Fahrbericht MV Agusta F3 800
Der erste Supersportler mit 800 Kubik

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Mit der MV Agusta F3 800 stürmt erstmals ein Bike mit 800 Kubik die Reihen der Supersportler. Die Italiener versprechen eine hohe Leistung, geringes Gewicht und sagen damit sogar den Superbikes den Kampf an.

Der erste Supersportler mit 800 Kubik
Foto: MV Agusta

Fahrbericht MV Agusta F3 800

Mittlerweile herrscht bei den Supersportlern eine bunte Hubraum-Vielfalt: 600, 636, 675, 750, 848, 1000 und 1200 Kubik - alles ist vertreten. „No“, widerspricht MV Agusta vehement, „nix alles, habe‘ wir die neue MV Agusta F3 800. La moto è bellissima e molto forte!“ „Grazie“, rufen wir euphorisch, „gleich fühlen wir ihr auf der Piste auf den Zahn.“ Doch zuvor schweifen unsere Blicke über das Design der neuen F3.

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Der erste Supersportler mit 800 Kubik
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Äußerlich gleicht sie der bildhübschen F3 mit 675 Kubik fast wie ein Ei dem anderen, beide unterscheiden sich lediglich bei den Schriftzügen. Außerdem tragen die schwarze und die weiße Variante andersfarbige Seitenverkleidungen, am Design der rot/silbernen Version änderten die Vareser dagegen nichts. Auch technisch sind sie bis auf wenige Bauteile völlig identisch. Experten erkennen die beiden an den Bremssätteln. Während die weiterhin erhältliche, „kleine“ F3 mit zweiteiligen Brembo-Sätteln auskommen muss, stecken an der Neuen MV Agusta F3 800 unbezwingbare Monoblocks derselben Marke. Die restlichen Änderungen liegen verborgen in den Tiefen des Bikes, sie machen den eigentlichen Unterschied.

Der Drilling knurrt deutlich bassiger und gewaltiger

MV Agusta
MV Agusta F3 800.

Beispiel Motor: Mit exakt 798 Kubikzentimetern überflügelt die jüngste MV ihre Schwester um 123 Kubik oder rund 18 Prozent. Ihren größeren Hubraum generiert die MV Agusta F3 800 aus einem längeren Hub, der statt 45,9 Millimetern nun 54,3 mm misst. Längere Pleuel, durchlassfreudigere Einspritzdüsen und etwas höher verdichtende Kolben, das war’s schon, mehr änderten die Italiener an der Hardware des Drillings nicht. 148 Pferde und 88 Nm Drehmoment soll der so modifizierte Treibsatz nun auf den Piloten loslassen. Wie sich das wohl anfühlt?

Triebwerk anwerfen. Wow, deutlich bassiger und gewaltiger knurrt und faucht der Dreizylinder aus seinen drei Rohren - fantastico! Mit neuem Motor-Mapping läuft der große Treibsatz darüber hinaus viel kultivierter als die Variante mit 675 Kubik. Dazu geht die MV Agusta F3 800 speziell im Fahrmodus „N“ sehr sanft ans Gas ohne indirekt zu wirken. Noch unmittelbarer, aber etwas abrupt verläuft die Gasannahme im Sportmodus „S“.

Ab 9000 Touren lässt sich engagiert an den Zeiten feilen

„Die MV Agusta F3 800 hat im mittleren Drehzahlbereich bis zu 30 PS mehr als die 675“, verkündete ein MV-Sprecher am Vorabend stolz. Tatsächlich powert die 800er bis zirka 4500/min tapfer los, baut dann aber ihre Leistung bis ungefähr 8500/min mit spürbar gebremstem Schaum weiter auf. Subjektiv treten in diesem Bereich längst nicht alle versprochenen Ponys an, genaue Werte bringt aber erst eine Leistungsmessung auf unserem Prüfstand. Klar ist heute schon: Beim engagierten Zeitenfeilen sollten immer um die 9000 Touren auf der Uhr stehen, denn dann marschiert die F3 artgerecht. Ab dieser Marke serviert der Drilling seine Leistung zudem schön gleichmäßig, bevor ihm der Begrenzer bei 13500/min sanft den Saft abstellt.

Die richtige Gangwahl ist also wichtig, der serienmäßige Schaltautomat hilft beim Sortieren der Fahrstufen. Dabei dringen allerdings mitunter vernehmliche Geräusche aus dem Getriebe der MV Agusta F3 800. Außerdem rasteten die Gänge bei einigen der Testmaschinen nicht immer sauber ineinander, vor allem zwischen drittem und viertem Gang - molto tristo! Völlig unschuldig hierbei ist die Sekundärübersetzung, die MV um über elf Prozent erhöhte, um sie der gesteigerten Power anzupassen.

Die Stabilität in Schräglage ist nach wie vor sagenhaft

Wie gehabt verfügt auch die MV Agusta F3 800 über eine Traktionskontrolle. Zwar stimmten sie die Italiener neu ab, perfekt arbeitet das System dennoch nicht. Bisweilen greift die TC selbst beim wilden Herausbeschleunigen aus den Kurven nicht ein, auch nicht auf der empfindlichsten Stufe (acht). Steht das Bike dann fast schon wieder senkrecht, kommt es vor, dass die TC plötzlich massiv regelt. Außerdem fehlt im Display ein optisches Signal, das anzeigt, wenn die Traktionskontrolle einschreitet. Da sollte MV Agusta also nochmal ran. Möglicherweise trägt ja auch der Abgleich von Vorder- und Hinterrad-Geschwindigkeit zu einem besseren Ergebnis bei. Bis jetzt arbeitet das System jedenfalls ohne diese Parameter.

Kommen wir zu positiveren Dingen. Als Erstes sei die neue, phänomenale Anti-Hopping-Kupplung erwähnt. Dank ihr gleitet das Hinterrad selbst bei härtesten Bremsattacken sanft über den Asphalt. Außerdem biegt die MV Agusta F3 800 sehr zielgenau ab und hält perfekt die Linie. Auch die Stabilität in Schräglage ist nach wie vor sagenhaft, Handling und Feedback überzeugen ebenfalls. Zumindest auf den Rennpellen Pirelli Diablo Supercorsa in mittelharter Mischung (SC1), die MV für diese Präsentation aufziehen ließ. Serienmäßig rollt die F3 auf gemäßigteren Diablo Rosso Corsa. Ein weiteres Highlight ist die neue Bremse mit stabilem Druckpunkt, hoher Transparenz, gewaltiger Verzögerung und klasse Dosierbarkeit. Allerdings muss die F3 nach wie vor ohne ABS auskommen.

Leider hat die MV Agusta F3 800 serienmäßig keinen Lenkungsdämpfer

Fahrwerkstechnisch fällt beim Beschleunigen die nervöse Front etwas aus der Reihe, das Bike rührt bei dieser Übung ausgeprägt mit dem Lenker - Kickback ist dabei nicht ausgeschlossen! Leider hat die MV Agusta F3 800 serienmäßig keinen Lenkungsdämpfer. Wer ein solches Teil möchte, wird im Zubehörkatalog von MV Agusta fündig. Für die Renne ist ein Kickback-Killer ein absolutes Muss. In diesem Gefilde ist es auch nötig, die Dämpfung des zwar überarbeiteten, aber dennoch etwas zu soften Federbeins anzupassen. Besonders die Druckstufe sollte bis auf eine halbe Umdrehung komplett geschlossen werden. Dann passt auch der Grip und alles ist benissimo. Capito?

Unterschiede zur F3 675

MV Agusta
MV Agusta F3 800.

Motor
798 statt 675 Kubik Hubraum
54,3 statt 45,9 mm Hub
148 statt 128 PS Nennleistung
88 statt 71 Nm Drehmoment
Verdichtung 13,3:1 statt 13,0:1 (Kolben)
13 500/min statt 14 600/min max. Drehz.
längere Pleuel
Einspritzdüsen mit höherem Durchsatz

Sonstiges
Anti-Hopping-Kupplung
Neue Bremssättel vorn
Längere Übersetzung (17/41 statt 16/43)
Federbein straffer abgestimmt
Serienreifen Pirelli Diablo Rosso Corsa
Andere Farbkombination der Verkl.-Teile

PS-Urteil

Sie fasziniert, besticht, verführt. Und wird dank der gesteigerten Power, der verbesserten Gasannahme und der höheren Laufkultur noch begehrenswerter. Doch noch immer kämpft die MV Agusta F3 800 mit Unzulänglichkeiten wie der Schaltbarkeit des Getriebes oder der Abstimmung der Traktionskontrolle. Detailarbeit ist nun gefragt.

Technische Daten

MV Agusta
Die neuen Kolben erhöhen die Verdichtung von 13,0:1 auf 13,3:1.

Antrieb
Dreizylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 109 kW (148 PS) bei 13 000/min*, 88 Nm bei 10 600/min*, 798 cm3, Bohrung/Hub: 79,0/54,3 mm, Verdichtung: 13,3:1, Zünd-/Einspritzanlage, 50-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette, G-Kat

Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 99 mm, Radstand: 1380 mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 125/123 mm

Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/70 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten

Gewicht (trocken)
173 kg*

Tankinhalt
16 Liter Super

Grundpreis
13 990 Euro (zzgl. NK)*

Die aktuelle Ausgabe
PS 6 / 2023

Erscheinungsdatum 10.05.2023