Nicht immer ist es des Tuners Ziel, die perfekte Renn-Granate zu bauen. Manchmal steht auch der eigenständige Charakter im Vordergrund eines aufwändigen Umbaus. Bei der Witec-BMW Monstarmoto ist es von beidem eine ganze Menge.
Nicht immer ist es des Tuners Ziel, die perfekte Renn-Granate zu bauen. Manchmal steht auch der eigenständige Charakter im Vordergrund eines aufwändigen Umbaus. Bei der Witec-BMW Monstarmoto ist es von beidem eine ganze Menge.
Die Organspender waren eine BMW HP2 Megamoto und eine BMW HP2 Sport. Daraus hat Thomas Eckhardt, der Witec Motorsport-Inhaber, in Kooperation mit hochkarätigen Fachbetrieben ein Naked Bike zusammen gefügt, das wie das grünstichige Monster mit der Schraube am Kopf in ruhigen Momenten recht gutmütig erscheint.
Den Motor brachte Eckhardt technisch auf den Stand jener HP2 Sport, die BMW 2008 in den Endurance-Rennen eingesetzt hat. Dazu hat Boxer-Guru Helmut Mader die Ausgleichswelle entfernt und die Schwungmasse reduziert sowie die Kurbelwelle feingewuchtet. Leichte Titanpleuel und bearbeitete Schmiedekolben kamen zum Einsatz. Die Kanäle sind natürlich bearbeitet, der Brennraum geändert und die Verdichtung erhöht. Einige entscheidende Stellen im Motor bekamen eine Gleitbeschichtung. Der Antrieb der Lichtmaschine wurde geändert und erleichtert. Die Drosselklappenstutzen sind ebenfalls optimiert und das Mapping entsprechend angepasst.
Das Resultat sind sechs PS mehr Leistung gegenüber der HP2 Sport, die wir vor einem Jahr auf dem PS-Prüfstand hatten. Das mag etwas enttäuschend wirken, aber zum einen sind die BMW im Münchner Fuhrpark immer von der Sorte "Löwenstark", und zum anderen kann die Witec-Monstarmoto genau das besser, was uns an der Serien-HP2 im Test auffiel: Die feuerte so richtig effektiv zwischen 6000 und 8000/min, bevor sie bei 8700/min in den Begrenzer lief. Genau über dieser Marke legt die Witec-BMW aber nochmal deutlich spürbar drauf. Das nutzbare Leistungsband ist damit besonders auf der Rennstrecke breiter. Ziemlich rau läuft der Motor über das gesamte Drehzahlband. Kein Wunder bei der fehlenden Ausgleichswelle. Und die straffe, mit Leder bezogene Sitzbank fördert diesen Eindruck noch.
Dem Getriebe rückte der Tuner ebenfalls zu Leibe und verbaute eine Nebenwelle mit hinterschliffenen Klauen für den vierten und fünften Gang. Außerdem sorgt eine geänderte Titanschaltwalze für eine um einen Millimeter erhöhte Eingriffstiefe in besagten Gängen. Das führt zu einem deutlich widerspenstigeren Schaltverhalten. Dadurch sollen aber die Gänge im harten Renneinsatz besonders unter Maximaldrehzahl bei Race-Schaltschema wesentlich zuverlässiger einrasten. Im PS-Test funktionierte das mit einem Schaltautomat versehene Getriebe jedenfalls problemlos, wenn auch die benötigte Fußkraft deutlich höher lag als bei der Serien-Box der HP2 Sport.
Der Schaltvorgang entlarvt dieses Motorrad jedenfalls eindeutig als Boxer. Die Monstarmoto quittiert Gangwechsel unter Vollast mit einem Schüttler, auch wenn sich dieser erheblich milder präsentierte als auf dem mitgebrachten Referenzmotorrad, einer Serien-HP2 Megamoto.
Fahrverhalten auf dem Hockenheimring
Und damit sind wir schon beim zweiten Organspender. Das aufgemotzte Boxer-Triebwerk steckt nämlich im Rahmen einer Megamoto. Allerdings wurde dieser stark geändert. Der Winkel der verbauten Megamoto-Gabel ist am Lenkkopf um vier Grad einstellbar. Im Test stand sie in der steilsten Ausrichtung und verhalf der Witec-BMW zu einem für BMW-Verhältnisse und bei der Ausrichtung als aufrechter Nacktkämpfer geradezu blitzschnellen Abklappverhalten. Gepaart mit der großen Schräglagenfreiheit war das Motodrom von Hockenheim damit ein gefundenes Fressen für den bayerischen Mutanten. Auf Unebenheiten reagierte die Forke sauber, das Federbein ebenso. Über das Ansprechverhalten gibt es nichts zu lästern, und auch die Metzeler Racetec K3 zeigten nach etlichen Testrunden ein sauberes Abriebbild.
Zukünftig soll allerdings eine Sachs-Gabel zum Einsatz kommen, die sich dann deutlich knackiger abstimmen ließe, als die Serien-Leihgabe. Keine schlechte Idee, denn bei harten Bremsattacken wie etwa vor der Spitzkehre nach der langen Parabolika wirkt die vorhandene Gabel doch etwas zu komfortabel. Und wo wir beim Thema Austauschmaßnahmen sind: Eckhardt möchte der neuen Gabel dann auch die original HP2-Sport-Bremsen gönnen. Wieder eine gute Idee, denn die sind nun wirklich als Hammerbremsen bekannt. Die am Test-Bike verbauten Vierkolben-Festsättel der Megamoto zeigten nach einigen Runden leichte Steherschwächen. ABS ist beim Witec-Bike natürlich kein Thema. Ein weiteres sinnvolles Teil, zumindest im jetzigen Zustand, wäre ein Lenkungsdämpfer, denn beim Durchladen aus niedrigen Gängen reagierte die Front doch das eine oder andere Mal nervös. Gerade ein breiter Lenker verführt bei solchen Aktionen zu zusätzlicher Unruhe.
Bleiben wir aber bei der Szene "Vollgas auf die Spitzkehre zu, Bremse rein, runterschalten": Sahne, wie vor allem letzeres geht. Wo Boxer sonst durch den Kardan wie wild daherstempeln und nicht selten an Rodeos erinnern, lässt sich Eckhardts Monster willig die Gänge abwärts reinsteppen und den Kupplungshebel rausschnalzen. Die Anti-Hopping-Kupplung von Fat Cat sorgt für ein stur stabiles Heck und gekühlte Emotionen.
In jedem Fall ist diese Monster-Kuh ein höchst individuelles Motorrad, was natürlich nicht nur am Boxer liegt. Auf der Rennstrecke gibt es bestimmt effektiveres Gerät, aber herausstechen wird so ein Motorrad immer - und zwar sehr weit. Diese Eigenschaft machte es Frankensteins Monster unmöglich zu überleben. Für die Monstarmoto ist aber genau diese Individualität die Daseinsberechtigung.
WITEC-BMW MonstarMoto
Antrieb: Zweizylinder-Boxermotor, 4 Ventile/Zylinder, 102,6 kW (140 PS) bei 8750/min, 119 Nm bei 6000/min, 1170 cm³, Bohrung/Hub 101,0/73,0 mm, Verdichtungsverhältnis k.A., Zünd-/Einspritzanlage, 52-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Einscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe
Fahrwerk: Tragender Motor-Getriebeverbund mit Stahl-Gitterohr-Hilfsrahmen, Lenkkopfwinkel: 64,5-60,5, Nachlauf: 84-98 mm, Radstand: 1530-1550 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 45 mm, Federweg v./h.: 160 mm/120 mm
Räder und Bremsen: Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17"/6.00 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17. 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsättel vorn, 265-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe 2180-2200/830/1340 mm, Sitzhöhe 850/870 mm, 197 kg vollgetankt, v/h 51,5%/48,5%
Fahrleistungen: Beschleunigung 0-100/150/200 km/h 3,5 s/5,7 s/9,6 s, Durchzug 50-100/100-150 km/h 4,2 s/4,9 s
Grundpreis: 22350 Euro bei Anlieferung einer HP2
Witec Motorsport, Kampfrain 2, 84166 Adlkofen
Website: www.witec-motorsport.de
Der Witec-Boxer brät der HP2 Sport keinen über, jedenfalls nicht der von uns gemessenen Serien-BMW. Allerdings geht beim Tuning-Bike oben herum doch der entscheidende Tick mehr - und darum geht es auf der Rennstrecke. Dass die Beschleunigungswerte der Serien-HP um Zehntel besser sind, liegt wohl an der Aerodynamik. Im alltagstauglichen Bereich liegen die beiden, wie die Kurven deutlich machen, nahezu auf gleichem Niveau.
Fazit: Mit unglaublichem Aufwand entstand unter der Leitung von Witec Motorsport eine absolut faszinierende BMW - was selbst BMW-Verächter zugeben müssen. Abgestimmt von Peter Öttl funktioniert die Monstarmoto nahezu tadellos und verspricht durch weitere anstehende Modi-fikationen, noch die letzten Schwächen zu tilgen. Wo der Haken ist? Die Spender-Bikes sind schon happig im Preis. Da fordert die Monstarmoto nochmal einen ganzen Stapel Scheinchen mehr. Wieder einmal hat Individualität ihren Preis.