Von außen erkennbar ist die neue Honda Fireblade an ihrer Verkleidung, spitzen Flügelchen und scharfen Linien. MOTORRAD sammelte auch erste Eindrücke von den inneren Werten.
Von außen erkennbar ist die neue Honda Fireblade an ihrer Verkleidung, spitzen Flügelchen und scharfen Linien. MOTORRAD sammelte auch erste Eindrücke von den inneren Werten.
Eine längere und kantige Frontverkleidung ersetzt beim 2012er-Modell die kurze runde Nase, welche die Fireblade seit 2008 (Typencode SC59) kennzeichnete. Damit verschwindet ein kontrovers diskutiertes Merkmal der Honda-Sportlerin und leider auch ein Stück Unverwechselbarkeit. Trotzdem wird sich, wer die bisherigen SC59 kennt, mit verbundenen Augen auf der Neuen zurechtfinden.
Er kann sogar ohne Motorradkontakt am Motorklang erkennen, welche Maschine er vor sich hat, denn das Triebwerk wurde unverändert übernommen. Okay, es gibt jetzt einen Gangsensor, der nicht nur die richtige Zahl in die Ganganzeige der neuen Infozentrale schreibt, sondern auch die Basis bildet für unterschiedliche Leistungscharakteristiken in den einzelnen Gängen. Unabhängig davon soll ein überarbeitetes Kennfeld bei allen Drosselklappenwinkeln für geschmeidigere Lastwechsel und lineare Leistungsentfaltung bei niedrigeren Drehzahlen sorgen. Das altbekannte 4000er-Drehmomentloch sei aufgefüllt, sagen Honda-Ingenieure.
Während der ersten vorsichtigen Runden auf dem noch kalten Asphalt des Algarve-Rennkurses bei Portimão ist das Loch nicht zu spüren. Doch ganz sicher ist sich der Tester dieser Aussage nicht, denn mit jeder Runde stellt die fantastische Strecke neue Forderungen, verlangt eine präzise Linie, exakt gesetzte Bremspunkte, kleinere Gänge und höhere Drehzahlen für die Steigungen. Vor allem aber für die lange und weite letzte Rechtskurve sowie die anschließende Zielgerade. 4000/min? Nach der Warmfahrphase lassen wir uns auf dieses Niveau erst kurz vor dem Anhalten wieder herab. Aber die Lastwechsel vollziehen sich tatsächlich sehr sanft.
Wie stets, wenn es auf der Rennstrecke allmählich zügiger wird, kriegen die armen Serienreifen den Schwarzen Peter. Mit der 2012er-Fireblade debütieren die Bridgestone S 20, die sich tapfer bemühen, Drehmomentfluten auf den Asphalt zu stemmen und Seitenführungskräfte aufrechtzuerhalten. Doch Motorräder vom motorischen und fahrwerkstechnischen Potenzial der Blade fordern in Sachen Reifen eine klare Unterscheidung zwischen Rennstrecke und öffentlichem Verkehr. Ihre Serienreifen rotieren auf einer solchen Strecke ständig am Limit. Beim Beschleunigen in Schräg-lage franst die Linie förmlich aus, der gefahrene Kurvenradius wird teleskopartig größer als geplant und gewollt. Das sind noch keine Rutscher, aber der Zustand ganz knapp davor. Und das neue Federbein mit der Standardeinstellung pumpt auf manchen Wellen mehr, als nötig wäre.
Das zeigt sich nach dem Wechsel auf rennsportliche Bridgestone R 10 vom weichen Typ 3 verbunden mit einer gestrafften Einstellung der Dämpfung. Der höhere 55er-Querschnitt des Hinterreifens und mehr Vorspannung vorne und hinten sorgen überdies dafür, dass das Motorrad insgesamt höher steht. Und es beginnt das pure Vergnügen. Noch unter strammem Zug aus der Kurve hält die Blade ihre Linie, säbelt in sauber durchgezogenen Bögen zentimetergenau an die Curbs heran und lässt sich in Wechselkurven sogar noch deutlich schneller umlegen als zuvor. In Kurve Nummer sechs, wo dies von zwei, drei deftigen Bodenwellen begleitet wird, sorgt die gestraffte Einstellung des Showa-Federbeins nach dem TTX-Prinzip von Öhlins für eine ruhigere Federungsarbeit und ein sicheres Gefühl. Prompt pfeilt die Honda mit viel mehr Tempo als zuvor auf den nächsten Bremspunkt zu.
Das Bremsen selbst ist an dieser Stelle unkritisch, weil das Motorrad von der steil bergan führenden und im Eingang überhöhten Strecke fast automatisch verzögert und eingelenkt wird. Einige Hundert Meter, eine Kuppe und eine Abfahrt später steht nach der nächsten steilen Bergauf-Passage eine schwierigere Prüfung an. Vor allem für die Elektronik des Combined-ABS, das erfreulicherweise in Deutschland zum Preis des ABS-losen Vorjahresmodells Standard-ausstattung wird. Es beginnt seine Arbeit mit einem kurzen Impuls auf die hintere Bremse, was die Stabilität fördert. Es sei denn, das Hinterrad ist von einem Beinahehüpfer über eine Kuppe etwas entlastet, wie es hier geschieht. Trotzdem tänzelt die Hinterhand der Blade beim scharfen Anbremsen einer ebenfalls scharfen Rechtskurve nur minimal aus der Spur, die Antiblockierfunktion reagiert schnell genug.
Am Ende der Zielgeraden muss aus über 270 km/h zumeist auf einem abschüssigen Stück gebremst werden; da der Bremspunkt aber noch vor dem Gefälle liegt, serviert die Kombibremse hier das beruhigende Gefühl, das Hinterrad würde förmlich auf die Bahn gezogen. Kurz: In einer Situation, in der das Combined-ABS eher nachteilig wirkt, lässt sich trotzdem gut damit leben, bei allen anderen Bremsmanövern bringt es massive Vorteile. Selbst einen beginnenden Übermut-Stoppie in der Bergab-Bremszone regelt es sauber aus.
Wie es sich gehört, führt die LED-Reihe im neuen Anzeigeinstrument den Fahrer hinauf zur Schaltdrehzahl, ohne dass dieser extra hinsehen müsste. Keinerlei Aufmerksamkeit wird von der Strecke abgelenkt. Leider führt dieser lobenswerte Umstand auch dazu, dass der Tester den sonstigen Anzeigeoptionen wenig Beachtung schenkte. Wie sich das Instrument im Alltag bewährt und anderes mehr, muss ein ausführlicher Test klären. Demnächst in MOTORRAD.
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 46 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/6 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 42:16.
Bohrung x Hub 76,0 x 55,1 mm
Hubraum 1000 cm³
Nennleistung 131,0 kW (178 PS) bei 12 000/min
Max. Drehmoment 112 Nm bei 8500/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, elektronisch gesteuerter Lenkungsdämpfer, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17
Maße+Gewichte
Radstand 1407 mm, Lenkkopfwinkel 66,8 Grad, Nachlauf 96 mm, Federweg v/h 120/138 mm, Gewicht vollgetankt* 200 kg, Tankinhalt/Reserve 17,7/4,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Schwarz, Rot, Weiß
Preis 14 990 Euro
Nebenkosten 170 Euro