Das private Team Aprilia Grebenstein beweist langen Atem. Es bestreitet mit einer Aprilia RSV4 von 2013 den Deutschen Langstrecken Cup und startet bei der Endurance-WM.
Das private Team Aprilia Grebenstein beweist langen Atem. Es bestreitet mit einer Aprilia RSV4 von 2013 den Deutschen Langstrecken Cup und startet bei der Endurance-WM.
Am Vorabend des TunerGP streift der Autor durchs Fahrerlager und verweilt vor seinem „Patenkind“ für den nächsten Tag. Ein gut gelaunter Thüringer namens Karsten gesellt sich dazu. Zusammen mit seinem Bruder Thomas gründete er 2003 die Firma Zweiradtechnik Grebenstein. Mit der Marke Aprilia mischen die beiden schon lange bei Rennsportveranstaltungen mit. Früher beispielsweise im Supermoto mit einer SXV 550, jetzt mit der Aprilia RSV4 bei diversen Langstreckenevents.
Auf den ersten Blick sieht die Aprilia aus wie eine gewöhnliche Aprilia RSV4 im Rennornat. Es handelt sich aber um eine 2013er-Werksmaschine mit Kit-Nockenwellen und APX-Elektronik aus Aprilias Rennsportabteilung. Die Maschine trägt eine GFK-Verkleidung, hat einen Moosgummisitz, Schmiedefelgen sowie eine Akrapovic-Komplettanlage. Dann fällt das monumentale Spritfass der Marke Tamburini ins Auge, wodurch die Aprilia erst zum echten Endurance-Gerät wird. Nach Überarbeitung und Anpassung eines Schnellbetankungssystems fasst der 4000 Euro teure Spezialtank satte 24 Liter. „Diesen Tank bekommt man so schnell nicht ersetzt, deswegen montieren wir morgen für die Testfahrten lieber das Serienteil. Bei einem Sturz kann man zwar alles schnell reparieren, aber ein zerstörter Tank wäre problematisch“, erklärt Karsten Grebenstein.
Stürze passieren früher oder später auf der Langstrecke, keine Frage. Deshalb muss das Bike zumindest leichte Crashs wegstecken können. Aus diesem Grund sind beispielsweise die Fußrasten von HH-Racetech stabiler ausgeführt. Runde Hartplastikdämpfer der Marke Eigenbau schützen die empfindlichen Stopfen der überarbeiteten Öhlins-Gabel. Am Heck der Grebenstein-Aprilia RSV4 Endurance arbeitet ein ebenfalls speziell angepasstes TTX-Federbein von Öhlins. Das Rad-Schnellwechselsystem von Gabel und Schwinge sowie die Achsaufnahmen fertigten die Tuner selbst.
In Sachen Fahrwerksabstimmung und Auslegung des Motors kann ein Endurance-Setup nach Überzeugung der Geraer Techniker immer nur einen Kompromiss darstellen. Schließlich müssen sich drei Fahrer das Motorrad auf der Langstrecke teilen. Je größer die Distanz, desto wichtiger sind ein ausgewogenes Fahrverhalten, eine sanfte Gasannahme und nicht zu aggressive Bremsen. Laut Grebenstein halten die Brembo Z03-Beläge in Verbindung mit den 5,5 Millimeter dicken und zehnfach gefloateten Scheiben in Oschersleben volle acht Stunden durch.
Ein Vorderreifen schafft diesen Marathon ebenfalls, ein Hinterreifen hält dagegen nur vier Stunden. In der Magdeburger Börde kalkuliert das Team zirka sieben Boxenstopps, wobei ein Radwechsel bei der Grebenstein-Aprilia RSV4 Endurance 13 Sekunden dauert, inklusive Tanken vergehen 24 Sekunden. So eine Veranstaltung benötigt dann schnell mal bis zu 35 Helfer, die sich von der Vorbereitung der Maschine über den Aufbau der Box bis zum Catering um alles kümmern.
Am nächsten Tag beweist die Grebenstein-Aprilia RSV4 Endurance auf der Piste, wie wunderbar ausgewogen sie ist: das Fahrwerk nicht zu hart, die Federelemente dämpfen relativ smooth. Außerdem liegt die Aprilia erstaunlich stabil und reagiert beim Richtungswechsel unaufgeregt, was trotzdem nicht zulasten der Handlichkeit geht. Schnell baut man Vertrauen zu der schmalen Maschine auf, da selbst unter Topspeed keine Nervosität der Front auffällt. Bei einer aktuellen Aprilia RSV4 mit Serien-Setup wäre dies keine Selbstverständlichkeit.
Dafür lenkt die Grebenstein-Aprilia RSV4 Endurance nicht ganz so scharf ein, wie man es von einem Sprint-Motorrad kennt. In langsamen Kurven und im Teillastbereich geht sie zwar zackig in Schräglage, unter Zug in schnellen Passagen sträubt sie sich dagegen leicht. Dazu mangelt es dem Motor obenheraus etwas an Giftigkeit. Wie Karsten später anmerkt, steht das Triebwerk kurz vor der großen Revision, außerdem muss die Aprilia am Sachsenring leider mit dB-Killer ausrücken. Das bedeutet: Zehn PS sind beim Teufel. Trotzdem entfaltet der V4 seine Kraft enorm gleichmäßig und wohldosierbar. Die Motorbremse arbeitet weich und verschwindet punktgenau am Kurvenscheitel, sobald man das Gas wieder anlegt. Erst wenn man penibel darauf achtet, fällt beim Herausfeuern die sensible Intervention der APX-Traktionskontrolle auf.
Dazu sind die Bremsen trotz deren Auslegung auf Haltbarkeit ein Gedicht. Sie beißen beim Anlegen nicht extra brutal zu, saugen sich dafür mit zunehmendem Druck am Hebel schön an und verzögern satt. Außerdem entsteht zwischen Anlegen und Lösen der Bremse kaum ein Nickmoment, keine Spur von Unruhe im ganzen Motorrad. Zweifellos: Die Grebenstein-Aprilia RSV4 ist voll Endurance-tauglich!
Gewicht
196,8 kg
vorn/hinten 52,3/47,7 %
Leistung
190 PS
Umbaukosten
ca. 45.000 Euro