues Cockpit sowie ein anderes Dekor. Sehr schön. Weniger überzeugen dagegen nach wie vor die Federelemente. Auf den ersten Zentimetern ihrer Federwege benötigen beide Gabeln hohe Losbrechkräfte. Auch im weiteren Verlauf sprechen sie nur mittelprächtig an und rattern unsensibel über Bodenwellen hinweg. Und die Federbeine wirken unter Gefechtsbedingungen etwas unterdämpft. Seelenverkäufer also? Nein. Doch bei einem Grundpreis von knapp 9000 Euro dürfen Freibeuter noch etwas besser abgestimmte Federelemente erwarten. Savvy - alles klar?
Fazit: Pirate Racing presst grandiosen Punch aus dem Einzylinder. Auf dem Testgelände, einer verwinkelten Kartbahn, spielt die Tuning-KTM aufgrund ihrer Leistungsentfaltung diese Power aber nur bedingt aus. Um sich standesgemäß zu entfalten, braucht sie ein offeneres Feld wie die Landstraße. Doch dafür fehlt ihr im Gegensatz zur Serie eine ABE.
Technische Daten
Zeichnung: Archiv
Leistungsdiagramm der Serien- und Tuning-KTM.
Ab zirka 5000/min setzt sich die Pirat Racing-KTM deutlich vom Serienbike ab. In der Spitze überragt sie dieses um über elf PS und sechs Nm. Für einen Einzylinder sind das Topwerte. Unterhalb dieser Marke ist der Powerüberschuss der getunten SMC allerdings marginal. Im Teillastbereich bei niedrigen Drehzahlen genießt die Serien-690er gar Vorteile. Das macht sich insbesondere beim gefühlvollen Beschleunigen aus engen Ecken bemerkbar. Kürzer übersetzt und um etliche Pfunde abgespeckt, schlägt die starke Piratenbraut bei weit geöffneter Brause zurück.
KTM 690 SMC
jkuenstle.de
Die Serien-KTM 690 SMC.
Antrieb:
Einzylinder-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 46,3 kW (63 PS) bei 7500/min, 64 Nm bei 6000/min, 654 cm3, Bohrung/Hub 102,0/80,0 mm, Verdichtungsverhältnis 11,8:1, Zünd-/Einspritzanlage, 46-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat
Fahrwerk:
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 63 Grad, Nachlauf: 112 mm, Radstand: 1480 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 48 mm, einstellbar in Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe (High-/Lowspeed). Federweg vorn/hinten: 275/265 mm
Räder und Bremsen:
Schlauchlose Drahtspeichenräder, 3.50 x 17"/5.00 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 160/60 ZR 17. Erstbereifung: Pirelli Dragon Supercorsa Pro. 320-mm-Einscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln und radialer Bremspumpe vorn, 240-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht:
Länge/Breite/Höhe 2195/925/ 1405 mm, Sitz/Lenkerhöhe 910/1185 mm, Lenkerbreite 805 mm, 154 kg vollgetankt, v/h 45,5%/54,5%
Hinterradleistung im letzten Gang:
43,4 kW (59 PS) bei 164 km/h
Fahrleistungen:
Beschleunigung 0-100/150/200 km/h 4,4 s/9,1 s/-
Durchzug 50-100/100-150 km/h 7,1 s/7,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 186 km/h*
Verbrauch:
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: k. A. Liter/100 km, Tankinhalt/davon Reserve: 12/2,5 Liter, Reichweite: k. A.
Grundpreis: 8895 Euro (zzgl. Nebenkosten)
Pirate Racing KTM 690 SMC
jkuenstle.de
Die getunte KTM 690 SMC.
Antrieb:
Einzylinder-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 59 kW (80 PS) bei 8000/min, 74 Nm bei 6800/min, 679 cm3, Bohrung/Hub 104,0/80,0 mm, Verdichtungsverhältnis 13,25:1, Zünd-/Einspritzanlage, 46-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe
Fahrwerk:
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 63 Grad, Nachlauf: 112 mm, Radstand: 1480 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 48 mm, einstellbar in Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe (High-/Lowspeed). Federweg vorn/hinten: 275/265 mm
Räder und Bremsen:
Drahtspeichenräder, 3.50 x 17"/5.00 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 160/60 ZR 17. Erstbereifung: Pirelli Dragon Supercorsa Pro. 320-mm-Einscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln und radialer Bremspumpe vorn, 240-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht:
Länge/Breite/Höhe 2195/925/ 1405 mm, Sitz/Lenkerhöhe 910/1185 mm, Lenkerbreite 805 mm, 140,5 kg* vollgetankt, v/h 51,6%/48,4%
Hinterradleistung im letzten Gang:
51,5 kW (70 PS) bei 179 km/h
Fahrleistungen:
Beschleunigung 0-100/150/200 km/h 4,0 s/7,9 s/-
Durchzug 50-100/100-150 km/h 6,1 s/4,7 s
Höchstgeschwindigkeit: k. A.
Verbrauch:
Kraftstoffart: Super plus. Durchschnittstestverbrauch: k. A. Liter/100 km, Tankinhalt/davon Reserve: 12/2,5 Liter, Reichweite: k. A.
Grundpreis: 13 895 Euro (inkl. Nebenkosten)
Preisvergleich von Supermotos in Deutschland
1000PS Marktplatz App
Sumos im Preisvergleich
"Echte", raue Supermotos werden heutzutage nicht mehr hergestellt. Auch am Gebrauchtmarkt sind sie schwierig zu bekommen. Droht das Supermoto-Segment auszusterben? NEIN - Es gibt sie nach wie vor: Stampfende Einzylinder-Wheeliemaschinen die im engen Winkelwerk und auf der Hausstrecke schwerfälligen PS-Monstern das Fürchten lehren. Hier findet ihr echte Single-Dampfhämmer, sowie deren große Geschwister, die mit mehr Leistung bei weniger Vibration insgesamt ein breiteres Einsatzspektrum ermöglichen wollen: Supermotos in Deutschland