Einen 500er-Zweitakt-Supersportler zu fahren, ist wie ein Ritterschlag. Wer das Geld für eine Suter MMX 500 aufbringt, kann sich dauerhaft als Edelmann unter den Rennverrückten fühlen und etwas sehr Seltenes erleben.
Einen 500er-Zweitakt-Supersportler zu fahren, ist wie ein Ritterschlag. Wer das Geld für eine Suter MMX 500 aufbringt, kann sich dauerhaft als Edelmann unter den Rennverrückten fühlen und etwas sehr Seltenes erleben.
Valentino Rossi sagte einmal: „Man ist kein echter Racer, wenn man keine Zweitakt-500er gefahren ist.“ Das nagt an einem, denn wie soll man das heute beim stetig voranschreitenden Zweitaktsterben noch korrigieren? Doch jetzt hat Suter eine brandneue 500er, die MMX, die Ian Lougher auf der Isle of Man bei der diesjährigen Senior-TT als 34. ins Ziel brachte und ein beachtliches Rundenmittel von knapp 190 km/h erreichte. Eine kleine Serie von 99 Stück soll es davon geben. Und dann kam tatsächlich eine exklusive Einladung: Als einziges Magazin in Deutschland durfte PS die Suter MMX 500 am Lausitzring testen!
Schon das Aufwärmen des Vierzylinders – der Geruch, die Geräuschkulisse – sorgte für Gänsehaut pur. Schließlich war es so weit, Eskil Suter gab mir das Zeichen, und mit wummerndem Herz und etwas zittrigen Händen stieg ich in den Sattel. Denn was hat man nicht alles von den 500er-Helden wie Doohan, Schwantz oder Rossi über die „Biester“ gehört? Brutaler Leistungseinsatz, keinerlei Motorbremsmoment, furchtbare Abwürfe!
Mit gehörigem Respekt geht es deshalb in die erste Runde. Durch das Auftakt-Geschlängel der Lausitzpiste fällt sofort das irre niedrige Gewicht der Suter MMX 500 auf. Knapp 130 Kilo sollen es sein, und man mag es anhand der nahezu widerstandslosen Richtungswechsel sofort glauben. Entsprechend leicht lässt sich die Suter in die letzte enge Links auf die Gegengerade dirigieren, wo ich dann erstmals entschlossen das Gas aufmache und mit allen Sinnen gespannt und gefasst auf das warte, was mir über fiese Zweitakt-500er erzählt wurde.
Aber nichts passiert, oder vielmehr: Die Suter droht unter mir abzusterben. Aus reiner Vorsicht bin ich behutsam im zweiten Gang abgebogen, weshalb die Drehzahlen unter die Marke von 8000/min gefallen sind. Daran scheint der Vierzylinder jetzt zu ersticken. Null Vortrieb, stattdessen ein Würgen aus Motor- und Auspuff-Pfeifen. In Panik ziehe ich leicht die Kupplung. Die Drehzahlen schießen wieder empor, überschreiten die 10.000/min, und als ich den Kraftschluss dann wieder völlig freigebe, reißt es mich wie vom Gummiband abgefeuert vorwärts – auf dem Hinterrad! Flugs per Schaltautomat den dritten Gang nachlegen, bevor sich was überschlägt! Beruhigen will sich die Suter MMX 500 aber nicht, steht weiter auf dem Hinterrad und peitscht mit irrem Kreischen wie vom Teufel verfolgt die Gerade entlang. Im Vierten schließlich setzt das Vorderrad wieder auf, gerade rechtzeitig, um den Fünfer einzulegen und dann erst mal konservativ früh vom Gas zu gehen und zu bremsen.
Bremsmoment hat der Motor aber schon, wenn auch nicht annähernd so viel wie ein dicker Viertakt-1000er. Dafür schiebt das niedrige Gewicht auch nicht so brutal. Die Brembo-Stopper verzögern vorzüglich, die Gabel de Suter MMX 500 aber wirkt etwas schwammig. Sie vermittelt kein gutes Gefühl für das Vorderrad, als ich schließlich einbiege. Der folgende Richtungswechsel funktioniert ganz passabel, aber in der langen Links auf die nächste Gerade liefert das Motorrad wieder kein so krispes Feedback von vorn, wie man das von feinen Renneisen kennt. Dazu kommt die Zweitakt-Eigenheit, dass man entweder Gas gibt oder es geschlossen hält.
Hängepartien mit Halbgas wie beim Viertakter quittiert die Suter MMX 500 zunächst mit Ignoranz, dann mit heftigem Springen. Mit der Zeit und einigen Runden Erfahrung wird es besser, aber ist das bereits alles? Techniker Alessandro Giussani klärt mich später in der Box auf: „Das ist noch Ians Abstimmung von der TT. Er senkte das Heck ab für mehr Stabilität auf den vielen schnellen und welligen Geradeaus-Passagen. Die Gasannahme gefiel dem alten Hasen eben so.“
Und dann brach Alessandro mit allem, was ich bisher von Zweitaktern kannte. Statt stundenlangem Heraustüfteln der richtigen Bedüsung, womit einem die Däng-däng-däng-Fraktion im Fahrerlager nachts den Schlaf raubte, stöpselte er das Laptop ins Steuergerät, das die moderne Einspritzung regelt, fettete hier digital an, magerte dort digital ab und nickte schließlich, nachdem Kollege Reto Karrer das Fahrwerk der Suter MMX 500 angepasst hatte.
Keine 20 Minuten später bügelte ich erneut über den Lausitzring und wusste bald, warum niemand ein echter Racer sein kann, der das nicht erlebt hat. Die Suter peitschte wie irr um den Ring, verzieh nun aber den einen oder anderen Viertakt-Schlendrian und verwöhnte mit einem Handling, einer Leichtigkeit und Präzision – ich wünschte mir, das würde nie mehr enden! Die Gänge perfekt gewählt, zog die Suter MMX 500 so mächtig aus den Ecken, dass es sie jedes Mal schon in Schräglage aufs Hinterrad stellte. Dabei war sie aber so stabil, dass ich immer furchtloser am Gas bleiben konnte. Per Blipper ging es in den Bremszonen in die niedrigen Gänge, der Motor half beim Verzögern angemessen mit, die Gabel stemmte sich transparent gegen die Kräfte und die Bremse ließ sich perfekt bis zum Scheitel dosieren. Dann wieder Gas auf, und der Wahnsinn nahm erneut seinen Lauf. Der Motor zieht jetzt überraschend kräftig durch und explodiert dann gewaltig über 9000/min. Unnötig zu erwähnen, wie gierig der Vierzylinder dreht. Dabei vibriert er zwar feiner, als man das von einem Viertakt-V4 kennt, aber insge- samt ist dieser Power-Reaktor erstaunlich laufruhig.
Interessant sind noch Retos Infos, dass sie auf der TT anfangs 13 Liter Sprit pro Runde (über 60 Kilometer) gebraucht haben, den Verbrauch aber nach und nach auf unter 11 Liter drückten. Beim Gemisch sind sie bei leicht über vier Prozent geblieben, aber die Suter MMX 500 käme sehr gut mit knapp drei aus. Revidiert müsse der Motor alle 2500 Kilometer werden, was für eine echte Rennrakete relativ lange ist.
Unvergesslich bleibt dieses Gefühl, wie auf einem Fahrrad mit Raketentriebwerk zu reiten. Das erfordert zwar höchste Konzentration, aber bei dem niedrigen Gewicht spart das enorm Körner gegenüber den schweren Viertakt-1000ern. Wie berechenbar die Suter nach Alessandros Digitalkur war, machte für mich dieses Faszinosum Zweitakt perfekt. 190 PS bei 130 Kilo abzufeuern, ist mit nichts zu vergleichen, was ich je auf einem Viertaktmotorrad erlebt habe. Damit gehöre ich jetzt wohl zu dem Personenkreis, den Rossi als echte Racer bezeichnet. Wenn auch nur für kurze Zeit, denn 110.000 Euro für die Suter MMX 500 sind für dieses fein gemachte Ding sicher gerechtfertigt, aber leider jenseits meiner Möglichkeiten.