Honda Fireblade SP 2015 im PS-Performance-Test

Honda Fireblade SP (2015) im PS-Performance-Test Pures, unverfälschtes, wildes Eisen

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Marc Márquez brennt die Welt her. Aber die Honda Fireblade SP gerät ins Hintertreffen. Was denkt sich das Flügelimperium? Und wie schlägt sie sich im PS-Performance-Test?

Pures, unverfälschtes, wildes Eisen andreasriedmann.at
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Es war dringend. Ich musste mit der Honda Fireblade SP sprechen. Wie kann es sein, dass das mächtige Flügelimperium einerseits im MotoGP den vollen Ehrgeiz zeigt und unfassbar hoch entwickelte Maschinen einsetzt, und andererseits einfach zuschaut, wie andere Serien-Supersportler die Fireblade demütigen?! Was ist denn da los?

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Ich machte also ein Rendezvous mit der Honda Fireblade SP (Modelljahr 2015) aus und sprach Klartext: „Du bist wahnsinnig fesch. Überhaupt im Repsol-Kleid. Und die Nummer vom Márquez, die dir niemand wegnehmen kann, steht dir mördergut. Du hast die feine Öhlins-Ware, ein perfekt ausbalanciertes Chassis mit einer mächtigen Schwinge, die ein Kunstwerk ist, und einen harsch zubeißenden Monoblock-Anker mit Renn-ABS. So gesehen bist du einfach ein Wahnsinn. Aber – verzeihe mir meine Direktheit – du bist einfach nicht mehr die erhabene Königin des Supersports. Dir fehlen 20 PS und du hast 10 Kilo zu viel. Außerdem fahren die Spitzen-Raketen jetzt mit rennorientierter Elektronik auf, die selbst dem Wappler das volle Einnieten am Kurvenausgang ermöglicht.“

Fireblade SP: "Willst du ein Wappler sein?"

Die Fireblade fiel mir ins Wort: „Willst du ein Wappler sein?“, „Nicht unbedingt“, antwortete ich wahrheitsgemäß, „aber das gefahrlose Schnellsein am Kurvenausgang hat schon seinen Reiz. Man schenkt irgendwie beherzter und lockerer ein, wenn niemand mit der imaginären Gipskeule herumfuchtelt. Außerdem: Marc Márquez ist hundertpro kein Wappler. Ob er tatsächlich ein Jahrhunderttalent ist, vermag ich nicht zu sagen, da die irrsinnig ausgeklügelte Honda-MotoGP-Elektronik den kritischen Blick erschwert. Gefühlsmäßig denke ich, ohne Fahrhilfen wäre er nicht so rasch so weit gekommen, weil man das manuelle Dosieren einer plus 240-PS-Tausender im permanenten Grenzbereich halt nicht von heut auf morgen lernt – auch der Márquez nicht. Ohne Elektronik hätte ihn Dottore Valentino fürchterlich hergerichtet – zumindest in der ersten Saison.“ Die Honda Fireblade SP seufzte: „Wenn ich das richtig verstehe, forderst sogar du jetzt schon Elektronik für mich.“

Ich nickte entschuldigend: „Geliebte Honda Fireblade SP, ich bin so wahnsinnig stolz, wenn ich mit dir unterwegs bin. Nicht nur, weil ich dein Aussehen und dein Charisma über alle Maßen schätze, sondern auch, weil ich dir blind vertraue. Du bist das käufliche High-End des Flügelimperiums und bis ins letzte Detail ausgereift. Wenn ich in tiefer Schräglage in den Radius steche, gibt es einen Punkt, an dem das Vorderrad ganz leicht zu schmieren beginnt. Ich spüre diesen Punkt so klar wie auf kaum einer anderen Maschine und kann – wenn ich einen guten Tag habe – mit etwas Druck am schleifenden Knie den Grenzbereich wieder verlassen, ohne dass wir beide die schnelle Linie aufgeben müssen oder gar ins Kiesbett rodeln. Das gibt mir viel, das macht mich glücklich. Ich persönlich glaube zwar nicht, dass Stürzen eine Schande ist, aber mir schmeckt das Schnitzel einfach besser, wenn ich mich vorher nicht irgendwo im Dreck gewälzt habe. Abgesehen davon, dass dein wunderschönes Kleid sowieso nicht schmutzig werden darf.“

Supersportler
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Fireblade SP: "Sind die Yamaha und die Bayrische besser?"

Heikel, sehr heikel. Als ich vor Jahren bei einer Honda-Präsentation die damals brandneue 125er-Varadero sehr forsch bedient hatte, scharten sich drei offizielle japanische Hondianer um mich und wollten wissen, was ich von der Maschine halte. Ich schwelgte in höchsten Tönen, und sie hingen an meinen Lippen und nickten gefällig. Die Szene änderte sich aber dramatisch, als ich auf die Frage nach dem Vergleich mit der TDM 125 von Yamaha antwortete: „Das kann man nicht vergleichen. Die TDM hat einen scharfen, sehr spritzigen Zweitaktmotor, der natürlich deutlich stärker anreißt …“ Weiter kam ich nicht. Sie drehten sich alle wie auf Kommando am Absatz um und ließen mich einfach stehen. Wortlos. Honda und Yamaha, das ist echte Konkurrenz, nicht lustig, da hört der Spaß auf. Das ist noch ärger als Österreich und Deutschland. BMW wird in diesem Zusammenhang wie Finnland oder Schweden nur am Rande wahrgenommen. Insofern eröffnete ich jetzt relativ unverfänglich mit der S 1000 RR: „Naja Honda Fireblade SP, das bayrische Superbike spielt technisch schon in einer anderen Liga.

Rein vom mechanischen Grip her bist du noch voll dabei, deine Geometrie ist perfekt und das Öhlins-Zeug phänomenal, aber in der S 1000 RR werkelt eine unfassbar hoch entwickelte Elektronik, die in jeder Kurve mindestens ein paar Hundertstel bringt, manchmal sogar Zehntel. In Summe ergibt das eine mörder Rundenzeit – ohne großes Risiko. Und dann noch die 20 PS plus und die 10 Kilo minus. Um deine Frage zu beantworten: Ja, die BMW S 1000 RR ist auf der Rennstrecke besser als du, und die neue Yamaha YZF-R1 ziemlich sicher auch. Ich bin Japans neue Supersport-Ikone noch nicht gefahren, aber Graf Seitzmo war begeistert. 199 Kilo, 200 PS, MotoGP-Elektronik. Verstehe mich nicht falsch, für mich persönlich bist du ein Knaller, ein Wahnsinnseisen, eine Göttin, aber warum sie dich gegen den Trend schwimmen lassen, verstehe ich nicht. Honda ist doch der Elektronik-Gigant schlechthin. Die haben motorisierte Einradhocker, die mittels Gewichtsverlagerung gesteuert werden, und humanoide Roboter, die tanzen können. Ich glaube, im Ernstfall haben sie sogar spooky Breakdance zum Radetzkymarsch drauf. Und dir, liebe Honda Fireblade SP, geben sie weniger als nichts.“

Ich: "Wann pflanzen sie dir den V4 ein?"

Die Honda Fireblade SP flüsterte: „Sie denken schon lange darüber nach. Doch Supersport ist derzeit im Verkauf so wichtig wie Rinderfilet im veganen Feinkostladen. Vielleicht ändert sich das gerade wieder. Aber die Zeichen stehen nicht günstig. Überall auf der Welt gibt es – abgesehen vom Paradies in Deutschland – immer strikter werdende Gesetze und effizientere Überwachung. Im ersten Gang marschiere ich 150 km/h. Das reicht locker zum Entzug der Landstraßen-Lizenz. Ich halte aber noch fünf weitere Gänge bereit. Und dabei bin ich – wie du ja schon mit nüchterner Kälte gesagt hast – gar nicht mehr die Schnellste und Stärkste.“

Ich warf ein: „Aber für mich bist du ja noch immer die Schönste!“ „Jaja, ich weiß“, fuhr die Honda Fireblade SP fort, „aber der Punkt ist, dass Honda zwar eine Mördermarie in den MotoGP bläst, weil man dort der ganzen Welt zeigen kann, dass man die besten Maschinen baut, sich in der Serienproduktion aber auf Motorräder konzentriert, die sich in hohen Stückzahlen verkaufen lassen. Also nicht auf Supersport, sondern auf kleines, handliches Zeug für den alles dominierenden asiatischen Markt. Und damit die Europäer nicht komplett verzweifeln, bekommen sie Maschinen wie den Crossrunner, die True Adventure und die DCT-Reihe im A2-Segment.“

Ich: "Stürzen sich die Ingenieure ins Schwert?"

Nun ist das Wirtschaftliche die eine Seite, der Stolz und die Ehre die andere. Das wird mancher Honda-Ingenieur ähnlich sehen und damit hadern, dass der Technologieführer tatenlos zuschaut, wie die Konkurrenz überlegenes Material an den Start schiebt.

„Stimmt schon“, sagte die Honda Fireblade SP, „es gibt tatsächlich Ingenieure, die innerlich ausrasten, weil sie an einer 250er herumdoktern müssen, während der Erzgegner Yamaha einen straßentauglichen MotoGP-Ableger bringt. Die BMW-Rakete haben sie leichter verkraftet. Europa kann ihren Stolz nicht berühren. Sie beobachten schon genau, was die Bayern machen, aber ihrem Selbstverständnis nach gibt es nur die Konkurrenz im eigenen Land. Insofern ist die neue Yamaha YZF-R1 jetzt natürlich ein rotes Tuch, ein Angriff auf die Ehre. Und somit eine schlagkräftige Munition für jene Stimmen im Flügelimperium, die eine alles überragende V4-Rennmaschine mit Straßenzulassung fordern. Und es ist ja nur die Frage, ob die wirtschaftliche Vernunft oder der Stolz gewinnt. Die technischen Grundlagen und Lösungen für eine Serientausender, die die Grenzen wieder ein Stück weiter nach oben verschiebt und die Konkurrenz erschüttert, liegen längst produktionsbereit in der Lade. Ich habe das Gefühl, dass Honda bald fürchterlich zurückschlägt. Und in der Zwischenzeit halte eben ich die Stellung.“

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Dann wollte sie noch wissen: "Geht dir etwas ab?"

Keineswegs! Der 181 PS und 114 Nm starke Reihenvierer der Honda Fireblade SP zippt mich dermaßen vehement durch die Welt, dass ich niemals auch nur einen einzigen Gedanken an noch mehr Leistung verschwenden kann. Auf dem Papier sind 200 PS besser als 180 und für jene Piloten, die wirklich schnell sind, mag es auf der Rennstrecke auf der Gerade einen Unterschied machen, aber auf der Straße ist das vollkommen belanglos. Niemand wird schneller am Pass der guten Hoffnung oben ankommen, weil er 200 statt 180 PS hat. Und in Bezug auf das Handling, die Lenkpräzision, das Einlenkverhalten und das Verhältnis von Stabilität und Wendigkeit ist die Fireblade nach wie vor absolut top. Allerdings verlangt sie im Vollbetrieb einen Piloten, der sein Handwerk versteht. Sie bietet keine Hilfestellung. Wer das Gas aufreißt, muss wissen, was er tut. Eine klare Sache im Sinne der Eigenverantwortung. 

Mir taugt das. Ich kupple bei 100 Sachen im zweiten Gang mit ordentlich Gas hart ein, steige in die Galerie und singe das Volkslied: „Es wheelt, es wheelt die Fireblade, solange sich die Erde dreht!“ Aber dem Zeitgeist entspricht diese Elektrolosigkeit eben nicht mehr. Und dem Stand der Technik auch nicht. Ich sagte zur Honda Fireblade SP: „Mir taugt es sogar sehr, dass du noch unverfälscht und pur bist. Quasi ein Wunderwerk der Mechanik. Es gibt aber eine Kleinigkeit, die ich nicht so top finde: die Bremse. Also nicht die Bremswirkung und auch nicht das ABS – beide sind großartig! –, sondern der schwammige Druckpunkt am Hebel. Das gefällt mir nicht. Mir ist schon klar, dass die klare Erkennbarkeit des Druckpunktes bei einem Renn-ABS nicht so wichtig ist, weil die Elektronik den Part des Gefühls übernimmt, aber mir fehlt das irgendwie, und in meinen Augen würde dir ein kerniger Druckpunkt extrem gut stehen.“ Dann setzte ich den Helm auf, legte den Einser ein, und wir fuhren eine Attacke vom Allerfeinsten. Fireblade, du bist so schön, so stark und so mörderleinwand – du altbackenes Stück, du!

Technische Daten Honda Fireblade SP

Messwerte und Fazit

MOTORRAD
Gemessen wurde die Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250.

Messwerte

Die Honda Fireblade SP liefert ihren Druck über 5000/min gut nutzbar ab. Der auch hörbare Drehmomentsprung davor stört allerdings etwas.

Fazit: „Die Honda Fireblade SP hält die Stellung“

andreasriedmann.at
Zonko und die Fireblade beenden ihren kleinen Disput in sinniger Einigkeit - mit einer Attacke vom Allerfeinsten.

Es wird Hondianer geben, die in eine Sinnkrise fallen und mit dem Schicksal hadern, weil die Honda Fireblade SP von den neuen Supersport-Raketen überholt worden ist. BMW und Yamaha schieben Geräte an den Start, die nicht nur eine MotoGP-artige Elektronik haben, sondern auch 10 Kilo leichter und 20 PS stärker sind. Für mich persönlich ist die 181-PS-­Blade aber keineswegs zu schwach, und ich bewundere sie für ihre Zurückhaltung im Bereich der Elektronik. Pures, unverfälschtes, wildes Eisen. Die Frage, die bleibt: wann packt das Flügelimperium die V4-Rakete aus?  

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