Rennstreckenvergleich Aprilia RSV Mille RR gegen März-Ducati 996 R

Rennstreckenvergleich Aprilia RSV Mille RR gegen März-Ducati 996 R Grenzgänge

Keine oder nur kleinste Kompromisse eingehend, nur das eine Ziel verfolgend, schnell auf den Rennstrecken der Welt zu sein. Aprilia RSV Mille «RR” und März-Ducati 996 R - als wären sie im Normalzustand nicht schon schnell genug.

Grenzgänge Gargolov

Eingangs einer Entwicklung fällt es immer leicht, große Fortschritte zu erzielen. Je weiter die Vervollkommnung jedoch voranschreitet, desto kleiner wird der Nutzen pro getriebenem Aufwand. Macht es da Sinn, einer Aprilia RSV Mille R oder einer Ducati 996 R, den auf die sportliche Spitze getriebenen Kronen der V-Twin-Schöpfung, noch Extra-Zacken aufzusetzen? Mal sehen, denn schließlich hat Ducati-Guru Ronald März nach persönlichem Gusto seine «Testa Stretta” verfeinert, und schließlich bietet Aprilia so wunderschönes Zubehör feil. Welcher Sportfahrer wollte nicht wissen, ob so nicht noch ein Quäntchen Performance zu finden ist? Eine Frage die sich nur im harten Tracktest auf den Grand-Prix-Kursen von Imola und Hockenheim beantworten lässt.
Um die Grenzen auf der Rennstrecke ausloten zu können, rollen die Grazien im Test auf straßenzugelassenen, nahezu baugleichen Metzeler Rennsport und Pirelli Supercorsa, die in ihrer Performance reinrassigen Rennreifen nahekommen. Überdeutlich trompeten die Probanden starke Beats aus ihren Racing-Schalldämpfern, ein bisschen dumpfer die Mille, etwas härter die 996 R - die Kraft liegt eben nicht ausschließlich in der Ruhe.
Oft hingegen im Wohlfühlen. Die Mille bietet dieses Jahr noch mehr Bewegungsfreiheit, verbesserten Knieschluss und Halt am Tank sowie einen für einen Supersportler hervorragenden Windschutz. Die März Ducati dagegen setzt wie gewohnt auf supersportlich, trägt allerdings eine Gabelbrücke, die es erlaubt, die Lenkerhälften weiter oben zu montieren. Ein orthopädischer Segen, der über kaum vorhandenen Windschutz und die für Langbeine beengten Platzverhältnisse hinwegtröstet.
Schon von Haus aus sind die beiden Schönheiten mit vielem gespickt, was schnell und attraktiv macht: Seien es besonders hochwertige Öhlins-Federelemente, seien es die fantastischen Brembo-Bremsanlagen mit vier Belägen pro Bremssattel. Kohlefaser hie und da ist Ehrensache, ebenso herausragende Verarbeitungsqualität, deren Glanz auch im Verborgenen nicht verblasst – beide lassen sich einfach entkleiden, die 996 R trägt die noch schickere Unterwäsche.
Im Paket mit der limitierten Ducati erhält jeder der 350 glücklichen Käufer - für knapp 53 Kilomark - leichte Termignoni-Endschalldämpfer sowie ein «schnelles” Steuergerät für das leistungsstarke Krawall-Kennfeld. Das bekannte Eprom-Tuning gibt’s an der Testa Stretta nicht mehr.
Der Aprilia-Kunde muss solche Features beikaufen, etwa den Titan-umhüllten Racing-Schalldämpfer oder das entsprechende Eprom. Allerdings hat er auch noch ein paar Scheine im Portemonnaie, bis er gleich viel wie sein Duc-Kollege ausgegeben hat. Die kann er an die nagelneuen, geschmiedeten Räder aus Magnesium-Legierung oder in die bildschöne, präzise arbeitende Hebelei fürs umgedrehte Schaltschema investieren. All das kostet um die 6500 Mark, spart indes 16 Pfunde, so dass die Mille «RR” die Redaktionswaage mit gerade einmal 202 Kilogramm belastet, von denen fast 104 auf dem Vorderrad lasten.
Die März-Ducati geht noch weiter: Magnesiumgussfelgen, besagte Gabelbrücke, eine Anti-Hopping-Kupplung sowie eine Radial-Bremspumpe mit größerem Bremskolben, abrundend eine Hinterradabdeckung aus CFK sowie eine bedeutend kürzere Sekundär-Übersetzung. Ruckzuck treiben die Teile den Preis auf über 60000 Mark - für gerade mal 195 sehr ausgewogene Kilogramm. So leicht war noch keine Ducati bei MOTORRAD und so stark erst recht nicht.
145 Pferde bei 10300/min. Unvergleichlich, wie die Monster-Duc ihre vielen Pferde feilbietet. Bei Bedarf beschleunigen sie das bisschen Ducati wie ein Tennisschläger den Ball. Und kontrollierbar ist diese Leistungsflut! So ausgeklügelt, so ungefiltert, wie der Motor auf jedwede Lastbefehle des Piloten antwortet, darf er sich getrost die Referenz in Sachen Gemischaufbereitung per Motormanagement nennen. Lastwechsel? Hart, aber frei von Tücke. Aus der Kurve heraus? Fast schon provokant einfach, als sei der Gasgriff ein feinsensorischer Regler für maximalen Grip, mit dem sich kleine Rutscher easy kontrollieren lassen. Entsprechend verführt dieses Drehmomentgebirge, in dem sich so locker wandeln lässt, auch normal begabte Piloten dazu, fette, schwarze Striche auf den Asphalt zu malen. MOTORRAD-Gasttester Jürgen Fuchs macht das ja sowieso.
Angesichts des Testa-Stretta-Monsters verblasst die Mille etwas. 125 PS setzt dieser Rotax-Twin frei, absolut gesehen zwar nicht wenig, aber wozu dann der Lärm? Schließlich waren ganz normale Test-Mille schon stärker. Besonders störend am Testexemplar: das hohe Bremsmoment, das der Motor im Schiebebetrieb entwickelt und das besonders bei hohen Drehzahlen stört. Zumal der Twin, gerade im Rennbetrieb, bei Schub-Zug-Umkehr hart ans Gas geht. Zwei Punkte, die der siegverwöhnten Mille in Imola etwas die Tour vermasseln. Etwa raubt besagtes Bremsmoment in den dortigen schnellen Wechselkurven viel Schwung, den die unwilliger lenkende Duc beim Schräglagenwechsel lässig mitnimmt.
Da zeigt sich der Wert einer Anti-Hopping-Kupplung, denn die März-996 verhält sich, obwohl ebenfalls von einem hoch verdichteten 1000er-V-Twin angetrieben, im Schiebebetrieb völlig unauffällig. Und erst beim Bremsen! Wo die Aprilia schon wild auskeilend daherschwänzelt, kann der März-Pilot noch ein Bruchteilchen warten, um dann beim Bremsen einerseits das per Radial-Bremspumpe verfeinerte Ansprechverhalten seiner Anker-Anlage auszuspielen und andererseits blitzschnell die Gänge herunter zu hacken. Und dabei von einem stempelnden, ausbrechenden Hinterrad nahezu verschont zu bleiben. Selbst wenn die Gangwechsel im knorrigen Ducati-Räderwerk schwerer fallen und mehr Aufmerksamkeit und Präzision am Kupplungshebel erfordern als die im leichtgängigen und präzisen der Aprilia, gewinnt der 996 R-Pilot hier Zeit.
Übrigens auch dadurch, dass die Ducati bedeutend agiler ist als eine im Vergleich gefahrene »Normal«-Schwester und auch in Sachen Leichtfüßigkeit Boden auf die diesbezüglich vorbildliche Mille gutmacht. Die leichten Räder wirken an der Duc nämlich schon bei niedrigen Tempi wahre Handling-Wunder, während die sowieso superhandliche Mille nur marginal von den nochmals leichteren Felgen profitiert. Wo schon viel erreicht ist, zeigen eben auch teure Schritte kleine Länge.
Den größten Anteil am Vorsprung dürften gerade in Imola jedoch die 20 Mehr-PS der zudem kurz übersetzten Duc einfahren. Zwar rennt sie infolge der leichten Räder und des hohen Lenkers gegenüber der Serie regelrecht nervös, mild lenkerschlagend und schon mal pendelnd um den Kurs. Aber sie stürmt eben unaufhaltsam die langen Geraden entlang und die ewigen Berge hinauf. Zumal die Aprilia instabiler auf die harten Kompressionen reagiert als die Ducati.
Dafür dann auf welligem Hockenheim-Asphalt bei fabelhafter Abstimmung durch Fahrkomfort zu überzeugen weiß, wie ihn die superstraffe 996 niemals bereitstellen kann. Und deshalb dort Boden auf die Ducati zurückgewinnt. So leichtfüßig und präzise wie die Aprilia schneidet kaum ein Motorrad durch die verzwickten Linien des Motodroms. Noch weniger als die Ducati sträubt sich die Mille auf der Bremse gegen die Schräglage, nervt weniger mit Lastwechseln, während die Ducati plötzlich störrisch und ruppig erscheint - zumindest angesichts der vorzelebrierten Mille-Leichtigkeit. Woran zum wiederholten Male die Empfindlichkeit unserer Vollblüter zutage tritt: so spezialisiert, dass der Streckencharakter über Sieg und Niederlage entscheiden kann.
Wozu auch die Empfindlichkeit der Mille auf inkorrekte Fahrwerks-Balance passt. Oder der Charakter ihrer Bremsanlage, die vielen schon zu bissig, anderen als himmlische Einfingerbremse erscheint. Oder die Hinterradbremse der Ducati, die knapp oberhalb des Plazebo-Daseins bremst. Es bleibt, wie es ist: Die Aprilia ist auch im aufgepäppelten Zustand deutlich alltagstauglicher, die Ducati dagegen ein reduziertes Präzisionswerkzeug, das völlig auf den Alltag pfeift. Braucht irgendwer die Leistungsfähigkeit oder die bis zur Brutalität kompromisslose Ausrichtung dieser Motorräder? Unbedingt - und sei es nur zum träumen.

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Fazit

Welcher der beiden Top-of-the-Range-Boliden geht nun siegreich aus diesem Vergleich hervor? Eine Frage, die kaum schwerer zu beantworten sein könnte.Von der Performance her hat eindeutig die Ducati ihre Nase vorn. Das Privat-Spielzeug von Ronald März profitiert einerseits von diesem Wahnsinns-Punch und seiner sensationellen Dosierbarkeit, andererseits auch von diesem Fahrwerks-Paket sowie dem nicht zu unterschätzenden Feinschliff-Drumherum wie einer Anti-Hopping-Kupplung für ganz spätes, stempelfreies Herunterschalten, Magnesium-Gussfelgen für ungekannte Handlichkeit und einer Radial-Bremspumpe für allerfeinste Bremsdosierung. Allerdings muss sich der Interessent das ganze über 60000 Mark kosten lassen.Dagegen erscheint die im Testtrimm immerhin knappe 40 Kilomärker teure Aprilia wie ein Sonderangebot. Zumal sie ebenfalls verdammt schnell fährt und mit kürzerer Übersetzung im Vergleich wohl auch nicht ganz so schmächtig wirken würde. Und für beide gilt: Sehr groß ist die Kluft zum echten Superbike nicht mehr.

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