Diese Frästeile – immer wieder eine Augenweide. Bei der Bimota BB3, der dritten Bimota mit BMW-Motor, bestimmen sie das Gesamtbild der Maschine stärker als bei jeder anderen aus dem aktuellen Modellprogramm. Die mächtige rückwärtige Rahmenpartie und die Schwinge mit ihren kunstvoll-zart überfrästen Oberflächen fallen stark auf. Und obwohl diese Alu-Skulpturen schon längst nicht mehr wie früher im eigenen Haus entstehen, sondern von Zulieferern stammen, führt die Hochkultur der Zerspanungstechnik eine der Traditionen fort, die Bimota seit den Gründerjahren berühmt gemacht haben.
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Bimota BB3 im Fahrbericht
Extremsportler
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Weitere Traditionen wie spektakuläres Design, sorgfältig von Hand gefertigte Kunststoffteile und aufwendige Lackierungen werden von der Bimota BB3 ebenfalls würdig weitergetragen. Vor allem sichert sie sich den derzeit besten Motor als Antriebsquelle, und auch das zeichnete Bimota von Anfang an aus – siehe den 750er von Honda in der HB1, den 1000er von Kawasaki in der KB1 oder die 750er und 1000er von Suzuki in der SB2 und SB3. Heute ist es der Vierzylinder der BMW S 1000 RR und HP4. Anders als Bimotas anderer Motorenlieferant Ducati, der nur die Mechanik zur Verfügung stellen möchte, besteht BMW darauf, das rund 200 PS starke Kraftwerk komplett mit Einspritzung, Airbox und der ausgefeilten Elektronik zu liefern.
Leistung satt
Das ist gut so, denn es erspart den Bimota-Käufern die mitunter sehr einseitig auf Rennbetrieb und die speziellen klimatischen Bedingungen von Rimini ausgelegten Abstimmungen früherer Jahre. Leistung ist ohnehin kein Thema. Oder – ganz wie man es nimmt – in umgekehrter Weise als früher. Denn für die Teststrecke, den neu gebauten Circuito Tazio Nuvolari in der Nähe von Pavia, hat die Bimota BB3 eigentlich zu viel davon. Die Streckenführung ist so verschlungen, die meisten Kurven so eng gebogene Haarnadeln, dass der BMW-Motor in erster Linie durch seine saubere Gasannahme glänzen konnte und dadurch, dass der Fahrer dessen enorme Dynamik wohl dosiert einsetzen kann. Selbst die rund 800 Meter lange Gerade absolvierte die BB3 dank BMW-Power wie einen kurzen Spurt.
Auf die Gerade folgt die einzige weite Kurve des Kurses, eine relativ hochtourig im dritten Gang zu fahrende Rechts. Hier flößt die Bimota BB3 sofort Vertrauen ein; man findet nichts dabei, sie trotz des hohen Tempos zackig abzuwinkeln. Wegen der straff abgestimmten Federelemente kommen Bodenwellen deutlich spürbar zum Fahrer durch, bringen die Maschine aber nicht aus der Ruhe. Dass es einem im weiteren Verlauf der Kurve kaum gelingt, den Scheitelpunkt nahe an den inneren Curbs zu treffen, interpretierte ein Journalistenkollege als Untersteuern. Es hat aber wohl eher damit zu tun, dass die Kurve sich gegen Ende leicht zuzieht und die Bahn aus einer leichten Überhöhung ins Flache abklappt.
Kein Hauch von Untersteuern
Dann beginnen die „Handstände“. Anbremsen der ersten Kehre. Beim Einlenken und bis zum Scheitel der Kurve lastet viel Gewicht auf den Unterarmen des Fahrers. Gas anlegen und aufziehen ist eine spürbare Erleichterung. Sie währt nur kurz, denn die nächste Kehre, die erste nach links, naht rasch. Anbremsen, viel Gewicht auf den Unterarmen. Tags zuvor malträtierten Rennautos bei hoher Asphalttemperatur diesen Streckenteil derart, dass der Belag aufriss und Bitumen zu schwitzen begann. Wer Balanceakte an der Rutschgrenze mag, kann hier mit der Traktionskontrolle arbeiten, weit außen anfahren, um früher wieder Gas geben zu können. Dann sorgt die Elektronik der Bimota BB3 dafür, dass das Hinterrad beim Überfahren des kritischen Bereichs stets ein wenig weiter außen rutscht als das Vorderrad. Ein Sturz übers Vorderrad wird damit vermieden, aber jedermanns Sache ist diese Taktik nicht.
Der Autor wählte auf Dauer lieber die Angstlinie, bremste ABS-gesichert fast gerade über den rutschigen Teil hinweg bis fast zum äußeren Streckenrand, drehte langsam um und beschleunigte wiederum fast gerade auf die folgende, flüssig und schnell zu fahrende Links-rechts-Kurvenfolge zu. Hier wirkt die Bimota BB3 wie erlöst von dem vorangegangenen Gestakse, lässt sich präzise an den inneren Curbs vorbeizirkeln und wechselt rasch und zielgenau die Schräglage. Kein Hauch von Untersteuern, nur fröhliches Herausbeschleunigen. So fröhlich, dass man vor der nächsten Kehre, dem nächsten Anbrems-Handstand fast zu lange auf dem Gas bleibt. Und es sind kaum 100 Meter bis zum übernächsten, kaum 200 bis zum fünften und letzten.
Hoher Sitz, tief platzierte Lenkerhälften
Das Beschleunigen über Bitumenfelder auf die Zielgerade hinaus ist dank Traktionskontrolle die reine Erholung. Unter diesen nicht optimalen Umständen konnte die Bimota BB3 das Potenzial ihres hochwertigen, renntauglichen Fahrwerks einige Male aufblitzen lassen. Sie fordert dabei aber wegen des hohen Sitzes und der tief platzierten Lenkerhälften einen hohen körperlichen Einsatz von ihrem Fahrer. Mehr noch als andere Supersportler, zum Beispiel die zum Vergleich auf derselben Strecke gefahrene DB11. Die BB3 wirkt dadurch kürzer und steiler über dem Vorderrad stehend als die BMW S 1000 RR. Darauf angesprochen, war Andrea Acquaviva, der Konstrukteur der BB3, sehr überrascht und wies darauf hin, dass das Fahrwerk der BMW einen steileren Lenkkopf, einen kürzeren Nachlauf und kürzeren Radstand aufweise (66 statt 65 Grad, 106 statt 98,5 sowie 1417 statt 1430 Millimeter). Möglicherweise würde eine weniger vorderradlastige Sitzposition des Fahrers die Vorzüge der Bimota-Geometrie besser zur Geltung bringen. Einstellmöglichkeiten zur Anpassung sind genug vorhanden; auffallend ist die clever gemachte exzentrische obere Aufnahme des Federbeins, mit der sich die Heckhöhe rasch verändern lässt.
Am Ende der Testfahrten zeigte sich, dass nicht nur die Fahrer, sondern auch die Maschinen der Hitze und der Streckencharakteristik Tribut zollen mussten. Eine von vier Bimota BB3 blieb mit Elektronikproblemen stehen, und die Bremsen der drei übrigen verunsicherten durch rabiates Ansprechen und lautes Quietschen. Sie entwickelten in der Anbremszone am Ende der Zielgeraden auch deutliches Vorderradchattern. Das muss man nicht überbewerten, sollte man aber wissen. So auskunftsfreudig die Bimota-Chefs und -Mitarbeiter während des Testtags auch waren, einen genauen Preis für ihr Schmuckstück wollten sie nicht nennen. MOTORRAD geht deshalb weiterhin von rund 45.000 Euro aus – wie im vergangenen Herbst vom deutschen Bimota-Importeur Wilbers angekündigt.
Technische Daten Bimota BB3
Bimota
Clever gemacht: Die obere Aufnahme des straff gedämpften Öhlins-Federbeins ist zur raschen Einstellung der Heckhöhe exzentrisch gelagert.
Motor: Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 48 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/7 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, Kette, Sekundärübersetzung k. A.
Bohrung x Hub: 80,0 x 49,7 mm
Hubraum: 999 cm³
Verdichtungsverhältnis: 13,0:1
Nennleistung: 142,0 kW (193 PS) bei 13.000/min
Max. Drehmoment: 112 Nm bei 9750/min
Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl mit angeschraubten Aluminiumplatten, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS, Traktionskontrolle.
Alu-Schmiederäder: 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen: 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Maße+Gewicht: Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 65 Grad, Nachlauf 106 mm, Federweg v./h. 125/130 mm, Sitzhöhe 820 mm, Trockengewicht 179 kg, Tankinhalt 17,0 Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Rot/Weiß
Preis: k. A.