Fahrbericht Yamaha R7-Superbike

Fahrbericht Yamaha R7-Superbike Haga-Saga

Noriyuki Haga hat sich im vergangenen Jahr auf unterlegenem Material in die Herzen der Yamaha-Fans gefahren. Nun ist sein neues Arbeitsgerät da -die R7. Der Schlüssel zum Erfolg?

Und wieder zu früh gebremst. Mindestens zehn Meter sind da noch drin. Der Kopf weiß es genau, und trotzdem will die rechte Hand nicht gehorchen. Es fällt schwer, sich in den Grenzbereich dieser Maschine vorzutasten. Denn dieser Grenzbereich liegt weit außerhalb des Gewohnten, weit ab von dem, was Körper und Geist seit Jahren automatisiert haben. Es ist der Grenzbereich eines kompromißlosen Superbikes, einer Yamaha YZF-R7.

Nur keine Eile, es ist ja genug Zeit, sich mit dem exklusiven Untersatz anzufreunden. Sich an die Michelin-Slicks, das Öhlins-Fahrwerk und vor allem an die bissige Sechskolben -Bremsanlage von Nissin zu gewöhnen. Auf die serienmäßigen Vierkolbensättel, von den R1- und R6-Modelle bekannt, wurde bei dieser Rennstreckenpräsentation verzichtet. Denn trotz der riesigen 320er Bremsscheiben ist unter solch harten Bedingungen mit nachlassender Wirkung der Serienanlage zu rechnen.

Auch wenn man nach den ersten Runden von der Handlichkeit dieser Maschine begeistert ist, ganz von allein geht es nicht. Gerade ausgangs der engen Kurven, von denen es auf der Grand Prix-Strecke im spanischen Jerez einige gibt, gilt es durch aktive Gewichtsverlagerung nach vorn zum einen die aufstrebende Fahrzeugnase am Boden zu halten und zum anderen die beunruhigenden Pendelbewegungen beim Beschleunigen auf die schnellen Geraden unter Kontrolle zu bringen.

Überraschend gutmütig reagiert der Motor. Denn bei aller Energie, die das mit Kitteilen verfeinerte R7-Triebwerk in Vortrieb umsetzt, erscheint die Leistung über ein recht breites Drehzahlband jederzeit gut kontrollierbar. Immerhin sollen laut Yamaha rund 163 muntere Pferdchen an der Kette reißen. Beruhigend wirkt dabei auch die Tatsache, daß der Vierzylinder nur feine, kaum spürbare Vibrationen an Fußrasten und die tief montierten Lenkerstummel weitergibt. Nach einem kurzen, gewöhnungsbedürftigen Ruck beim Gasanlegen schwingt sich die Drehzahlmessernadel ab 8000/min gleichmäßig, aber bestimmt bis knapp an die 14000er Markierung, ehe der Begrenzer ein jähes Ende setzt. Im endgültigen Renntrimm sind dank der leichten Pleuel und Ventile aus sündhaft teurem Titan aber sicherlich noch 1500 Umdrehungen drin, ohne zwangsläufig einen Motorkollaps zu provozieren.

Ähnliche Reserven schlummern im Fahrwerk. Zeigt sich das Testmotorrad im ersten Moment zwar agil und handlich wie eine Serien-600er, wird bald klar, daß sie deutlich mehr Führung benötigt, um auf der gewünschten Bahn zu bleiben. Es fehlt ein wenig an der so wichtigen Rückmeldung für den Fahrer. Was spielt sich gerade zwischen Asphalt und Reifen ab, habe ich noch Reserven, und wenn ja, wieviel? Fragen, die die R7 nicht eindeutig beantwortet. Ein Gefühl von Sicherheit oder gar Übermut will während der gesamten, gut fünfzig Runden dauernden Testfahrt nicht aufkommen. Immer wieder dreht der Motor aufgrund mangelnder Reifenhaftung beim Beschleunigen aus den engeren Kurven hoch, bricht die Hinterhand unerwartet aus.

Aber auch hier bietet Yamaha Abhilfe. Serienmäßig sozusagen. Schließlich läßt sich sowohl der Lenkkopf um 0,5 oder gar 1,0 Grad mittels auswechselbarer, exzentrischer Lagereinsätze steiler stellen, als auch die Schwingenachse in der Höhe zweifach verändern. Somit lassen sich Handling, Stabilität und Balance dieser feinfühligen Diva sehr gravierend beeinflussen. die richtige Abstimmung zu finden ist allerdings eine Aufgabe, die selbst die Werksfahrer Haga und Guareschi noch nicht endgültig zu ihrer Zufriedenheit gelöst haben, deutet man den leichten Rückstand bei den Vorsaison-Tests richtig. Aber gut Ding will bekanntlich Weile haben, auch wenn es davon im Rennsport nur wenig gibt.

Ganz billig sind chirurgische Eingriffe dieser Art natürlich nicht. Zwar liegt der Preis für den Basiskit bei freundlichen 4990 Mark (Kopfdichtung, 24-Liter-Airbox, Zündkerzen, Kupplungstellerfeder, Kabelbaum, Kurzgasgriff, Benzinpumpe und Programmiereinheit), Wer aber besagte Fahrwerksänderungen vornehmen will, muß für die Exzenter noch einmal zusätzlich investieren. Ebenso wie für Kühler, Schalldämpfer, Getrieberäder, hintere Radaufnahmen und vieles mehr. Genaue Preise sind in Kürze direkt bei Yamaha Deutschland zu erfahren. Eines ist allerdings jetzt schon klar: Die R7 bietet auf jeden Fall genügend Möglichkeiten für eine sinnvolle Geldanlage.

Ist also nix mit einfach draufsetzen und gewinnen. Selbst um nationale Achtungserfolge zu erringen, wird die sicherlich konsequenteste Seriensportmaschine der Neuzeit nicht ausreichen. Die gesunde Basis bietet jedoch beste Voraussetzungen, das wahre Potential dieses High-Tech-Renners auszuschöpfen. Wenn auch nicht mit der Perfektion, wie das Werkspiloten vom Schlage eines Haga oder Guareschi schaffen.

Superbike-WM Vorschau

Yamahas Kultfigur Noriyuki Haga wie auch sein neuen Teamkollege Vittoriano Guareschi sind mit der brandneuen Werks-R7 offensichtlich bestens gerüstet, um in das Dauerduell zwischen Ducati und Honda an der Spitze der Superbike-WM massiv einzugreifen. In Misano, bei letzten Testfahrten vor der Verschiffung der Maschinen ins südafrikanischen Kyalami zum Saisonauftakt am 28. März, lag der Japaner immer in Schlagdistanz zum Ducati-Werksfahrer-Duo, das aber in der Reihenfolge Troy Corser vor Titelverteidiger Carl Fogarty eine weitere Vorsaison-Testsession dominierte.Das Castrol-Honda-Werksteam sparte sich zwar die Misano-Tests, rechnet sich aber mit der unveränderten Fahrerpaarung Aaron Slight/Colin Edwards in der Auseinandersetzung mit den roten Brigaden um die Superbike-Krone beste Chancen aus. Die Honda RC 45 geht zwar in ihr letztes Jahr, die Homologation für die Superbike-WM läuft aus. Trotzdem stellt der V4-Motor immer noch den Maßstab in Sachen Leistung und Beschleunigung dar.Völlig neu organisiert geht dagegen Suzuki in das Superbike-WM-Jahr 1999. Das belgisch-italienische Supersport 600-Weltcup-Sieger-Team Corona-Alstare übernimmt auch den werkseitigen Auftritt in der Superbike-WM. Und endlich kommt in dieser Saison die Suzuki GSX-R 750 in der aktuellen Einspritzer-Version zum Einsatz. Als Nummer eins-Fahrer neben dem japanischen Angreifer Katsuaki Fujiwara wurde der Italiener Pierfrancesco Chili verpflichtet, bisher der große tragische Held der Ducati-Tifosi. Chili will mit der neuen Crew an die Suzuki-Erfolge beim 1998er Saisonfinale im japanischen Sugo anknüpfen.Die größte Neuerung beim Kawasaki-Werksteam unter der Führung von Harald Eckl ist die Verpflichtung des spanischen Angreifers Gregorio Lavilla als Teamkollege von Stammfahrer Akira Yanagawa. Die ZX-7RR wurde nur behutsam weiterentwickelt und ist in der kommenden Saison das letzte verbliebene Superbike mit Vergaser-Motor. Aber Teamchef Eckl sieht darin keinen Nachteil. Und auch bei den Tests vor der Saison gaben die Kawa-Reiter durchaus erfolgversprechende Vorstellungen.Ganz neu in der Superbike-Welt tritt Aprilia mit ihrer formidablen Zweizylinder-RSV mille und dem Australier Peter Goddard als Fahrer an. Die Venezianer, wie sonst nur die Giganten Honda und Yamaha in allen WM-Kategorien der Straßen-WM unterwegs, sehen 1999 als Entwicklungsjahr, in dem sie ihr Potential aufzeigen und verfeinern wollen, um dann 2000 den Großangriff auf die feindlichen Brüder aus Bologna und den japanischen Erzfeind Honda zu starten.Termine 1999:28. März Kyalami/Südafrika, 18. April Phillip Island/Australien, 2. Mai Donington Park/England, 16. Mai Albacete/Spanien, 30. Mai Monza/Italien, 13. Juni Nürburgring, 27. Juni Misano/Italien, 11. Juli Laguna Seca/USA, 1. August Brands Hatch/England, 29. August A1-Ring/Österreich, 5. September Assen/Niederlande, 12. September Hockenheim, 10. Oktober Sugo/Japan.

Superbike-Technik Yamaha R7

Daß eine R7 nicht unter die Rubrik »Gewöhnlich« fällt, dafür sorgt schon der Einstandspreis von stolzen 49 990 Mark. Genau 500 Einheiten dieser bildschönen Maschine sind bislang in Japan vom Band gelaufen, und damit ist genug. Denn die R7 soll nicht die Landstraßen der Welt bevölkern, sondern sportlichen Lorbeer ernten und die Superbike-WM gewinnen.Zu diesem Zweck stellte Kunihiko Miwa, Projektleiter und Vater der gesamten R-Familie, ein beispiellos kompromißloses Bike auf die Räder. Denn entgegen der äußerlichen Ähnlichkeiten zu ihren Schwestern R1 und R6 ist die R7 eine komplett eigenständige Entwicklung. Der mattschwarze Rahmen lehnt sich stark am Layout des aktuellen 500er GP-Bikes an und soll im vorderen Bereich die Steifigkeit des R1-Chassis um glatte 100 Prozent übertreffen. Ähnlich steif auch die lange, aus Aluminiumprofilen verschweißte Kastenschwinge, die zur R1-Schwinge immerhin um 80 Prozent an Stabilität zugelegt hat. Exzentrische Lagereinsätze für Lenkkopf und Schwingenaufnahme eröffnen dem Piloten in Verbindung mit den zigfach einstellbaren Federelementen von Öhlins eine Vielzahl von Abstimmungsmöglichkeiten. Daß Tank und Verkleidung mit Schnellverschlüssen befestigt sind, ist selbstverständlich. Auch die Öffnung für ein zweites Tankventil beim Einsatz in der Langstrecken-WM ist bereits vorhanden.Richtig aufwendig wird es dann im Motorinneren. Kurzhemdige Schmiedekolben, vier leichte Titanpleuel (260 Gramm) und 20 Titanventile sorgen für eine Reduzierung der bewegten Massen und erhöhen so die Drehzahlfestigkeit. Mit 48 Millimeter Hub liegt die R7 gleichauf mit der Suzuki GSX-R 750 und 3,2 Millimeter über der Kawasaki ZX 7R. Um die Baulänge des Aggregats kurz zu halten, liegen die Getriebewellen wie schon bei der R1 übereinander. Die Zylinder sind in das obere Motorgehäuse integriert. Schon serienmäßig verfügt die R7 über ein eng gestuftes Sechsganggetriebe.Die Benzinversorgung übernimmt eine Einspritzanlage mit zwei Einspritzdüsen pro Zylinder. Der besonderer Gag dabei: Über ein kleines Kästchen, das im Kit enthalten ist, läßt sich die Elektronik durch ein paar Knopfdrücke vom Straßen- in den Rennmodus umschalten. Damit wird automatisch eine schon vorhandene, zweite Einspritzdüse aktiviert. In diesem Modus wiederum kann sowohl die Einspritzmenge im unteren als auch im oberen Drehzahlbereich in Abhängigkeit von der jeweiligen Drosselklappenstellung beeinflußt werden. Klingt genial, ist aber nicht ganz einfach, immerhin umfaßt dieses recht komplizierte Kapitel knapp 20 Seiten im Kit-Handbuch. Schlüsselstelle ist dabei die elektronische Tachoeinheit. Die Nadel zeigt während der Einstellarbeiten die einzelnen Programmierschritte an.Die werksseitig angegebenen 106 PS für das Serienmotorrad sollten nicht beunruhigen. Die basieren auf der französischen Gesetzesgrundlage für die Homologation. Angesichts des vorbestimmten Einsatzzwecks der R7 hat man sich aus Kostengründen europaweit einfach auf diese Grenze herabgelassen. Der Kit mit Motoren- und Einspritzteilen, Schalldämpfer und Kühler soll laut Yamaha für immerhin 163 PS gut sein.

Inteview mit Werksfahrer Vittoriano Guareschi

Herr Guareschi, Sie kommen aus der 600er Klasse. Das ist Ihre erste Saison auf einem Superbike. Was ist jetzt anders?Die Reifen. Es kostet viel Überwindung, an die Grenzen dieser Slicks zu gehen. Die Mehrleistung macht mir dagegen gar keine Probleme. Ich muß nur meinen Fahrstil noch umstellen, da mit dem Superbike engere Kurvenradien gefahren werden, um früher wieder zu beschleunigen. Der enorme Kurvenspeed der 600er bringt hier nicht viel.Wie verstehen Sie sich mit Ihrem japanischen Teamkollegen Haga? Prima, er ist ein richtig lockerer Typ. Etwas verrückt vielleicht, aber sehr hilfsbereit. Wir stimmen die Maschinen beim Training gemeinsam ab, und er hilft mir auch dabei. Und diese Woche gehen wir gemeinsam zum Snowboarden.Wie sind Ihre Ziele für das erste Jahr?Zuerst gilt es in den ersten drei, vier Rennen von meinen erfahrenen Gegenern zu lernen. Außerdem muß ich mein Bike noch besser kennenlernen. In der Endabrechnung soll ein Platz unter den ersten Zehn drin sein, und vielleicht reicht es dieses Jahr schon einmal fürs Treppchen.

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