Zwei Weltanschauungen sorgten in der Superbike-WM bisher für Spannung: Japanische 750er-Vierzylinder traten gegen italienische Zweizylinder mit einem Liter Hubraum an. Der Erfolg gab bisher den Twins Recht: Geschlagene achtmal gewann Ducati den Titel sehr zum Leidwesen der japanischen Hersteller, allen voran des Motorrad-Riesen Honda.
In den Anfangzeiten der Superbike-WM mit der RC 30 unter Doug Polen immerhin zweimal erfolgreich, stellte deren Nachfolger, die RC 45, zwar fast immer den potentesten Vierzylinder im Feld, konnte jedoch nur unter John Kocinsky 1997 die Phalanx der roten Zweizylinder aus Bologna durchbrechen. Eine Schmach, die im Hause Honda zum Umdenken geführt hat.
Man schickte den bewährten V4 in Pension und entwickelte die VTR 1000 zur supersportlichen SP-1. Während die Straßenvariante rund 130 PS leistet, soll das Motorrad im Renn-Outfit zusätzliche 40 Pferdestärken mitbringen. Entgegen sonstigen Gepflogenheiten stellte Honda vor dem ersten Einsatz einen der nagelneuen Renner mit Standard-Kit auf dem firmeneigenen Grand Prix-Kurs Motegi für eine kurze Testfahrt bereit.
Im Vergleich zur Ducati 996 SPS sitzt der Fahrer auf der SP-1 tiefer, der Oberkörper ist nicht ganz so extrem nach vorn gebeugt. Ducati-Feeling kommt nach dem Druck auf den Anlasserknopf auf, fast körperlich spürt man die Zündfolge des 90-Grad-V-Twins. Allerdings erzeugt das japanische Triebwerk im Vergleich zur italienischen Konkurrenz von Ducati und Aprilia kaum mechanische Geräusche.
Raus aus der Box und nichts wie rauf auf die Piste. Mit allem gebotenen Respekt, denn Rennmotorräder fahren sich nun mal ganz anders als ihre zahmeren Straßenvarianten. Doch der erste Eindruck verblüfft. Eingewöhnungszeit erfordert die SP-1 so gut wie nicht. Der 1000er-Twin gibt sich handlich und reagiert artig auf jedes Steuerkommando des Piloten. Im Gegensatz zur Ducati, die mit Nachdruck in Schräglage gezwungen werden will und dann stur dem eingeschlagenen Kurvenradius folgt, reagiert die Honda williger auf Lenkimpulse und erlaubt auch Kurskorrekturen. Der Fahrer kann auf der SP-1 auch in großer Schräglage die Linie ändern, ohne gleich den Abwurf zu riskieren.
Insgesamt verhält sich der neue V2, Projektname SC 45, neutral. Das Superbike liegt ruhig wie ein Brett, auch beim vollen Beschleunigen am Kurvenausgang behält das Vorderrad Bodenkontakt, von Lenkerschlagen keine Spur. Und selbst beim Herunterschalten reagiert das Fahrwerk allenfalls mit einem leicht unruhigen, aber gut kontrollierbaren Heck. Dafür sorgt die spezielle Anti-Hopping-Kupplung, die die Bremswirkung des Motors abschwächt und so hartes Hinterradstempeln weitgehend verhindert.
Das System funktioniert gut, das Hinterrad klebt meist auf dem Asphalt, unfreiwilliges Abheben kommt kaum vor. Ein beruhigendes Gefühl, denn so kann der Fahrer ohne Bedenken erst sehr spät herunterschalten und sich in der Kurve schon wieder aufs Beschleunigen konzentrieren, ohne sich hektisch mit unliebsamen Fahrwerksreaktionen herumzuschlagen. Federung und Dämpfung funktionieren vorbildlich und erfordern für den ersten Fahreindruck keine Abstimmungskorrekturen an Gabel und Federbein. Einer Änderung des Set-up wären aber ohnehin die japanischen Betreuer im Weg gestanden. Honda gestattete nur fünf Runden, Schrauben oder gar Verkleidung Abbauen streng verboten.
Die Bremsen entsprechen mit ihrem präzisen Druckpunkt hohem Rennstandard. Mit einem Finger lässt sich die Wirkung am Bremshebel exakt dosieren, vom leichten Verzögern bis zum harten Abbremsen nahe der Blockiergrenze.
Der Motor überzeugt vom Start weg mit seinen konzeptionellen Vorteilen des großvolumigen V2. Bereits im unteren Drehzahlbereich stellt er viel Dampf zur Verfügung und geht ab 5000/min kräftig zur Sache, der Schub steigt bis 10000/min gleichmäßig und gut dosierbar ohne Leistungsloch an. Allerdings, zumindest subjektiv, nicht so kraftvoll, wie es 170 PS erwarten lassen. Bei 11000/min limitierte bei der gefahrenen Kit-Version dann der Begrenzer ungestüme Drehzahlorgien. Rein gefühlsmäßig setzt eine Ducati im Renntrimm mehr Power frei, fühlt sich insgesamt stärker an. Dabei bietet die SP-1 gute Traktion. Das Fahrwerk würde jedenfalls deutlich mehr Leistung vertragen, als die Kit-Version zu bieten hatte.
Zwar fährt sich das Motorrad ausgesprochen leicht und harmonisch, und Privatfahrer werden mit ihr bestimmt glücklich: Einfach aufsteigen, Gas geben und schnelle Runden hinlegen, auch ohne Motorrad und Strecke gut zu kennen. Doch für die Werksrenner der Piloten Aaron Slight und Colin Edwards zieht Honda sicher noch ein paar entscheidende Pfeile aus dem Köcher. Schließlich gilt es, endlich Ducati zu schlagen. Das erste Rennen der Superbike-WM am 2. April in Kyalami/Südafrika wird zeigen, obs mit Hondas neuem Konzept gelingt.
Fahrbericht Honda SP-1 Superbike : Wir können auch anders
Honda drängt mit Macht nach der Superbike-Krone und greift in dieser Saison erstmals mit einem Zweizylinder an.