Das war zu erahnen: Nach dem kleinen Einstiegs-Sportflitzer RC 125 bringen die Österreicher die KTM RC 390. Ein quirliger 44-PS-Einzylinder mit sensationellem Handling.
Das war zu erahnen: Nach dem kleinen Einstiegs-Sportflitzer RC 125 bringen die Österreicher die KTM RC 390. Ein quirliger 44-PS-Einzylinder mit sensationellem Handling.
Seit Stefan Pierer bei KTM das Sagen hat – und das sind nun bereits 22 Jahre –, gibt es bei den Orangefarbenen nur eine Richtung: aufwärts! Unter seiner Ägide entwickelte sich das Unternehmen vom Pleitekandidaten zum – nach Stückzahlen – größten Motorrad-Hersteller Europas. Nur mit stollenbereiften Bikes allein wäre der Aufstieg irgendwann ins Stocken geraten, weswegen der asphaltierte Teil der Welt in den Focus der Österreicher rückte. Die ersten Versuche mit der Reiseenduro Adventure ließen sich gut an. Später schickten sich die Funbikes der Duke-Reihe an, den Markt aufzumischen. Lediglich das Superbike RC8 blieb im Verkauf hinter den Erwartungen zurück.
Seit 2007 ist der indische Bajaj-Konzern, einer der größten Zwei- und Dreirad-Hersteller der Welt, Teilhaber von KTM. Somit waren die Voraussetzungen gegeben, eine neue Modellpalette in den unteren Hubraumklassen zu entwickeln. Das erste Produkt dieser Verbindung war die 2011 vorgestellte Duke 125 – auf Anhieb ein Erfolg. Ihr wurden später noch Varianten mit 200 und 390 cm³ zur Seite gestellt, wobei die 390er einen komplett neu entwickelten Antrieb bekam. Laut KTM wurden allein in den letzten zwölf Monaten weltweit 30.000 Einheiten der drei kleinen Dukes verkauft, was zirka 25 Prozent der Gesamtproduktion entspricht. Ein Volltreffer also. Zu diesem könnte auch die jüngst präsentierte RC-Familie werden. Der Startschuss erfolgte mit der bereits vorgestellten RC 125, jetzt schieben die Österreicher die größere Schwester KTM RC 390 nach.
Bei der Entwicklung der KTM RC 390 orientierten sich die KTMler an den Vorgaben der A2-Führerscheinregularien. Diese verlangen zum Beispiel ein Leistungsgewicht von maximal 0,2 kW/kg. Ein Motorrad mit der erlaubten Höchstleistung 48 PS muss demzufolge 175 kg auf die Waage bringen. Und da die 390er mit 44 PS homologiert ist, kann man daraus schließen, dass sie vollgetankt wohl um die 160 Kilogramm wiegen wird. Der erste Eindruck überzeugt zunächst: Aufwendige, fein gemachte Bauteile wie zum Beispiel die gegossene Aluminium-Schwinge erfreuen das Auge des Betrachters. Bei näherer Betrachtung fallen große Plastikoberflächen und Schrauben auf, die qualitativ nicht ganz mit den in Mattighofen produzierten Modellen mithalten können. Während Motor, Auspuff, Räder, Schwinge, Cockpit und viele Kleinteile der RC unverändert aus der 390er-Duke stammen, wurde der Rahmen leicht abgeändert. Der Lenkkopf steht um 1,5 Grad steiler, der Nachlauf beträgt handlingfreudige 88 mm.
Bei der ersten Funktionsprobe des Fahrwerks der KTM RC 390 im Stand fällt der große Unterschied zwischen der satt gedämpften und träge ansprechenden, nicht einstellbaren Upside-down-Gabel und dem recht weich und unterdämpft erscheinenden Federbein auf. Laut KTM sei diese Auslegung durchaus beabsichtigt, das Federbein habe eine recht progressive Feder, um auch bei leichteren Fahrern ein sensibles Ansprechverhalten zu erreichen.
Und in der Tat, beim Fahren fühlt sich das Federbein der KTM RC 390 keineswegs unterdämpft an. Die Unterbringung des Piloten ist wie bei modernen Sportbikes üblich: sportlich, aber nicht unbequem. Die Lenkerstummel liegen angenehm hoch. Die ersten Meter geht es auf kleinen, gewundenen Sträßchen in die Berge. Dermaßen eng, dass das vermeintliche Leistungsmanko überhaupt nicht als solches empfunden wird. Sicher reißt das 373 cm³ große Triebwerk keine ganz großen Bäume aus, untenrum läuft es aber kultiviert. Ab zirka 6500/min, die man auf dem winzigen Drehzahlmesserbalken kaum ablesen kann, packt es dann sein Hämmerchen aus und dreht flott bis zum Begrenzer bei 10.500/min. Die sechsgängige Schaltbox arbeitet leichtgängig, allerdings sprangen zumindest beim gefahrenen Exemplar gerne mal die Gänge heraus.
Leichtfüßig folgt die KTM RC 390 dem Straßenverlauf. Bei einsetzendem Regen konnte das wie bei der 125er serienmäßige Zweikanal-ABS von Bosch seine Wirksamkeit beweisen. Es arbeitet mit kurzen Intervallen und pulsiert im Handhebel gerade so stark, dass der Regelbereich wahrgenommen wird. Weniger funktional sind die Rückspiegel, außer der eigenen Kombi sieht man darin nichts. Dafür machen sie ihren Job als Blinkerhalter sehr gut. Sie sind ebenso wie der Kennzeichenhalter leicht und schnell zu demontieren, denn eine KTM soll ja auch stets „Ready to Race“ sein.
Ihre Tauglichkeit in dieser Beziehung konnte die mit Metzeler Sportec M5 Interact bereifte KTM RC 390 auf dem kleinen, aber feinen Autodromo di Modena unter Beweis stellen. Gerade für Rennstrecken-Einsteiger ist die KTM keine schlechte Wahl, denn sie erzieht zu einem runden und präzisen Fahrstil, da man Fahrfehler nicht mit Motorleistung auf der nächsten Geraden wettmachen kann. Zudem wird der Pilot von der Power nicht überfordert. Allerdings stößt auf dem engen Kringelkurs die vordere Bremse an Grenzen der Belastbarkeit, zudem setzen Verkleidungskiel und Fußrasten in großer Schräglage auf. Dennoch bereitet die RC 390 auch auf dem Racetrack eine Mordsgaudi, solange die Geraden nicht zu lang sind. Und mit 5595 Euro ist der Spaß auch bezahlbar.
Motor: Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 46 mm, geregelter Katalysator, Batterie 12 V/8 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, X-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 15:45.
Bohrung x Hub: 89,0 x 66,0 mm
Hubraum: 375 cm³
Verdichtungsverhältnis: 12,5:1
Nennleistung: 32 kW (44 PS) bei 9500/min
Max. Drehmoment: 35 Nm bei 7250/min
Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminiumguss, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 300 mm, radial montierter Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 230 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder3.00 x 17; 4.00 x 17
Reifen: 110/70 ZR 17; 150/60 ZR 17
Bereifung: Metzeler Sportec M5 Interact
Maße+Gewichte: Radstand 1340 mm, Lenkkopfwinkel 66,5 Grad, Nachlauf 88 mm, Federweg v./h. 125/150 mm, Sitzhöhe 820 mm, Leergewicht ca. 155 kg, zulässiges Gesamtgewicht k. A., Tankinhalt 10 Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Schwarz/Weiß
Preis: 5595 Euro
Nebenkosten: zirka 200 Euro