Ihre Augenpartie, der schmale Scheinwerfer, ist nur eine der vielen Neuerungen an der GSX-R 600, Jahrgang 2011. MOTORRAD probierte auf der Rennstrecke aus, was sie außer tiefen Blicken noch zu bieten hat.
Ihre Augenpartie, der schmale Scheinwerfer, ist nur eine der vielen Neuerungen an der GSX-R 600, Jahrgang 2011. MOTORRAD probierte auf der Rennstrecke aus, was sie außer tiefen Blicken noch zu bieten hat.
So schön kann Wintersport sein: Nach verhaltenem Beginn erblüht die Sonne in mildem Glanz, am frühen Nachmittag flammt die Temperatur auf 16 Grad empor, die Rennstrecke in den Bergen über Almeria ist warm und trocken. Und diese multiple Rechtskurve, die in ungefähr 38 verschiedenen Radien hügelan, über eine kleine Kuppe, ein wenig bergab, wieder aufwärts und dann endgültig hinunter führt, die geht jetzt auch in einem nahtlos gezogenen Bogen und einem Gang.
Noch vor dem Scheitelpunkt des letzten Hakens gilt es, etwas Gas zu geben, um in der Bergabpassage das Vorderrad zu entlasten. Präzise, aber ohne Härte vollzieht der Suzuki-Motor den in voller Schräglage stets heiklen Lastwechsel und zieht anschließend mit staunenswerter Macht auf die folgende Linkskurve zu. Ohne die Möglichkeit einer Durchzugsmessung ist seine Stärke im mittleren Drehzahlbereich zwar nicht objektiv zu bestimmen, doch hier und jetzt macht der überarbeitete, reibungsoptimierte Vierzylinder einen kräftigen Eindruck.
Einige Kurven und eine Schikane weiter hat der Streckenplaner abermals seine Lust an kompliziert verlaufenden Biegungen ausgelebt. In Rechtsschräglage unter ständig wachsendem Zug lässt sich im mehrmaligen Wechsel zwischen rechtem und linkem Streckenrand ein Bogen auf den Asphalt zeichnen, der in eine 900 Meter lange Gerade mündet. Hier überzeugt der 599er-Motor endgültig. Stetig legt er zu, um dann bei etwa 12000/min eine Art Nachbrenner zu zünden und unter faszinierendem Gebrüll bis über 15000/min hochzudrehen. Ohne lästige Vibrationen. Die Drehzahlangaben sind allerdings ohne Gewähr, weil der Berichterstatter das Angebot der neuen Schaltpunktanzeige gerne annahm und statt auf den Drehzahlmesser lieber auf die Dreierreihe von gelben Leuchten schaute, an deren Ende eine weiße Lampe das Hochschalten anmahnt. Eine solche Anzeige verlangt weniger Konzentration als das Ablesen eines Drehzahlmessers.
Mit guten 250 km/h laut Tacho liefert die Suzuki ihren Fahrer am Bremspunkt am Ende der Geraden ab, sofern der die Kurve zuvor richtig erwischt und sich brav hinter die Verkleidungsscheibe gekauert hat. Was dann beim Aufrichten passiert, ist typisch für Supersportler-Verkleidungen, die bei geduckter Fahrerhaltung einen guten Windschutz bieten: Es bricht das Inferno los. Der Gegensatz zwischen dem sauber vorbei strömenden Fahrtwind zuvor und dem Orkan danach stellt den Aerodynamikern ein gutes Zeugnis aus.
Mit leichter Ansprechverzögerung beißen die Beläge in den neuen einteiligen Brembo-Zangen zu, bremsen die Suzuki dann aber sicher auf etwa 80 km/h herunter. Von dieser zu Anfang etwas stumpfen Auslegung wollen die Techniker offenbar nicht lassen. Sie soll bei Schreckbremsungen Stürze durch ein blockierendes Vorderrad verhindern. Tatsächlich lässt sie immer dann die Spontaneität vermissen, wenn nicht mit aller Macht und rasch ansteigender Temperatur gebremst wird, sondern die Beläge mit Gefühl angelegt werden müssen. Zum Beispiel in Schräglage. Die anfangs geringe Verzögerung verleitet dazu, heftiger zuzuziehen, und dann kann es erst recht brenzlig werden. Eine rasche und nachvollziehbare Umsetzung der Impulse am Bremshebel wäre besser.
Weil die Straße in der Bremszone am Ende der langen Gerade stark ansteigt, ist das Anbremsen der folgenden Rechts-/Linkskombination noch keine Herausforderung in Sachen Stabilität. Das Hinterrad bleibt brav in der Spur. Am Ende der kurzen Zielgeraden geht es in der Bremszone bergab; hier zeigt die Hinterhand bei weitgehender Entlastung schon mehr seitliche Bewegung, die aber weit innerhalb des akzeptablen Bereichs bleibt. Ob sie das auch bei schärferen Bremsmanövern mit Rennreifen tut, muss ein Test klären.
Bei der Präsentation in Almeria rollte die neue 600er-Suzuki auf Erstausrüstungsreifen, einer leichten Sonderspezifikation des Bridgestone BT 016 mit der Kennzeichnung AA. Da diese Straßenreifen den höheren rennstreckentypischen Temperaturen nur bedingt gewachsen sind und sich teigig anfühlen, wenn sie am oberen Rand ihres Temperaturbereichs laufen, lässt sich die Lenkpräzision der neuen GSX-R nicht genau einordnen. Sie ermöglichte jedenfalls zielgenaue Spiele mit den Curbs, nachdem die Suzuki-Mechaniker die hintere Feder um zwei Umdrehungen stärker vorgespannt hatten als die Standardeinstellung vorsieht.
Noch schwieriger einzuschätzen ist das Handling der GSX-R 600 auf der Straße, weil sie nur auf der Rennstrecke gefahren werden durfte. Mit kühlen Reifen wirkte sie in den ersten Kurven nach der Boxenausfahrt etwas störrischer als in diesem Zustand normal wäre. Sehr rasch, noch vor Beendigung der ersten Runde, fand sie jedoch zu einem sehr gefälligen Handling. Das will in Almeria etwas heißen, denn neben den schon erwähnten, komplexen Linien bestimmen vor allem Wechselkurven in unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen die Streckenführung. Und in denen machte es einfach Spaß, die "kleine" GSX-R von einer Schräglage in die andere zu pfeffern. Leider wurde der Verkaufspreis bis Redaktionsschluss nicht offiziell genannt; der letzte Stand lautet 11790 Euro, 500 Euro teurer als das Vorgängermodell.
Hier geht's zum Video des Fahrberichts:
Motor:
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 0 40 mm, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 375 W, Batterie 12 V/8 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 43:16.
Bohrung x Hub 67,0 x 42,5 mm
Hubraum 599 cm³
Nennleistung 92,5 kW (126 PS) bei 13500/min
Max. Drehmoment 70 Nm bei 11500/min
Fahrwerk:
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, 0 41 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Lenkungsdämpfer, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, 0 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, 0 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Maße und Gewichte:
Radstand 1385 mm, Lenkkopfwinkel 66,3 Grad, Nachlauf 97 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Leergewicht 187 kg, Sitzhöhe 810 mm, Tankinhalt 17,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Blau/Weiß, Weiß/Schwarz, Schwarz
Preis k. A.