Test: Mototech-KTM RC4 690
Der Rennstrecken-Prototyp

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Dass weniger oft mehr ist, beweist die von Mototech zum waschechten Racer umgebaute KTM 690 Duke R. Das Kit-Bike bestand in Ledenon seine Feuertaufe, überraschte mit top Rundenzeiten, brillantem Handling und Fahrbarkeit.

Der Rennstrecken-Prototyp
Foto: Foto: Jahn

Die Lücke in KTMs Einzylinder-Modellpalette ist offensichtlich. Neben der 690 Enduro stehen die 690 Supermoto und 690 Duke. Alles Motorräder mit breitem Rohrlenker und aufrechter Sitzposition. Wo ist sie nur, die 690er mit Stummellenker, Vollverkleidung und RC8-Optik? Ist die Design-Abteilung überfordert, das Marketing erblindet, oder steht schlichtweg der Herr Controller auf der Bremse?

Wie dem auch sei, die Zeiten ohne -einen KTM 690er-Supermono-Racer sind jetzt vorbei. Rüdiger Kranz von Mototech aus Denkendorf (www.mototech.de) verwandelte eine von KTM gestellte 690 Duke R in ein RC4 getauftes Racebike. Dass dabei nicht nur ein technisch, sondern auch optisch überzeugendes Motorrad erschaffen wurde, hängt viel mit Rüdis Kumpel Josef Iker (www.imm-gmbh.com) zusammen. Der begnadete Formenbauer, normalerweise für kleine Fische wie Porsche und Mercedes im Proto-typenbau tätig, verlieh dem Mototech-Prototyp seine überzeugende Optik. Er erschuf das Verkleidungspaket, integrierte Serienrücklicht und Scheinwerfer in das GfK-Carbon-Mischkleid, baute die Carbon-Airbox, den zwölf Liter fassenden Kraftstofftank im Rahmenheck und die Tankattrappe. Kranz kümmerte sich um die Vorarbeiten. Ersann clevere Details, wie die Fußrasten-Halteplatten, die links und rechts identisch sind, konstruierte Halterungen sowie Schellen und sorgte so dafür, dass nicht nur jede 690er-Duke in eine RC4 verwandelt, sondern auch wieder zurückgerüstet werden kann. Möglich ist das, weil Kranz nur originale Bohrungen im Rahmen verwendet oder mit Klemmungen arbeitet. Plug and play sozusagen. So bleibt das komplette Umbau-Kit bezahlbar und kommt lediglich auf 4800 Euro (TÜV-Gutachten in Vorbereitung).

Unsere Highlights

Technisch musste Kranz an der 690 Duke relativ wenig ändern, um sie in die RC4 zu verwandeln. Um die Fahrwerksgeometrie in Richtung Supersportler zu trimmen (66,0 Grad Lenkkopfwinkel), musste er lediglich das Federbein verlängern. Zudem passte der Fahrwerks-Spezialist natürlich die Shim-Bestückung in Gabel und Federbein für den Renn-streckenbetrieb an und hauchte den Dämpfern noch feinstes Ansprechverhalten ein. Der komplette Antriebsstrang verblieb inklusive Auspuff und der Sekundärübersetzung serienmäßig: Lediglich der Ansaugtrakt wurde verändert. Dank der Vollverkleidung und der neuen Airbox wird der 690er-Single nun via Ram-Air-System zwangsbeatmet.

Beim Blick auf die Waage dann eine kleine Überraschung: Die RC4 ist trotz der Vollverkleidung und vollem Zwölf--Liter-Tank ganze 7,5 Kilogramm leichter als die serienmäßige Duke R. Okay, Spiegel, Soziusrasten und Kennzeichenträger fehlen, doch Rücklicht, der schwere Frontscheinwerfer sowie der komplette Kabelbaum sind mit an Bord. Well done so far. Doch wie fährt das Baby denn nun? Die verwinkelte Berg- und Talbahn "Circuit de Ledenon" in Südfrankreich ist das perfekte Revier für die Mototech-RC4. Blinde Ecken, gewaltige Höhenunterschiede und relativ kurze Geraden bieten alles, was der nur 70 PS starke Rennzwerg benötigt, um gegen die teilweise über 100 PS stärkeren 1000er zu bestehen. 

Foto: Jahn
Die Fußrastenträger sind links und rechts austauschbar.

Am Ende der Start-Ziel-Geraden geht es über eine kleine Kuppe, die die Sicht auf die dahinter liegende "Triple Gauche", eine sich zum Kurvenausgang immer enger zuziehende Dreifach-Links, verdeckt. Auf einer 1000er ist hier maximale Adrenalinausschüttung angesagt und sehr viel Mut gefragt, soll sie ungebremst über die Kuppe. Auf der RC4 wird hier völlig entspannt darüber hinweggesegelt, der Single im etwas zu lang übersetzten sechsten Gang voll gezwiebelt. Peng, dann schlagartiges Aufrichten des Oberkörpers! Raus aus dem großartigen Windschutz der knapp geschnittenen, aber sehr gut schützenden Verkleidung. Allein diese Aktion erzeugt so viel Luftwiderstand, dass ohne Bremsen in den Fünften runtergeschaltet und in die Triple Gauche abgebogen werden kann – zumindest theoretisch. Wer wirklich ohne zu bremsen abbiegt, besitzt ein Löwenherz. Der innere Schweinehund des Autors rang zwar jede Runde mit sich, schaffte es dennoch nicht, die Finger vom Bremshebel zu lassen.

Trotzdem ist die Eingangsgeschwindigkeit der RC4 fantastisch, können die Mitstreiter des von BoSee organisierten Renntrainings (www.bosee-team.de) wahlweise innen- oder außenrum vernascht werden. Was mehr an der RC4 als an den anderen Teilnehmern liegt. Denn die verkleidete KTM erlaubt trotz der hohen Kurvengeschwindigkeit eine unglaublich breite Linienwahl. Muss es eng ums Eck gehen, klebt sie förmlich an den Curbs, darf es weit sein, lässt sie sich mit minimalem Lenkimpuls auf den Millimeter genau dirigieren. Noch dazu ganz ohne Kraftaufwand. So lässt sich in der langen Links quasi im Slalom um die Mitstreiter tanzen. Zu diesem quirligen Wesen trägt natürlich auch die maßgeschneidert wirkende Ergonomie ihren Teil bei. Die perfekte Lage von Lenkerstummel, Rasten und Sitzpolster erzeugt eine kompakte und entspannte Sitzposition, aus der heraus der 151,5 Kilo leichte Rennzwerg mühelos bewegt wird.

Foto: Jahn
Wo andere Striche radieren, beschleunigt die RC4 gnadenlos.

Ebenfalls Extraklasse sind neben dem Einlenkverhalten und der Neutralität in Kurven das Ansprechverhalten und die Arbeitsweise der Dämpfungselemente. Gabel und Federbein glätten sensibel kleine Runzeln im Asphalt und lassen sich weder von Kanten noch Löchern beim Bremsen oder Beschleunigen aus der Ruhe bringen. Reserven haben sie immer, und dick. Das Faszinierendste überhaupt an der RC4 ist aber nicht ihr spielerisches, wieselflinkes Handling. Nein, für einen Piloten, der von einer 600er oder 1000er kommt, sind es die Brems-, Einlenk- und Beschleunigungspunkte. Auf der RC4 bremst man so spät wie noch nie, lenkt exakter ein als sonst und ist früher und härter am Gas als üblich. Bemerkenswert übrigens, wie weich der Single in tiefer Schräglage ans Gas geht.

Natürlich ist man auf den Geraden mit den 70 PS der 690er langsamer als üblich, das lässt sich angesichts der guten Rundenzeiten von 1.35 min aber leicht verkraften. Wer gerne mehr Power hätte, kann bei KTM einen 80-PS-Kit für den Single ordern. PS wird Herrn Kranz dazu überreden, den Kit zu besorgen und dann die RC4 für ein Rennen rauszurücken – wollen wir doch mal sehen …

Technische Daten

Foto: Jahn
In der Carbon-Airbox unter der Tankattrappe residiert der originale Luftfilter.

Mototech: KTM RC4 690
Antrieb 
Einzylinder-Motor, vier Ventile/Zylinder, 51,5 W (70 PS) bei 7500/min*, 70 Nm bei 5500/min*, 690 cm³, Bohrung/Hub: 102,0/84,5 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 46-mm-Drossel-klappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, G-Kat, Kette
Fahrwerk 
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: k. A., Radstand: 1450 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 48 mm
Räder und Bremsen 
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17"/5.00 x 17", Reifen vorn: 120/70 R 17, hinten: 165/55 R 17, 320-mm-Einzelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsattel
Gewicht (vollgetankt)  151,5 kg
Kit-Preis: 4800 Euro

Reifen
Dunlop KR 106/108 Da die Mototech-RC4 auf 3.50" und 5.00" steht, setzte PS für diesen Test die extrem haftfreudigen Dunlop-Slicks in 250er-Dimension ein. Am Vorderrad zogen wir den KR 106 in 120/70 R 17 in Mischung "6743", hinten den KR 108 in 165/55 R 17 in Mischung "3854" auf. Weder das Auf und Ab des Kurses von Ledenon noch die 151 Kilogramm der 70 PS starken Mototech oder die 35 Grad Lufttemperatur konnten die Pellen aus der Spur bringen. Härteste Beschleunigungsmanöver und ultraspäte Bremsattacken steckten sie weg wie nix, und ihr Verschleißbild sah dank perfektem Fahrwerk tipptopp aus. Lohn dieses Werkens waren permanente Rundenzeiten im hohen 1.35-min-Bereich. Und das ohne Wackeln, Rutschen oder sonst irgendwas.

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023