Test BMW-Racing-Bikes BMW IDM-S 1000 RR und BMW HP4 Race

BMW IDM-S 1000 RR und BMW HP4 Race im Test Racing-BMWs im Duell

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Massig Punch und geringes Gewicht formen aus diesen beiden Racing-BMW echte Geschosse. Wie nah liegen das IDM-Siegerbike von 2017 und die 80.000 Euro teure BMW HP4 Race beim Anrauchen beisammen?

Racing-BMWs im Duell BMW
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Wer wie Markus „Reiti“ Reiterberger letztes Jahr 13 von 14 Superbike-Rennen in der Internationalen Deutschen Meisterschaft gewinnt, braucht außer hammermäßigem Talent auch einen schlagkräftigen Untersatz. Das weiß natürlich auch sein Van Zon-Remeha-BMW-Team unter Chef Werner Daemen. Seit vielen Jahren eine Einheit, entwickelten sie die BMW S 1000 RR gemeinsam zur maßgeschneiderten Waffe. Drei Titel in vier Saisons sprechen eine deutliche Sprache. Auf der Piste im südspanischen Valencia treffen wir den Champ und können ihn sofort als Fotofahrer gewinnen. Außerdem drehen wir auf seinem Meister-Bike einige Runden und fühlen im direkten Vergleich der sündteuren BMW HP4 Race auf den Zahn. Spürbare Unterschiede? Oh ja! Zum Kennenlernen von Reitis Bike erst mal zaghaft in Kurve eins einbiegen. Trotz des verhaltenen Tempos folgt die Bayerin brav den Lenkbefehlen, von Zickereien oder Diva-ähnlichem Gebaren keine Spur. Einmal mehr zeigt sich: Gute Rennmaschinen können auch langsam. Doch zum Herumeiern sind wir nicht hier, Attacke!

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Wie ein guter Kumpel

Auch mit steigendem Speed brennt die BMW haargenau auf der anvisierten Linie, egal, ob beim Einlenken in die Ecken oder beim Herausballern ab dem Scheitelpunkt. Dabei bleibt die Fuhre ultrastabil, ohne steif oder gar störrisch zu wirken. Vielmehr fühlt sie sich jederzeit vertraut an, wie ein guter Kumpel, der einen durch dick und dünn begleitet. „Wir sehen beim Fahrwerk keinen Nachteil gegenüber der Konkurrenz“, antwortet Teamchef Daemen auf die Frage nach eventuellen Schwächen der BMW im Vergleich zu den starken Wettbewerbern in der IDM. Das glauben wir ihm aufs Wort. Basis hierfür bilden die konventionellen Federelemente von Öhlins, die trotz satter Dämpfung äußerst feinfühlig ansprechen. Dazu vermittelt die Bayerin ein glasklares Feedback von Front und Heck, das den Piloten eins zu eins über die Gripverhältnisse informiert – welch göttliches Gefühl! Im 2017er-Bike arbeitet beim Ausritt in Valencia vorn bereits die jüngste Öhlins-Schöpfung mit dem Namen FKR. Sie gilt als Weiterentwicklung der bekannten FGR-Gabel. Wichtigster Unterschied: Bei der Neuen sind Materialgüte und Wandstärke von Innen- und Außenrohr so abgestimmt, dass sich die beiden Rohre beim unausweichlichen Verformen beim Hardcore-Ankern so gleichmäßig verbiegen, dass sie statt zu klemmen weiterhin sauber arbeiten.

Reichlich Chassis-Flex trotz Karbonrahmen: HP4 Race

„Unglaublich, wie gut die BMW HP4 Race bereits im Auslieferungszustand funktioniert“, schwärmt Markus Reiterberger indes vom Kleinserien-Renner. Zum ersten Mal überhaupt schwingt sich der Oberbayer auf das edle Bike. „Für schnelle Rundenzeiten muss ich nur die Übersetzung anpassen und die Fahrassistenzen herunterregeln.“ Prompt brennt der Champion mit dem derart modifizierten Bike eine 1.35er-Runde in den spanischen Asphalt – ­eine Fabelzeit! Dabei bügelt die HP4 Race nur einen Hauch weniger satt um die Piste als Reitis IDM-Bike und liefert nicht ganz deren geniales Feedback. „Alles eine Frage der Fahrwerksabstimmung“, versichert ein BMW-Verantwortlicher. „Die Testmaschine kommt direkt aus der Kiste und bietet zahlreiche ­Setup-Möglichkeiten“. Tatsächlich verfügen Gabel und Federbein, die wie die Bremse ebenfalls in der Superbike-WM eingesetzt werden, einen breiten Einstellbereich. Dazu lassen sich Lenkkopf- und Schwingenwinkel variieren sowie Front und Heck in der Höhe anpassen. Wegen ihrer formidablen Performance sind an der rennfertigen HP4 Race aber allenfalls Feinabstimmungen und Anpassungen an persönliche Vorlieben nötig.

BMW
Herrlich anzuschauen: Die HP4 Race bietet bestens verarbeitetes Karbon im Überfluss und erzeugt einen wahren Kohlefaser-Flash.

Derart viele Einstellmöglichkeiten bietet der IDM-Renner wegen des sehr strikten Reglements nicht. Ein weiterer Unterschied betrifft das Handling. Zwar winkelt auch die IDM-Maschine zackig ab, doch an die phänomenale Leichtfüßigkeit der HP4 Race reicht sie nicht ganz heran. Nach einem minimalen Lenkimpuls stürmt die Race gierig in und um die Ecken. Herrlich! Das verdankt sie hauptsächlich ihren leichten Rädern mit geringen Kreiselkräften. Wie der komplette Rahmen, das Rahmenheck, die Vollverkleidung und weitere Verkleidungsteile bestehen sie aus wunderbar verarbeiteter Kohlefaser. Dabei prügelt der Renner absolut neutral um die Piste, störrisches Verhalten oder gar harte Ausschläge mangels Flex im Karbon-Chassis sind komplett Fehlanzeige. Mit 17,5 Litern Super Plus vollgetankt soll der Edelrenner außerdem nur 171 Kilo wiegen. Ergibt bei einem spezifischen Gewicht bei Benzin von 750 Gramm/Liter (Mittelwert) ein Leergewicht von rund 158 Kilo. Damit liegt die HP4 rund 13 Kilo unterhalb der IDM-Maschine, der BMW ein Leergewicht von 171 Kilo attestiert.

Fahrdynamisches Erlebnis der Extraklasse

Die Leistungsangabe des IDM-Bikes ist indes die Untertreibung des Jahres. 200 PS soll der Motor laut BMW nur generieren. Zum Vergleich: Der absolute Spitzenwert bei einer von uns gemessenen Serien-S 1000 RR liegt bei 212 PS. Kaum vorstellbar, dass ein so akkurat aufgebautes Racing-Bike weniger drückt, zumal bei ihm Eingriffe in die Motorsteuerung und eine dünnere Zylinderkopfdichtung für eine höhere Verdichtung gestattet sind. Doch Spitzenleistung zählt ohnehin nicht so sehr. Viel wichtiger ist gleichmäßiger, stetig ansteigender Punch, am besten schon bei tiefen bis mittleren Drehzahlen. Und den bietet Reitis BMW. Mit Urgewalt schiebt sie an, feuert und presst aus den Ecken, was das Zeug hält, immer präsent, immer hervorragend dosierbar: angasen leicht gemacht!

BMW
Top abgestimmtes Öhlins-Fahrwerk von Alpha Racing.

Gleiches gilt für die BMW HP4 Race. Zwar powert sie von unten gefühlt nicht ganz so brutal los wie das IDM-Bike. Das kann aber wegen der langen Serienübersetzung dieser Testmaschine täuschen. Fakt ist indes, dass der Edelrenner oben herum stärker andrückt, was dem Piloten im Verbund mit dem niedrigen Gewicht ebenfalls die Arme gehörig langzieht, gleichermaßen Erstaunen wie breitestes Grinsen auslöst und zu einem fahrdynamischen Erlebnis der Extraklasse führt. Wir sind sicher: Die versprochenen 215 Pferde sind vollzählig angetreten. Auch deshalb, aber vor allem wegen ihrer Exklusivität und dem durchdachten, ausgereiften Gesamtpaket weckt die HP4 Race das „Wollen-wir-unbedingt-haben-Gefühl“. Viel zu schnell geht daher ein spannungsgeladener Tag mit den bayerischen Raketen zu Ende. Wir sagen servus und pfiat di Gott – und alles Gute, Reiti, für die Superstock-EM!

Interview - Markus „Reiti“ Reiterberger

PS: Zunächst einmal: Du hast dich in den letzten beiden Saisons durch Stürze zweimal böse am Rücken verletzt. Wie geht es dir heute?  

Reiti: Die seitliche Bewegungsfreiheit des Oberkörpers ist deutlich eingeschränkt, was mich beim Fahren aber nicht stört. Außerdem spüre ich keine Schmerzen, weil ich da so vollgepumpt bin mit Adrenalin. Doch vorher und nachher tut‘s schon etwas weh. Die Wirbelsäule wird wohl nie mehr so, wie sie einmal war.

PS: Du startest dieses Jahr in der FIM Superstock 1000-EM mit dem Ziel, 2019 zurück in die Superbike-WM zu gelangen. Warum der Umweg?

Reiti: Mein Team und ich haben für 2018 einfach nicht das nötige Budget für die WM zusammenbekommen. Bei entsprechenden Ergebnissen in der Superstock 1000 sollte es aber nächstes Jahr funktionieren.

Felix Wießmann
Markus „Reiti“ Reiterberger (24) über den verpassten Einzug in die Superbike-WM 2018 und die anstehende Saison in der FIM Superstock 1000-Klasse.

PS: 2019 möchtest du also wieder mit BMW in der Weltmeisterschaft antreten. Doch so richtig viel hat die Marke seit ihrem Aufschlag in der WM nicht gerissen. Auch die ersten vier Saisonrennen dieses Jahr verliefen für den Hersteller trotz Ex-MotoGP-Pilot Loris Baz ernüchternd.

Reiti: Ich bin sicher, dass ich mit meinen Jungs von Van Zon- Remeha-BMW mehr erreichen kann als mit dem Althea-Team 2016 und Anfang 2017. Auch Loris Baz fährt ja dieses Jahr für Althea. Es ist kein Geheimnis, dass ich mich in diesem Team nicht sonderlich wohlgefühlt habe. Die Verantwortlichen sind nicht auf meine Setup-Wünsche und -Vorschläge eingegangen und haben immer nur aufs Data Recording geschaut. Dadurch konnte ich kein Vertrauen ins Bike aufbauen. Bei Van Zon-­Remeha läuft es ganz anders. Dort gebe ich meinen Input und wir arbeiten so lang, bis ich ein gutes Gefühl fürs Bike habe und angreifen kann. Das stimmt mich zuversichtlich.  

PS: Dieses Jahr gilt es aber erst mal, in der Superstock-EM zu überzeugen. Beim Finalrennen letztes Jahr in Jerez hast du als Gaststarter mit knapp fünf Sekunden Vorsprung gewonnen. Dadurch zählst du automatisch zu den Titelanwärtern. Spürst du besonderen Druck? 

Reiti: Nicht mehr als sonst. Wir wollten letztes Jahr einfach mal schauen, wo wir in dieser Klasse stehen und sind ohne besondere Vorstellungen in Jerez gestartet. Dass es so gut laufen würde, hat uns selber überrascht. Dieses Ergebnis macht uns für die Saison natürlich optimistisch.

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