Fahrbericht: Ducati 1199 Panigale S
Der neue Supersportler von Ducati

Ihre Aufgabe ist klar definiert: schnell sein auf der Rennstrecke. Für diesen Zweck wurde die Ducati Panigale entworfen, auf Power getrimmt, auf Leichtbau gezüchtet. Von den Fans - und sicher auch der Konkurrenz - mit Spannung erwartet, betritt sie nun die Bühne.

Der neue Supersportler von Ducati
Foto: Ducati

When the Flag drops, the Shit stops“, lautet eine Rennfahrer-Weisheit. Was übertragen auf die Ducati 1199 Panigale so viel bedeutet wie: Geredet und geschrieben wurde über sie genug. Über ihren spektakulären Motor, seine Kraft, die geballte Ladung an Elektronik. Und das ebenso mutige wie außergewöhnliche Fahrwerkskonzept. Jetzt muss die Panigale auf der Strecke zeigen, was sie kann.

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Die Freude darüber, dass sein jüngster Spross nun endlich Taten folgen lassen kann, steht General-Manager Claudio Domenicali bei der Präsentation auf der F1-Piste von Abu Dhabi, einem Retortenkurs, der wie eine Mischung aus Monaco und Macao anmutet, förmlich ins Gesicht geschrieben. Entsprechend kurz fällt die Begrüßungsrede aus. 16 nagelneue Maschinen stehen schließlich in der Boxengasse bereit und wollen artgerecht bewegt werden.

Also aufsitzen und  Das ist keine Ducati! So versammelt, dicht am Lenker und bei aller Sportlichkeit doch locker, saß man noch auf keinem Ducati-Renner. 30 Millimeter weiter vorne sitzt nun der Fahrer, die 16 Millimeter je Seite breiteren Lenker zehn Millimeter höher. Das fügt sich zu einer versammelten, unverkrampften Sitzposition. Zierlich wirkt die Rote Bella, kompakt, schmal der Tank.

Dann der Druck auf den Anlasser. Doch! Das ist eine Ducati! Unverkennbarer, bissiger Twin-Bass poltert aus den beiden Öffnungen des Under-Engine-Auspufftopfs. Dazu reicht der extrem kurzhubige V2 deutliche mechanische Geräusche von kämmenden Zahnrädern, schwirrenden Steuerketten. Richtig gelesen. Erstmals treiben bei einer neuzeitlichen Ducati nicht mehr Zahnriemen die Nockenwellen an. Außerdem sind mit der Servo-Rutschkupplung, die im Ölbad läuft, die Nebengeräusche der Trockenkupplung passé. Traditionalisten seien beruhigt: Sie lässt sich angenehm leicht bedienen. Also rein mit dem ersten Gang des neu entworfenen Getriebes und los. Nicht nur das Getriebe ist neu, die Panigale ist eine komplette Neukonstruktion, hatte der technische Direktor Andrea Forni zuvor gesagt. Man glaubt es ihm bereits nach wenigen Kurven.

Kurz nach der Boxenausfahrt wartet eine enge Schikane. Links, rechts, zack ist die Duc hindurchgeflutscht. Wow. So willig lässt sich eine Serien-Duc hin und her werfen? Da werden Schräglagenwechsel direkt zum Vergnügen. Anbremsen, einlenken, noch tiefer abwinkeln und wieder raus aus dem Eck, herrlich. Da trennt eine Welt 1199 von 1198. Und es katapultiert die Panigale in Sachen Handling auf -Augenhöhe mit der arrivierten Superbike-Konkurrenz.

Möglich macht dies zum einen eine radikale Gewichtskur, der gegenüber der 1198 zehn Kilogramm zum Opfer gefallen sein sollen. Was ohne ein ganz neues Fahrzeugkonzept nicht zu stemmen war. Wo das Optimieren jedes einzelnen Bauteils nicht mehr ausreicht, müssen Teile einge-spart, Funktionen zusammengefasst werden. Deshalb fiel die Wahl nicht mehr auf einen Gitterrohrrahmen, sondern auf ein Alu-Guss-Monocoque, das den Motor als tragendes Element integriert.

Ducati
Abbiegen leicht gemacht. Schikanen und enge Kurven verlieren auf der wendigen Panigale S ihren Schrecken. Mit ihr beginnt bei Ducati eine neue Zeitrechnung.

Nur noch 4,2 Kilo wiegt dieser „Rahmen“, lediglich 2,1 das filigrane Guss-Rahmenheck, 600 Gramm der Magnesium-Verkleidungsträger. Die Schmiederäder (die Basis-Panigale trägt Gussräder) sollen gar nur 2,7 (vorne) und 3,4 Kilo wiegen.

Da wird die Luft für Zubehör-Räder ganz schön eng. Das niedrigere Gewicht und die bessere Konzentration der Massen dank der neuen Auspuffanlage ist das eine. Die neue Sitzposition mit superschmaler Taille und klasse Knieschluss das andere. Der um sieben Grad weiter nach hinten gekippte Motor sitzt nun dichter am Vorderrad, was eine 40 mm längere Schwinge ermöglicht. Dies sorgt für mehr Last auf dem Vorderrad (52/48 %, 1198: 50/50%) und eine bessere Balance. Und in Verbindung mit der neu gewonnenen Handlichkeit pfeffert man die Duc schon nach wenigen Runden vertrauensvoll auch in schnelle Bögen, zirkelt ganz eng an den Curbs entlang.

Am Kurvenausgang beherzt die riesigen, 67,5 mm messenden Drosselklappen aufgerissen, schmettert die Ducati energisch auf die nächste Gerade hinaus. Der 200er Pirelli Supercorsa auf der Hinterhand verzahnt sich dank weicher Mischung auf der breiten Flanke mächtig mit dem Asphalt. So aus den Ecken getrieben, pumpt die Duc aber mitunter auch kräftig mit dem Heck und lässt sich, etwas zu hart an den Lenkerstummeln gepackt, auf der folgenden Geraden zu Unruhe in der Lenkung anregen. Linderung brachte es, die Lenker locker zu führen und den Lenkungsdämpfer etwas zuzudrehen.

Dabei reißt die Panigale lange nicht so brachial von unten heraus an wie noch die 1198. Wirkt in der Mitte zurückhaltend, wo die 1198 kräftig zubiss und dadurch aggressiver, aber auch anstrengender wirkte. Die riesigen Ansaugschlünde und gewaltige, 48,6 mm messende Titan-Einlassventile (1198: 43,5 mm) sind zwar Voraussetzung für gewaltige Spitzenleistung, erfordern aber eben auch Kompromisse.

Die 1199 kommt dafür gleichmäßiger, berechenbarer. Der Druck aus der Mitte ist immer noch ausreichend, lässt sich nun aber besser einsetzen, und ab 7500/min lässt sie dann richtig die Korken knallen. Und zwar so mächtig, dass es selbst noch im zweiten Gang das Vorderrad mühelos gen Himmel zieht. Wahnsinn, wie der V2 abgeht. In Windeseile sind die Gänge im präzisen Getriebe, unterstützt vom flinken Schaltautomaten, durchgezappt. Er lässt sich problemlos bis zu gewaltigen 11500/min hinauf ausquetschen, erreicht aber bereits deutlich früher seinen Leistungszenith. Drehen bis zum Begrenzer ist nicht nötig.

Ducati
Je nach Fahrmodus gibt es drei voreingestellte Setups. Man kann sich jedoch auch sein eigenes programmieren.

Die enorme Power und das breite Drehzahlband erkauft sich der kurzhubige „Superquadro“-Motor aber nicht mit ruppigen Umgangsformen. Er geht im Kurvenscheitel vielmehr präzise, aber nicht harsch ans Gas, ein echter Vorteil in den vielen engen Schikanen. Doch schließlich hilft dem Fahrer ja auch der massive Einsatz von Elektronik bei der Zähmung dieses Kraftwerks. Die Drosselklappen und die je zwei Einspritzdüsen werden per Ride-by-Wire gesteuert. Und mit Traktionskontrolle (DTC), elektronischer Motorbremsmoment-Regelung (EBC), Bosch-ABS, Schaltautomat und elektronisch einstellbarem Öhlins-Fahrwerk (DES, nur Panigale S und S Tricolore) ist das volle Arsenal elektronischer Helfer an Bord. Um den Umgang mit dieser Vielzahl an Abstimmungsmöglichkeiten zu vereinfachen, stehen drei Fahr-Modi zur Verfügung, die bereits spezielle Abstimmungen bereithalten. Und wem das nicht reicht, der kann sich über das TFT-Display-, das je nach Fahrmodus sein Aussehen ändert, das eigene Setup für Traktionskontrolle, EBC, Schaltautomat, ABS und Federelemente erstellen und abspeichern. Die Möglichkeiten scheinen nahezu unbegrenzt. Ein Novum bei Serienmaschinen ist dabei die Engine Brake Control (EBC). Sie lupft beim Bremsen die Drosselklappen leicht an und reduziert dadurch das Motorbremsmoment. So bleibt die Duc in der Anbremszone hinten ruhig, auch wenn die von den Racing-Bremsen abgeleiteten und exklusiv für die Panigale gefertigten Brembo-Monoblock-Zangen heftig zupacken müssen. Sie besitzen übrigens nicht mehr die Bissigkeit beim ersten Zu-packen wie noch die Bremsen der 1198. Ein klarer Pluspunkt in Sachen Dosierbarkeit.

Für die Rennstrecke entpuppte sich die Fahrwerkseinstellung des Sport-Modus rasch als zu weich. Zeitig wurde deshalb der Race-Modus aktiviert und zusätzlich EBC auf Stufe eins und die Traktionskontrolle auf Stufe zwei (von acht) zurückgenommen. Was mit sanften Regelvorgängen zwar gut spürbare Rutscher zuließ, aber nicht zu zeitig den Vortrieb einbremste.

Was blieb, waren am Kurvenausgang fette, schwarze Balken, die vom immer unbefangeneren Einsatz der gewaltigen Power zeugten. Und ein fettes Grinsen unterm Helm des Fahrers. Weil bisher noch keine Ducati eine solche Kombination aus Wendigkeit, Kraft und Umgänglichkeit besaß. Auch wenn die Gabel trotz relativ straffer Federn mit einer Federrate von 10 N/mm eher weich abgestimmt scheint. Doch ließen sich in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht alle elektronischen und fahrwerkstechnischen Grenzen ausloten, zumal die Piste teils recht staubig war, was bisweilen das Gefühl für Grip und Grenzbereich etwas trübte.

Dass die Panigale das in der MotoGP ungeliebte Monocoque statt eines Gitterrohr-Chassis besitzt, geriet angesichts ihres Handlings und der Kraft, mit der sie ihre Vorgängerin schon jetzt blass aussehen lässt, übrigens beinahe zur Nebensache. Und was wirklich in ihr steckt, wenn es auf der letzten Rille dahergeht, das wird nach dieser eindrucksvollen Premiere der jetzt umso heißer erwartete Vergleichstest klären.

Technische Daten

Ducati
Supersportler von Ducati für 2012: Ducati 1199 Panigale.

Motor

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je zwei oben----liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 67,5 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 440 W, Batterie 12 V/6 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 39:15.

Bohrung x Hub 112,0 x 60,8 mm

Hubraum 1198 cm³

Nennleistung 143,0 kW (195 PS) bei 10750/min

Max. Drehmoment 132 Nm bei 9000/min

Fahrwerk

Monocoque aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, liegend, mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 330 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Zweikolben-Festsattel, ABS, Traktionskontrolle.

Alu-Schmiederäder

3.50 x 17; 6.00 x 17

Reifen 120/70 ZR 17; 200/55 ZR 17

Maße+Gewichte

Radstand 1437 mm, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Sitzhöhe 825 mm, Trockengewicht 167 kg, Tankinhalt/Reserve 17,0/2,0 Liter.

Garantie zwei Jahre

Farbe Rot

Preis Panigale/S/S-Tricolore 19490/24490/28600 Euro

Nebenkosten zirka 305 Euro

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023