Mit der Ducati 1199 Panigale R blasen die Italiener jetzt zum Angriff. PS fuhr die R-Version in exklusiver Umgebung - auf dem Circuit of the Americas in Texas.
Mit der Ducati 1199 Panigale R blasen die Italiener jetzt zum Angriff. PS fuhr die R-Version in exklusiver Umgebung - auf dem Circuit of the Americas in Texas.
Ducati hat es einfach drauf. Wie kein anderer Motorradhersteller verstehen es die Italiener, ihre wichtigen Modelle in absolut einzigartigem Ambiente zu präsentieren. 2007 die Vorstellung der 1098 in Kyalami (Südafrika), 2009 die 1198 S in Portimao (Portugal) und letztes Jahr die 1199 Panigale S in Abu Dhabi. Heuer setzt die frisch für die Superbike-WM homologierte 1199 R diese Serie fort. Denn Ducati überlässt die schärfste aller Panigale der Journalistenmeute auf dem brandneuen MotoGP-Kurs „Circuit of the Americas“ in Texas. Ein wahrlich würdiger Rahmen, denn diese gigantische Anlage nahe der Stadt Austin ist wie die Ducati 1199 Panigale R nicht nur herrlich anzusehen, sondern auch spannend zu fahren.
Auf den flüchtigen Blick kann man die Ducati 1199 Panigale R von der erheblich billigeren Panigale S - und wir reden hier immerhin von 7000 Euro Preisdifferenz - nur am Aluminiumtank und der höheren Spoilerscheibe unterscheiden. An beiden Modellen sind die elektronisch gesteuerten Öhlins-Federelemente, Marchesini- Alu-Schmiederäder und das Frontschutzblech aus Karbon mit an Bord. Bleibt nur der zweite, exaktere Blick. Da springt dann die GPS-Antenne für das serienmäßige DDA+ Data-Recording ins Auge. Die Fersenschoner aus Karbon an den Fußrasten sowie das Hitzeschutzblech über dem hinteren Krümmer (ab 2013 an allen Panigale serienmäßig) sind ebenfalls neu. Das um zwei Zähne größere Kettenblatt, welches die Sekundärübersetzung versteckt, kann auch entdeckt werden.
Ist das alles? Nicht ganz, denn irgendwann fällt einem der Exzenter an der Schwingenaufnahme auf. Um sechs Millimeter lässt sich hier der Anlenkpunkt der Schwinge am Fahrwerk in der Höhe verstellen. Und dadurch der Schwingenwinkel und somit das Fahrverhalten stark variieren. Okay, alle weiteren Neuerungen an der Ducati 1199 Panigale R lassen sich nur noch mit einem Blick in die Pressemappe aufspüren. Denn Titanpleuel, eine leichtere Kurbelwelle, die neuen Mappings von Einspritzung und Ride-by-Wire-Drosselklappensteuerung sowie das um 500 Umdrehungen höhere Drehzahllimit sind per Auge nicht zu erkennen. Aber doch wohl zu spüren, oder?
Die ersten Outings auf neuen Strecken haben immer eines gemeinsam: Man muss sich mehr auf die Strecke als auf den Untersatz konzentrieren. Da macht die US-amerikanische Piste keinen Unterschied, kommt einem aber, wie die Ducati 1199 Panigale R selbst, sehr weit entgegen und präsentiert sich trotz aller Komplexität als schnell erlernbar. So kann man die heiße Rote bereits im zweiten von vier Test-Turns gehörig fliegen lassen. Sofort fällt ihr spielerisches Handling auf, das sich vor allem im schnellen Geschlängel des ersten Streckendrittels als Segen erweist. Mit der Leichtigkeit eines Fahrrads und der Präzision einer lasergesteuerten Rakete brennt die Panigale R durch die zackig wechselnden Kurven und schont die Kräfte des Piloten.
Dieses hyperagile Benehmen des Superbikes wandelt sich aber bereits wenige Hundert Meter später ins Gegenteil um. Beim harten Beschleunigen aus einer engen Links auf die lange Gerade nimmt die Ducati 1199 Panigale R jede noch so kleine Anregung vom Fahrer in sich auf und verwandelt sie in pendelnde Unruhe. Diese verstärkt sich während des Sprints über die Gerade zwar nicht, doch richtig beruhigen will sich die Panigale auch nicht mehr. Lockere Hände am Lenker sind also gefragt, wenn sich diese Eigenart nicht dauerhaft einschleichen soll. Auch sonst sollte auf der Panigale R alles mit sanfter Kraft erledigt werden. Harte Hauruck-Maßnahmen sind weder nötig noch angebracht - oftmals sogar kontraproduktiv. Im Anflug auf die Bremszone darf der Hebel vorne rechts nicht ruckartig zugekniffen, sondern muss sanft angelegt werden. Nur dann hält die etwas zu weiche Gabel (selbe Grundabstimmung wie am S-Modell) dem mörderischen Biss der Brembos stand und die Fuhre bleibt stabil auf Kurs.
Verschwitzt kehren wir in die Box zurück, ziehen das erste Resümee und bilanzieren: Die 500/min Überdrehreserve des mit Titanpleueln drehfreudigeren Triebwerks fallen nicht groß ins Gewicht. Schon eher die kürzere Endübersetzung, welche die Zugkraft des Desmos an der Kette im Vergleich zum Antrieb der S-Version bei gleicher Drehzahl und Gangstufe um bis zu 18 Prozent steigert. Es steht also immer mehr Druck zur Verfügung, um die Fuhre noch vehementer nach vorne zu reißen. Unverändert hippelig ist das Fahrverhalten der Ducati 1199 Panigale R, obwohl laut Werk der Anlenkpunkt der Schwinge in der anfangs gefahrenen „0“-Lage des Exzenters einen Millimeter tiefer ist als an der S-Version. Und damit die R eigentlich etwas weniger nervös fahren sollte. Also alles nur Humbug mit dem verstellbaren Schwingendrehpunkt?
Im dritten Turn probieren wir die „flache“ Schwinge aus, stellen den Exzenter auf Position „4“. Bamm, da erkennen wir die R fast nicht wieder. Handlich, aber nicht nervös - zielgenau statt flatterhaft brennen wir um den Kurs. Der Brüller von Bologna schlägt zu, ist auf der Geraden und der Bremse deutlich spurstabiler. Das flacher gestellte Motorrad reagiert für Amateur-Racer weniger aggressiv, weniger nervös und ist damit insgesamt viel besser zu fahren. So wird der letzte Turn dann zum „Joy-Ride“ in Perfektion. Mit der DTC auf sehr spät regelnder Stufe eins, ohne EBC, aber mit dem ABS nur am Vorderrad, dafür mit deutlich gestraffter Druckstufe an der Gabel fliegen wir durch Texas und arbeiten dabei genussvoll den Hinterreifen auf. Höchst effizient und im besten Sinne unauffällig kommt uns dabei das neue Mapping des Ride-by-Wires entgegen. Die Ducati 1199 Panigale R liefert immer exakt das Feuer, das der Fahrer verlangt. Und kredenzt es ohne Verzögerung, Hänger oder Hacken, stets kontrolliert und wunschgemäß. Der Schaltautomat lässt die Gänge sanft in Position rutschen, während die Kupplung kinderleicht zu bedienen ist.
Abermals zurück in der Box, steht die Rakete vom Abkühlen tickend vor einem. Beim Anblick der bereits erwähnten Karbon-Fersenschoner stellt sich Ernüchterung ein. Bereits nach einem Tag auf der Renne sind diese ordentlich zerkratzt. Zudem haben wir innerhalb kürzester Zeit zwei Satz Hinterreifen ruiniert. Eine reifenschonende Fahrwerkseinstellung bei der Ducati 1199 Panigale R konnten wir leider in der Kürze der Zeit nicht herausfahren. Unsere Erfahrungen mit der S-Version zeigen aber, dass diese auch nicht einfach zu finden ist.
Sich bei einer Homologations-Variante eines italienischen Superbikes die berühmte „Wer-braucht-das-denn?“-Frage zu stellen, ist Ketzerei. Genauso die Frage, wie der Motor unterhalb von 7000 Touren zu Werke geht. Denn wer diese Ducati 1199 Panigale R sein Eigen nennen darf, wird sie auf der Renne genießen - und da stehen nie weniger als 7000 Touren auf der Uhr. Falls doch, dann bitte den Brenner einfach abstellen und lieber zum Hallenhalma wechseln.
Antrieb
Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 143 kW (195 PS) bei 10 750/min*, 132 Nm bei 9000/min*, 1198 cm3, Bohrung/Hub: 112,0/60,8 mm, Verdichtung: 12,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 67,5-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-AH-Kupplung, Sechsganggetriebe, Traktionskontrolle
Fahrwerk
Tragender Motor mit Aluminium-Hilfsrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,5 Grad, Nachlauf: 100 mm, Radstand: 1437 mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 120/130 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Schmiederäder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 200/55 ZR 17, 330-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten, ABS
Gewicht (vollgetankt)
191 kg*
Tankinhalt
17 Liter Super
Grundpreis
31 690 Euro (zzgl. NK)*
*Herstellerangabe
Urteil
Homologationsmodelle für die Superbike-WM waren schon immer etwas besonders - man denke nur an die Kawasaki ZXR 750 RR oder die Yamaha YZF-R7. Damals vereinten die Racer Prestige und Alltagsuntauglichkeit. Die Ducati 1199 Panigale R bietet dagegen beides: Exklusivität und Fahrbarkeit. Wer solvent und auf der Suche nach dem ganz Besonderen ist, der sollte zuschlagen.