Viertelmeilenrennen Kawasaki Ninja H2 vs. MSG-Triumph Rocket III

Kawasaki Ninja H2 vs. MSG-Triumph Rocket III "The Beast" Hubraum gegen Ladedruck

Die Triumph Rocket III darf auf der Startbahn von der Leine: 2300 cm³, bis an die Zähne getunt. Der Gegner trägt Kompressor: Kawasaki H2. Zweimal 200 Pferde, zweimal Drehmoment satt. Stammtischfutter: Hubraum gegen Ladedruck!

Hubraum gegen Ladedruck jkuenstle.de
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Flugplatz Neuhausen. Maximale Anspannung. In wenigen Augenblicken fällt die Flagge zum Viertelmeilen-Sprintduell: Hubraum gegen Ladedruck, Tuner gegen Serie. Ein Gewitter liegt In der Luft, dahinein mischt sich jetzt der herbe Geruch von verbranntem Gummi. Hier wie da öffnet ein sauber definierter Burn-out das ganze klebrige Potenzial der Mischung. Der Klangteppich föhnt die Nackenhaare: Hier saugt ein mächtiger Reihendreizylinder durch freie Filterpilze, verdichtet hoch, zündet in sägendem Gebrüll sein Gemisch, zornt aus Drei-in-Wenig ungeniert akustische Lebensbejahung in die Bodenseeregion. Da zwingt ein Kompressor seine Atemluft mit bis zu 2,4 bar in einen Reihenvierzylinder, der aus einem Serienauspuff zwar verhaltener tönt, aber dessen bitterbös pfeifender Unterton nicht minder schlimme Gewalt verheißt. Beide finden ihre Startdrehzahl. Hier die bellende MSG-Triumph Rocket III "The Beast", dort die zwitschernde Kawasaki Ninja H2. Vor beiden liegt die Viertelmeile, gefolgt von einem weiteren Kilometer schnurgerader Piste. Dahinter Zaun. Auf die Plätze …

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Vor dem geistigen Auge läuft noch einmal die Startprozedur ab: tief einatmen, Horizont fixieren, Zweidrittel-Nenndrehzahl. Beim Signal die Kupplung entschlossen, aber gefühlvoll einrücken lassen, von da an nur noch Vollgas. Bloß kein Zehntel mit zu viel Schlupf vergeuden. Einen Wimpernschlag später den Zweier nachlegen, dann für Gang drei, vier die optimale Schaltdrehzahl wenige Hundert Umdrehungen diesseits des Begrenzers finden. Maximale Konzentration. Fertig …

Was davor geschah:

An einem verregneten Bürotag ploppt auf dem Monitor eine denkwürdige E-Mail auf. In Rheinberg, etwas flussabwärts nördlich von Duisburg, hat sich ein Fahrlehrer (!) eine Rocket III Roadster beim Triumph-Veredler MSG nach allen Regeln der Kunst heißmachen lassen: durchlassfreudige Einzelluftfilter, große Ventile, bearbeitete Nockenwellen, hochverdichtende Schmiedekolben, speziell angefertigte Krümmeranlage, offener Auspuff, geändertes Mapping. Frei von elektronischen Fesseln. "An die 200 PS, über 230 Newtonmeter", steht da. Na hoppla, damit kann man Fahren üben. Die Optik? Clean und böse: null Chrom, noch weniger Firlefanz, stattdessen viel Schwarz und mattes Military-Grün. 40 Kilo soll sich der Koloss so abtrainiert haben. "The Beast" prangt in stolzen Lettern auf den Seitenemblemen. Und spätestens da wird klar, dass so etwas erstens viel Auslauf braucht und zweitens kein Opfer, sondern einen ernsthaften Gegner.

Warum nicht gleich den Endgegner? Auftritt Kawasaki H2. Schon elend lange beehrte die garstige Über-Ninja, die auch das Dienstfahrzeug von Darth Vader sein könnte, nicht mehr die Redaktion. 215 PS mit Ram Air und 134 Newtonmeter stellen die Grünen in Aussicht. Gerade recht, ein bisschen Reifenverschleiß herbeizuführen, und für den Hausfrauentest einer generationenalten Stammtischfrage: Ist Hubraum wirklich durch nichts zu ersetzen?

Viertelmeilenrennen - Start

Die Antwort folgt im Hier und Jetzt auf der Startbahn. Die Flagge sinkt. Feuer!

Beide Fahrer ziehen schneller als ihr Schatten. In einer wundervoll durchorchestrierten Zeremonie verwandeln zwei Verbrennungsmotoren Sauerstoff und fossile Energie in Drehmoment – entfesselte Naturgewalt nimmt in Form von Beschleunigung ihren Lauf. Hier massieren die 230 Newtonmeter des "Beast" den 240er-Pneu durch die Kardanwelle hindurch, dieser hakt unter der enormen Hinterradlast sofort ein – derart vorgewärmt und auf dem groben Neuhausener Asphalt ist Wheelspin selbst beim Metzeler Marathon praktisch kein Thema. Viel Power, viel Grip und immer noch viel Masse (322 Kilo fahrfertig) bringen aber die Kupplung in Bedrängnis. Die rückt trotz verstärkter Federn unter diesen Bedingungen mit weniger Biss ein, als man es sich für die Viertelmeile wünschen würde – da wäre mehr drin. Dann Kraftschluss: Das "Beast" reißt den Einser mit einem kurzen "Braaap" durch, in der knochigen Gangbox findet sich Anschluss, der Reifen wimmert kurz, dann verschlingt das Aggregat auch Gangstufe zwei. Extrem, wie dieses Monster die Eisenrakete voranschleudert. Erst im dritten wird die Beschleunigung auskostbar­. Atmen. Blick nach nebenan.

Dort ringt der Kawa-Pilot auf den ersten Metern mit einer anderen Dragrace-Stellgröße. Standfestigkeit und Biss der Kupplung sind unkritisch, Haftung bietet der 200er-Bridgestone RS10 im Überfluss. Nein, die kompakte Kompressormaschine hat ein anderes Problem: Im Gegensatz zur schweren, mit ewigen 1695 Millimetern Radstand gesegneten Englandwumme schnappt ihr Vorderrad entweder beim Einkuppeln oder im hinteren Drehzahldrittel des ersten Ganges schlagartig nach oben. Kurze 1455 Millimeter Radstand des Sportbikes setzen am Start das physikalische Beschleunigungs­limit, da kann sich der Pilot noch so sehr nach vorne legen. Stumpfes Vollgas verbietet sich also. Ein leichtes, so eben über die Piste segelndes Vorderrad ist der ideale Start (daher: Traktionskontrolle aus), und der verlangt angesichts der derb ansteigenden Kompressorpower eine geübte Gashand. Selbst wenn jener perfekt gelingt, liegen Kawasaki H2 und MSG-Triumph Rocket III auf den ersten Metern Vorderrad an Vorderrad: Beide erreichen nach 1,7 Sekunden (oder 10,5 Metern) 50 Stundenkilometer.

Wie ein Bremsfallschirm am Lenker

Dann allerdings, spätestens wenn die MSG-Triumph Rocket III bei 80 Stundenkilometern den ersten, Hundertstel zehrenden Gangwechsel braucht, drückt der Kompressor die Kawasaki H2 gnadenlos davon. Runde 80 Kilo weniger Gewicht, etwas kürzere Schaltunterbrechungen (trotz eines prüfstandsbedingt ausgefallenen Quickshifters), längere Gänge – die 200-Meter-Marke passiert die geladene Kawa nach 6,9 Sekunden mit argen, GPS-verifizierten 192 Stundenkilometern, verlangt erst danach nach dem vierten Gang. Noch aber drückt die Rocket III tapfer dagegen, an der gleichen Stelle beträgt der Rückstand 0,5 Sekunden und 24 Stundenkilometer. Schwer respektabel für einen Heavyweight-Cruiser.

Ab jetzt aber fährt sie ein verlorenes Rennen, denn nun wird der Luftwiderstand, der im Quadrat zur Geschwindigkeit steigt, zur bestimmenden Größe. Während sich der Kawasaki-Pilot hinter der Verkleidung windschlüpfig machen kann, das ganze Geschoss strömungsgünstig die Piste hinunterzischt, hängt der Rocket Man wie ein Bremsfallschirm am Lenker. Der gepimpte 2,3-Liter scheint zwar die Naturgesetze zu dehnen – doch außer Kraft setzen kann er sie nicht. Die 400 Meter durchsticht die Kawasaki H2 nach atemberaubenden 10,2 Sekunden mit 238 Sachen. Mit längerer Schwinge (und Quickshifter) wäre eine Neun vorne drin – Drag-Race-Olymp! Anders betrachtet: Gerade einmal 2,9 Sekunden nach der Halbdistanz hat die H2 die restlichen 200 Meter zurückgelegt. Der Rückstand der MSG-Rocket beträgt dann 61 Meter beziehungsweise 1,1 Sekunden: 11,3 Sekunden für die Viertelmeile, die sie bei 202 Stundenkilometern passiert. Zweiter Sieger trotz spektakulärer Performance. Nur mal so als Referenz: Damit ist "The Beast" schneller als ein 660 PS starker Zwölfzylinder-Lamborghini.

Kompressor für die Rocket III

Also: Ladedruck schlägt heißgemachten Hubraum – in diesem Rennen. Streng wissenschaftlich müsste man nun natürlich ergänzen, dass beide Motoren in völlig unterschiedlichen Maschinen stecken, die Kawasaki H2 das Rennen in erster Linie aufgrund ihres Gewichtsvorteils und wegen der besseren Aerodynamik gewinnen konnte. Was soll’s, auch Bastian Glacer, MSG-Chef und Erbauer des "Beast", sieht’s gelassen. Spaß hatten wir allemal, auch wenn die Triumph-Kupplung am Ende völlig abgeraucht ist. "Kein Problem, der Fahrlehrer will sowieso einen Kompressor für die Rocket III. Stärkere Kupplung rein, und wir sehen uns wieder!" Wir freuen uns drauf.

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