Vergleichstest: Höly-Kawasaki ZX-10R gegen Serie

Vergleichstest: Höly-Kawasaki ZX-10R gegen Serie Kraft-Monster

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Beim PS-Tuner-GP war Hölys bärenstarke Kawasaki ZX-10R mit defektem Steuergerät ausgefallen. Nun läuft sie wieder und möchte der Serien-Zehner ihre Überlegenheit demonstrieren. Wie fährt sich das 205 PS starke und 160 Kilogramm leichte Tuning-Bike?

Kraft-Monster jkuenstle.de

Mit gesenktem Haupt hatte Hölys Werkstattmeister Dieter Briese den PS-Tuner-GP 2010 verlassen. Der Defektteufel hatte zugeschlagen und das mattschwarze Racebike mit den auffälligen neongelben Streifen lahmgelegt. Diagnose: Kit-Steuergerät defekt. Umso ärgerlicher, da Brieses Meisterwerk, eine getunte Kawasaki ZX-10R, vor dem Ausfall auf dem Prüfstand und vor allem bei der Gewichtsmessung für Verblüffung gesorgt hatte. 160 Kilogramm brachte die Tausender auf die Waage. Vollgetankt, mit Serientank, wohlgemerkt. Doch noch bevor sich gewiefte Hobby-Mathematiker ausrechnen konnten, welches Leistungsgewicht sich angesichts dieses Werts und einer Prüfstandsleistung von 205 PS ergibt, stand die Zehner bereits defekt und fest verzurrt wieder im Transporter. Mit dem Versprechen, nach Austausch des Steuergeräts zum Hockenheimring zurückzukehren, trat Höly-Mann Briese die Heimreise an.
Sechs Wochen später ist die Welt
wieder in Ordnung. Die Monster-Kawasaki läuft und wartet darauf, ihre Muskeln spielen zu lassen. PS lässt sich nicht lange bitten und reist mit einer Serien-ZX-10R als Referenz und IDM-Pilot Christian "Kelle" Kellner als Profi-Angaser erneut nach Hockenheim, um Hölys Racebike auf den Zahn zu fühlen.
Und wieder gibt es Probleme, dieses Mal von oben. Ein Regenschauer verwandelt die Formel 1-Strecke in ein spiegelndes, glitschiges Etwas und gibt so die Möglichkeit, vor dem ersten Roll-out die Frage zu klären, die seit dem Tuner-GP
unbeantwortet im Raum steht: Wie bringt man eine serienmäßig 208 kg schwere
ZX-10R auf ein Gewicht von 160 kg?
Die Antworten stecken im Detail: Neben gängigem Leichtbau wie Dymag-Magnesiumfelgen, Akrapovic-Titan-Komplettanlage und einer um drei Kilogramm leichte-
ren Lithium-Ionen-Batterie verbaute Dieter Briese zur Gewichtsreduktion auch Teile, die sich an gängigen Tuning-Bikes eher
selten finden. So ersetzte Hölys Werkstattchef die hintere Bremszange durch eine Vierkolben-Festsattel-Zange eines Downhill-Mountainbikes. Gewichtsersparnis: 1,4 Kilogramm. Weitere Änderungen betreffen den armdicken Serien-Kabelbaum, den Briese durch ein wesentlich schlankeres Kit-Pendant ersetzte und die Instrumentenbatterie, die einem Drehzahlmesser mit Temperaturanzeige wich. Um die Kosten des Umbaus - fertig aufgebaut kostet die Höly-ZX-10R 20 000 Euro - im Rahmen zu halten, blieb der Serientank erhalten, und die Verkleidung besteht aus GFK statt Carbon. Beim Fahrwerk vertraute Briese ebenfalls auf die kostengünstige Variante und ließ die Serien-Federelemente von HH-Racetech überarbeiten, statt sie gegen teuere Zubehörteile zu tauschen.
Motorseitig ging Briese dagegen keine Kompromisse ein. So werkeln im Tausender-Vierzylinder der Höly-Kawa neben einer um 1,5 Kilogramm erleichterten Kurbelwelle und umgeschliffenen Nockenwellen edle Pleuel von Carillo. Der Zylinderkopf wurde ebenfalls überarbeitet, die Verdichtung auf 14,5:1 erhöht. Eine auf 12 Liter Volumen vergrößerte Airbox sorgt in Verbindung mit der Racing-Auspuffanlage und einem per Kit-Steuergerät angepasstem Mapping für das richtige Gas-Gemisch. Neben der Möglichkeit, das Einspritz-Kennfeld zu ändern und die Maximaldrehzahl zu erhöhen, im Falle der Höly um 500/min, beherbergt das Zubehör-Steuergerät zudem die (nicht einstellbare) Traktionskontrolle sowie eine Schnittstelle für den Schaltautomaten.
Der Hockenheimer Asphalt ist inzwischen abgetrocknet, Zeit für eine erste Testfahrt mit der getunten Monster-Kawa. Schon beim Schieben aus der Box spürt man, wie leicht dieses Motorrad ist. Beim Aufsitzen fallen der überraschend entspannte Kniewinkel und das breite, aber harte und kantige Sitzbrötchen auf. Die Boxengassen-Ampel schaltet auf Grün, los geht’s. Leichtfüßig und brav brummt die Höly-Kawasaki mit mittlerer Drehzahl durch die erste Runde. Eingang Start-Ziel sind alle Flüssigkeiten auf Temperatur, es kann losgehen. Vollgas! Bei 10 000/min spurtet die ZX-10R im zweiten Gang los wie ein Düsenjet auf der Abschussrampe, saugt einige Superbikes auf, das Vorderrad verliert den Bodenkontakt. Dritter Gang, gleiches Spiel. Weitere Motorräder fallen dem brutalen Leistungsgewicht der Höly zum Opfer, selbst im vierten Gang kurz vor dem Bremspunkt zappelt noch der Lenker. Rein in die Eisen. Die ZX-10R verzögert brachial und punktgenau, winkelt leichtfüßig und präzise wie eine Rasierklinge in die Nordkurve ab und katapultiert den Piloten
einen Augenblick später auf die nächste Gerade. Wahnsinn. Bremsen, rechts, links, es geht in die Parabolika. Vierter Gang, fünfter Gang, sechster Gang. Die Kawa läuft wie auf Schienen und flößt unendliches Vertrauen ein. Beim Bremsen vor der Spitzkehre fallen der wandernde Druckpunkt der Bremse und die etwas zu straffe Abstimmung der Gabel auf. Das Federbein dagegen ist über jeden Zweifel erhaben, schluckt feinfühlig alle Unebenheiten auf und stemmt sich am Kurvenausgang tapfer den Massenkräften entgegen.
Zurück in der Box verrät Dieter Brie-
se das Geheimnis der beeindruckenden Stabilität seiner ZX-10R: Lager von Emil Schwarz in Lenkkopf und Fahrwerk. Ein echter Geheimtipp. Überhaupt wirkt die Höly-Kawasaki sehr durchdacht. Trotz des recht geringen finanziellen Aufwands fährt sie sich wie ein echtes Rennmotorrad: Steif, direkt, präzise, handlich.
Diesen Eindruck bestätigt auch Chris-
tian Kellner nach seinem ersten Turn auf der Höly-Kawa. Mit einem fetten Grinsen setzt er den Helm ab und meint kopfschüttelnd: "Die Leistung ist echt brutal. Dagegen fühlt sich die Serien-Zehner an wie eine Sechshunderter." Bei der Frage nach dem größten Unterschied zwischen der
getunten und der serienmäßigen ZX-10R kann sich der IDM-Pilot nicht entscheiden: "Hm, schwer zu sagen. Sowohl beim Fahrwerk als auch beim Motor liegen zwischen den beiden Motorrädern Welten."
Dabei macht auch die Serien-ZX-10R ihre Sache nicht schlecht. Besonders der starke Motor, das gute Handling, die Anti-Hopping-Kupplung und die sauber dosierbare Bremse machen aus der grünen Zehner ein echtes Rennstrecken-Spaßgerät. Nicht umsonst landete die Kawasaki beim großen Tausender-Vergleichstest in PS 2/2010 als beste Japanerin auf Rang vier.
Umso schöner, dass noch so viel Potenzial in ihr steckt.
Am Abend scheint die Sonne, und Dieter Briese verlädt seine mattschwarze Wunderwaffe in den Transporter - dieses Mal erhobenen Hauptes.
Fazit: Hölys Kawasaki
ZX-10R ist dem Serienmotorrad in allen Belangen überlegen. Ihr präzises, direktes und handliches Fahrverhalten macht sie zu einem echten Racebike. Der getunte Motor hat Druck ohne
Ende und degradiert die 181 PS starke Serienmaschine geradezu.

Serie

Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 150,7 kW (205 PS) bei 13 300/min, 119 Nm bei 11 100/min, 998 cm3, Bohrung/Hub 76,0/55,0 mm, Verdichtungsverhältnis 14,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 43-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 64,5 Grad, Nachlauf: 110 mm, Radstand: 1415 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr:
43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 120/125 mm Räder und Bremsen: Leichtmetall-Schmiederäder, 3.50 x 17"/6.00 x 17", Reifen vorn: 125/80 R 17, hinten: 195/65 R 17. Testbereifung: Dunlop Slick. 310-mm-Doppelscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Vierkolben-Festsattel hinten Gewicht: 160 kg vollgetankt, v/h 53,0 %/47,0 % Hinterradleistung im letzten Gang: 143 kW
(195 PS) bei 298 km/h Höchstgeschwindigkeit: - Grundpreis: 20 000 Euro (zzgl. Nebenkosten)
Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 133,2 kW (181 PS) bei 12 100/min, 113 Nm bei 10 400/min, 998 cm3, Bohrung/Hub 76,0/55,0 mm, Verdichtungsverhältnis 14,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 43-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 64,5 Grad, Nachlauf: 110 mm, Radstand: 1415 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr:
43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 120/125 mm Räder und Bremsen: Leichtmetall-Gussräder,
3.50 x 17"/6.00 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 200/55 ZR 17. Testbereifung: Dunlop GP
Racer Slick. 310-mm-Doppelscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten Gewicht: 208 kg vollgetankt, v/h 50,7 %/49,3 % Hinterradleistung im letzten Gang: 124 kW
(169 PS) bei 275 km/h Höchstgeschwindigkeit: 298 km/h* Grundpreis: 14 595 Euro (zzgl. Nebenkosten)
Ab knapp 10 000/min geht die Höly-Kawa brutal vorwärts und spurtet der Serien-ZX-10R auch auf dem Papier auf und davon. Im Standard-Trimm dreht die getunte Kawasaki 500/min höher als die Serie, fürs Qualifying sind 1000/min mehr drin - angeblich bringt diese Modifikation weitere fünf PS. Die leichte Drehmomentdelle der Serien-Ninja zwischen 9000/min und 10 000/min konnte auch Höly nicht ausmerzen, auf der Rennstrecke fällt die kurze Verschnaufpause allerdings nicht weiter ins Gewicht. Dank der ansonsten sehr
linearen Leistungsentfaltung lässt sich die Power der Höly-ZX-10R problemlos kontrollieren.

Tuning im Detail

Leistung: Kurbelwelle um 1,5 kg erleichtert, Nockenwelle umgeschliffen, Carillo-Pleuel, Zylinkderkopf überarbeitet, Akrapovic-Titan-Komplett-Anlage, Airbox auf 12 Liter vergrößert, Mapping per Kit-Steuergerät angepasst, Drehzahllimit um 500/min erhöht Fahrwerk: Serien-Federelemente von HH-Racetech überarbeitet, Lenkkopf- und Fahrwerkslager von Emil Schwarz Leichtbau: Dymag Magnesium-Felgen, Lithium-Ionen-Batterie, hintere Bremszange
von Frank Industries (Downhill-Mountainbike), Kit-Kabelbaum, Kit-Drehzahlmesser, Steck-
achsen hohlgebohrt, Alu-Schrauben Ergonomie: Bremshebel von HH-Racetech, Kupplungshebel von LSL, Fußrastenanlage von LSL, Lenkerstummel von HH-Racetech

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