Der legendärste V-Vier unter dieser Sonne ist jener, der die Honda VFR 750 R RC 30 befeuert. Und rund um dieses fabelhafte Triebwerk wurde ein Chassis gebaut, das heute noch begeistern kann. PS drehte ein paar Runden auf dem Vau der Vaue.
Der legendärste V-Vier unter dieser Sonne ist jener, der die Honda VFR 750 R RC 30 befeuert. Und rund um dieses fabelhafte Triebwerk wurde ein Chassis gebaut, das heute noch begeistern kann. PS drehte ein paar Runden auf dem Vau der Vaue.
Hell tickernd kühlt der recht lässig, links unter dem wuchtigen Heck hängende Titanauspufftopf ab. Mit dem Helm in der Hand stehe ich staunend und nachhaltig begeistert vor dieser „alten Möhre“. Wow, was waren das denn eben für ein paar geile Runden? So richtig fassen kann ich immer noch nicht, was mir da eben auf diesem Motorrad widerfahren ist. Stopp, gehen wir einen Schritt zurück. Vor knapp zwanzig Minuten habe ich eher widerwillig das Angebot angenommen, diese Honda VFR 750 R, auch bekannt unter dem Werks-Kürzel RC 30, über die Strecke zu treiben. Mich schreckten das Alter (biblische 25 Jahre), die tiefe Sitzposition (Low-Rider lässt grüßen) und die Versicherungssumme (stramme 40000 Euro) ab. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein so altes Motorrad heute auf der Renne überhaupt Spaß machen kann. „Wart nur Bursche“, zischelt die RC 30.
Okay, im Stand spricht mich die 750er optisch an. Ihre Proportionen sind nach wie vor sehr stimmig und gemessen an anderen Bikes ihres Alters geradezu grazil. Technisch begeistert die Honda ohnehin. Zum Beispiel wegen der Titanpleuel, der zahnradgetriebenen Nockenwellen, der Einarmschwinge und dem einstell-baren Fahrwerk. Sie hatte Ende der 80er eben alles, was nötig war, um aus dem Stand heraus Rennen zu gewinnen. Und sie tat es auch! Führte 1988 und 1989 Fred Merkel zur Superbike-Weltmeisterschaft. Es folgten Siege auf der Isle of Man und unzählige nationale Titel. Naja, das ist ja gute 100 Jahre her, aber ob sie auch aus heutiger Sicht noch gut fährt?
Nach einem sanften Schubser lande ich im Sattel dieses ehemaligen Alphatiers. Ein etwas kräftigerer ist nötig, um den V-Vier unter mir zum Leben zu erwecken. Sanftes Einrollen beherrscht die erste Runde. Die große Kuppel der Verkleidungsscheibe sorgt für ein behütetes Gefühl, der schmale Tank ermöglicht einen engen Knieschluss. Die RC 30 und ich gewöhnen uns aneinander - die Rundenzeiten fallen proportional zum steigenden Fahrspaß. Und schlagartig wird mir klar, dass dieses Motorrad damals eine unglaublich mächtige Waffe gewesen sein muss.
Mit ihren 17-zölligen -Magnesium-Schmiedefelgen und den gemessenen 128 PS am Hinterrad fährt die Wellbrock-VFR 750 R wie eine gute 600er zu Beginn dieses Jahrtausends! Von wegen „alter Schleifer“, die RC 30 lässt sich spielerisch in die Ecken schmeißen, brennt zielgenau und stabil durch schnelle Bögen und feuert, sofern das Gas über 7500/min aufgeklappt wird, kraftvoll aus ihnen heraus. Sie kann heftig abgewinkelt werden, aufsetzen tut eine RC 30 höchstens mit der ganzen Seite, wenn der Pilot es übertrieben hat. Aber bis dahin ist es ein weiter, spaßiger Weg.
Einzig die Ergonomie erinnert daran, dass man nicht auf aktuellem Material sitzt. Tief im statt hoch auf dem Bike agiert der Pilot - doch was soll’s, so war das früher eben. Viel zu zeitig ist der Turn und damit das erste Treffen mit dieser Rennsport-Legende vorüber. Voller Euphorie und mit Adrenalin im Blut steige ich ab, und vor dem inneren Auge rattert bereits der Taschenrechner. Doch schnell ist erkannt, dass eine so gute RC 30 wohl immer ein Traum bleiben wird. Egal, wenigstens hatte ich für einige Runden das Vergnügen mit ihr.
Antrieb:
Vierzylinder-90-Grad-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 100 kW (136 PS) bei 11500/min, Drehmoment: 80 Nm bei 10500/min, 748 cm³, Bohrung/Hub: 70,0/48,6 mm, Vergaser, 38-mm-Drosselklappen, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe
Fahrwerk:
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,0 Grad, Nachlauf: 91 mm, Telegabel, Ø Gabelinnenrohr: 41 mm, Zentralfederbein mit Umlenkung
Räder und Bremsen:
Magnesium-Schmiedefelgen, 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Fest-sätteln vorn
Gewicht:
179 Kilogramm vollgetankt
Preis:
zirka 40 000 Euro