Wer verkaufen wollte, machte für seine Serienware Werbung mit rasanten Sportmodellen und deren Erfolgen. So lief das vor und auch nach dem Krieg. Anders bei den adeligen Gebrüdern (italienisch: Fratelli) Boselli (deshalb der Firmenname: FB). Die hatten noch gar nichts zu verkaufen. Sahen aber sehr wohl, dass sich in ihrer Heimat ein gigantischer Markt entwickeln würde, und beschlossen deshalb, schon mal mit
der Werbung anzufangen. Denn immerhin hatten sie einen 125er-Sportler. Den nannten sie ganz unbescheiden Mondial und schickten ihn Ende 1948 in sein erstes Rennen. Wegen einer lächerlichen Panne schied er, in aussichtsreicher Position liegend, aus. Danach brach er ein paar Weltrekorde, anschließend holte er dreimal hintereinander den WM-Titel sowie nationale Meisterschaften zuhauf. Irgendwann entstanden auch schicke Modelle für jedermann, und die hießen dann selbstverständlich ebenfalls FB Mondial.
So sieht die Kurzform einer Geschichte aus, die heute undenkbar wäre und die natürlich noch eine Vorgeschichte hat. Also: Schon vor 1939 hatten sich Giuseppe Boselli und seine Brüder in der Fahrzeugbranche engagiert und motorisierte Dreiräder hergestellt. Bereits damals pflegten sie enge Kontakte zu Oreste Drusiani und dessen Sohn Alfonso. Durch deutsche Truppen wurden die Produktionsanlagen in Bologna allerdings komplett zerstört, einen Neuaufbau sollte es in Mailand geben. Und aus diesem Anlass zeigte Alfonso 1948 seinen bereits fertig entwickelten Renner her. Man fragt sich, woher ein junger Mann im Nachkriegs-Italien überhaupt den Mut nahm – und das Geld – für die Konstruktion eines Rennmotorrads.
Aber egal. Da stand es nun und wirkte trotz seiner zierlichen Ausmaße wie ein riesiges Ausrufezeichen. Drusiani hatte nämlich keinen preiswerten Zweitakter aufgebaut wie MV Agusta und Morini
zu jener Zeit. Auch keinen gewöhnlichen ohv- oder ohc-Viertakter, nein, es musste vom Allerfeinsten sein, und deshalb treibt bei seinem Motor eine Königswelle mittels fünf winziger Zahnrädchen gleich zwei obenliegende Nockenwellen an. Ein Bialbero! Zum Niederknien. Doch als die ersten staunenden Landsleute wieder aufgestanden waren, meinten sie zweifelnd, solch filigranes Wunderwerk könne niemals eine komplette Renndistanz durchstehen, ganz zu schweigen von einem der in Italien so beliebten Langstreckenrennen.






Zum Glück zählte Giuseppe Boselli nicht zu jenen Bedenkenträgern, sondern ließ seinen Ingenieur gewähren. Der Erfolg gab ihm recht (siehe Kasten: Renngeschichte, Seite 84), und als dieser sich gegen Mitte der 50er dünner machte, weil auch andere hochdrehende Viertakter zu bauen verstanden, da wusste der Graf, wo er nachhaken musste. Drusiani hatte sich nämlich in Bologna selbstständig gemacht und verkaufte unter dem Namen Comet eigene – natürlich ambitionierte – Konstruktionen. Zum Glück für Boselli und den Fortgang unserer Geschichte lief dieses Geschäft ziemlich schlecht, und Drusiani kehrte 1956 zurück.
Seine Aufgabe: Die 125er wieder und eine 250er erstmals an die Weltspitze bringen. Bei den Viertellitern hatten nämlich weder Versuche mit auf 216 cm³ ausgequetschten kleinen Motoren noch einer zu schwer geratenen Zweizylinder Erfolg gebracht. Also entwarf Drusiani gleich einen nagelneuen Single. Aus dieser aufgeregten Schaffensperiode stammt auch die hier gezeigte 125er. Ihr Rahmen, den sie sich praktischerweise mit der 250er teilt, wurde gegenüber der vorherigen Version sichtbar versteift, vertraut aber weiterhin auf ein zentrales Oberrohr und zwei weit geschwungene Unterzüge. Bereits seit 1954 setzte FB Mondial auf die Telegabel. Schon anlässlich der Twin-Entwicklung gab es Versuche mit mechanischen Scheibenbremsen, letztlich zogen aber alle WM-Renner mit Duplex-Trommelbremsen los. Das Triebwerk war ebenfalls stetig weiterentwickelt worden, die Schwungscheibe war ins verbreiterte Gehäuse gewandert, die Getriebewellen konnten schließlich zwischen fünf und sieben Gangradpaare aufnehmen, je nach Streckenprofil. Der Einlasskanal ragt steil empor, zwei Kerzen entzünden das Gemisch. Gut 17, vielleicht sogar 18 PS soll die Mondial entwickeln, das reichte 1957 zum Triumph in der Fahrer- und Markenwertung der WM. Der gelungene Auftritt in dieser mit MV heiß umkämpften Saison fand übrigens einen berühmten Bewunderer: Auch Soichiro Honda plante damals, den Sport als Marktöffner zu benutzen. Studienhalber sah er einige Rennen der Mondial, war hin und weg, bat Giuseppe Boselli spontan, ein Exemplar kaufen zu dürfen. Bei einem Besuch in Italien wurde es ihm überreicht, heute steht es gleich vornan im Honda-Museum.





Der aktuelle Besitzer des Classic-Fotomodells zählt ebenfalls zu den glühenden Fans dieses epochalen Renners. Über zwei Jahrzehnte hat ihn seine Maschine durch viele VFV-Rennen getragen. Anfang der 80er-Jahre hat er sie aus Frankreich übernommen, von einem Herrn, der sie partout als 250er verkaufen wollte. Die aber treibt ihre Nockenwellen per Zahnradkaskade an, was dem Franzosen wurscht war. Darüber kam es fast zum Streit, schließlich wurde man sich trotzdem einig. Als das Motorrad in der heimischen Garage stand, hat der stolze Käufer dennoch kurz den Zylinderkopf gelupft und nachgemessen. Alles klar, eine 125er. Nur für WM und italienische Meisterschaft produziert, dürfte kaum mehr als eine Handvoll von diesem Typ entstanden sein. So was sollte besser nie kaputtgehen. Tat es dann aber doch, weil sich ein Loch in den Kolben brannte und später das Pleuel festging. Erst einige Jahre später war die Kurbelwelle für ein größeres Pleuellager umgebaut und neu gewuchtet. Danach schnurrte es nur so, ließ sich das hervorragend stabile Fahrwerk richtig nutzen. Besser noch, und das weiß dieser Mann sehr genau, als mit der Duc von Herrn Taglioni. Der war von FB Mondial abgeworben worden und stellte 1956 einen neuen Grand Prix-Renner hin. Bialbero, klar, nur lange nicht so erfolgreich wie die Mondial.