Die ZX-7RR gilt mittlerweile als Urgestein in der Superbike-Szene. Und dennoch ist der giftgrüne Renner immer für eine Überraschung gut.
Die ZX-7RR gilt mittlerweile als Urgestein in der Superbike-Szene. Und dennoch ist der giftgrüne Renner immer für eine Überraschung gut.
Es hat oftmals Vorteile, sich auf Erprobtes zu verlassen. So setzen auch die verschiedenen Teams in der Superbike-WM gern auf Bewährtes: Ducati auf die Fähigkeiten von King Fogarty, Yamaha auf das Potential der Hightech-R7, Suzuki auf das Millionenbudget von Hauptsponsor Corona. Und Kawasaki? Verlässt sich auf die Technik der letzten Jahre und die Vergaser.
Dass dies nicht der schlechteste Weg ist, stellt Starfahrer Akira Yanagawa immer wieder eindrucksvoll unter Beweis. Doch Teamchef Harald Eckl sieht die Sache trotz eines Sieges beim letzten Lauf zur Superbike-WM 1999 im japanischen Sugo eher nüchtern. Den Gewinn der WM 2000 mit dem derzeitigen Material hält selbst der Berufsoptimist für eher unwahrscheinlich.
Doch auf die ZX-7RR wird er sich auch in der kommenden Saison verlassen müssen. Akiras Arbeitsgerät wird zwar stetig weiterentwickelt, sensationelle Quantensprünge aufgrund der vorgegebenen Basis sind allerdings nicht zu erwarten. Dennoch, was dem tapferen Yanagawa und seinem spanischen Teamkollegen Gregorio Lavilla zur Verfügung steht, ist alles andere als von gestern. Davon konnte sich MOTORRAD auf der GP-Strecke von Valencia überzeugen.
Ein Superbike zu fahren kann mitunter eine mächtig anstrengende Sache sein. Vor allem auf einer so engen und winkligen Strecke wie Valencia. Den brachialen Schub des Superbikes auszukosten, bleibt kaum Raum und Zeit. Der zirka 170 PS starke Vierzylinder-Motor gibt sich kernig, aber nicht ungehobelt. Ähnlich dem Serienpendant röchelt er grimmig nach Luft und untermalt mit zornigem Ansauggeräusch den beeindruckenden Vorwärtsdrang, der schon bei Drehzahlen um die 8000/min einsetzt. Ab diesem Punkt ist es denn auch müßig, sich über mangelnde Leistung zu beklagen, hat man doch alle Hände voll damit zu tun, gegen das aufstrebende Vorderrad zu kämpfen. Kaum sind ein, zwei Gänge auch nur ansatzweise voll durchbeschleunigt, lauert bereits die nächste Ecke. Eigentlich schade, da das Drehzahlrepertoir des mit serienmäßigen Stahlventilen bestückten Aggregats bis 15200/min reicht.
Was solls, für langes Bedauern bleibt keine Zeit. Mit zwei Fingern die traumhaften, radial veschraubten Brembo-Zangen bemühen, gleichzeitig zwei Gänge runterknüppeln und einfach abwinkeln. Hört sich gemein an ist es aber nicht. Denn neben den perfekt dosierbaren Stoppern sorgt eine spezielle Kupplung aus der Fertigung von Fahrwerksspezialist und Ex-Grand Prix-Pilot Eskil Suter für einen reibungslosen Ablauf solcher Aktionen. Über einen ausgeklügelten Federmechanismus lässt sich diese Rutsch-Kupplung stufenlos einstellen. Das Bremsmoment des Motors wird je nach Gusto des Fahrers mehr oder weniger stark auf das Hinterrad übertragen. »Akira kontrolliert über diesen Bremseffekt das spektakuläre Sliden des Hecks beim Einbiegen«, erklärt Teamchef Eckl. Wir lassen das lieber und staunen über das neutrale Fahrverhalten. Jedes Serienmotorrad würde angesichts solcher Misshandlungen nämlich einfach geradeaus hoppeln.
Ganz von allein fällt die Kawasaki allerdings auch nicht ins Eck. Sie verlangt vielmehr nach einem deutlichen Lenkimpuls. Vor allem in der schnelleren Schikane kurz vor der Zielgeraden ist es mit lässiger Gewichtsverlagerung nicht mehr getan. Hier macht sich der Werksrenner mit all seiner Masse bemerkbar. 162 Kilogramm fahrfertig ohne Sprit sind dabei nicht das Problem. Es sind vielmehr die äußeren Abmessungen, welche die Grüne hemmen. Der ausladende Alu-Brückenrahmen, der voluminöse 24-Liter-Tank und die breite Sitzbank wirken bei schnellen Schräglagenwechseln hinderlich.
Ein letzter Knick, im ersten Gang durchfahren, und endlich ist sie da, die Zielgerade. Der Motor kreischt in den höchsten Tönen. Als wenn er nie etwas anderes getan hätte, drückt der linke Fuß dank des Tellert-Schaltautomaten blitzschnell die sechs Gangstufen durch. Fast aus dem Stand katapultiert die ZX-7RR in weniger als 15 Sekunden auf 260 km/h - Respekt. Und genauso brutal verzögert die Rakete am Ende der Geraden auch wieder. Erneut bedarf es einiger Kraft, um dann wie an der Schnur gezogen durch den schnellen Linksknick zu zirkeln. Mit der Stabilität hat die Kawa keine Probleme, so viel ist sicher.
Große Probleme scheint das Werksteam ohnehin nicht zu kennen. Seit der Verwendung der neuen Suter-Kupplung legen die Fahrer prima Starts hin, und die Leistungsausbeute der acht zur Verfügung stehenden Werksmotoren reicht, um mit den Werks-Honda mithalten zu können. Zur Anpassung auf unterschiedliche Strecken kommt man beim Fahrwerk mit geringfügigen Veränderungen von Lenkkopfwinkel und Position der Schwingenlagerung ebenso gut zurecht wie mit dem Einsatz verschiedener Vergaserbatterien. Auf schnellen Kursen finden große 41er, auf engen wie hier in Valencia die drehmomentfördernden 39er-Keihins Verwendung. Und Gregorio Lavilla gewöhnt sich offensichtlich endlich an die Eigenheiten der ZX-7RR und brennt eine Rekordrunde nach der anderen in den spanischen Asphalt.
Zeit, sich zurückzulehnen, findet im Eckl-Team allerdings niemand. Rund 25 Testtage und 14 Rennwochenenden stehen für die Mannschaft pro Jahr auf dem Programm (zirka 10000 Liter Rennsprit laufen dabei durch die Vergaser), alle 1500 Kilometer müssen die Motoren überholt werden. »Wenn alles optimal läuft, ist der Vizeweltmeister-Titel nächstes Jahr drin«, meint Eckl. Doch auch wenn Bewährtes zweifellos manchmal Vorteile hat, würde er sich über ein neues, leistungsfähigeres Basismotorrad wahrscheinlich nicht minder freuen. Das ist aber zur Zeit noch nicht in Sicht.