Yamaha YFZ-R1 und R1 M
Pfeilschnell und besser als jemals zuvor

Yamaha ist früh dran mit der Pressevorstellung des Superbike-Jahrgangs 2020. Sechs Turns stehen in Jerez zur Verfügung, um den beiden Granaten YZF-R1 und YZF-R1 M auf den Zahn zu fühlen. Da lassen wir uns nicht länger bitten!

Yamaha YZF R1 Fahrbericht Tobias Münchinger
Foto: Yamaha/Jonathan Godin

Erst im vergangenen Jahr wurde die Rennstrecke von Jerez neu asphaltiert, und bis auf ganz wenige Ausnahmen befindet sich der Belag in ausgezeichnetem Zustand. Nur im Scheitelpunkt einer langen Linkskurve, sie liegt zu Beginn des letzten Drittels der Piste, gibt es Bodenwellen. Allerdings kachelt die Yamaha YZF-R1 selbst über diese trickreiche Passage souverän. Dahinter schließen sich einige Rechtskurven an, die man mit etwas Schwung und Präzision flüssig in einem Bogen nehmen kann – mit der zielgenauen R1 gelingt das Manöver praktisch sofort.

EICMA 2022

Handlich und schön ausbalanciert

Im Detail wurde das neue Modell geschickt verbessert. Beispielsweise kommen R1-Piloten jetzt in den Genuss eines Fahrwerks, das ganz fein anspricht. Die Kayaba-Gabel und das Federbein wurden überarbeitet und neu abgestimmt. Allgemein fühlt sich die handliche R1 schön ausbalanciert an. Speziell das Gefühl für die Front und das Vertrauen in den Grip der Bridgestone R11-Reifen (serienmäßig kommt die R1 mit RS11-Reifen) fällt spitzenmäßig aus. Übers Vorderrad fährt die Yamaha brillant, was dem Fahrer eine große Entscheidungsfreiheit bei der Linienwahl lässt – egal, ob am Kurveneingang- oder Ausgang. Außerdem dämpft die Gabel beim harten Anbremsen satt und hält einiges an Reserven bereit. Dem Federbein verpassen wir nach dem ersten Turn zwei Klicks mehr Druckstufe, was das Heck in der Bremszone ruhiger macht. So bombenstabil wie in Schräglage verhält sich die R1 beim brutalen Ankerwurf zwar nicht, denn sie schlingert leicht mit dem Heck – dies allerdings immer freundlich und gut kontrollierbar. Übrigens packt die Bremse mit den neuen Belägen bissiger zu und ist gefühlvoller dosierbar als beim Vorgängermodell. Das ABS hält jetzt außerdem zwei Modi bereit, einen normalen und einen mit Kurven-Funktion. Beim ersten Rollout hier in Jerez unterscheiden sich die beiden Modi bezüglich ihres Regelverhaltens kaum voneinander.

Yamaha YZF R1 Fahrbericht Tobias Münchinger
Yamaha/Jonathan Godin

Bei der Aerodynamik legte Yamaha ebenfalls Hand an, denn die YZF-R1 des Jahrgangs 2020 gefällt nicht nur mit ihrem dezent aufgepeppten Look (neu gestaltete Front und Seitenteile). Die Maschine wurde vor allem windschnittiger, was sich sogar positiv auf den Topspeed auswirken soll. Eng auf der Maschine zusammengefaltet, bietet die serienmäßig höhere Scheibe außerdem brauchbaren Windschutz – da zerrt, zuckt und wackelt nix bei hohem Tempo.

Crossplane-Motor wurde leiser

Was die Performance des Motors angeht, bleibt es bei den bekannten Leistungsangaben von 200 PS bei 13.500/min. Trotzdem hat sich im Inneren des Crossplane-Reihenvierzylinders viel getan: Der Zylinderkopf, das Einspritz- und Kühlsystem sowie der Ölkreislauf wurden genau so optimiert wie das Ansaugsystem. Über genügend Power verfügt der Motor trotz Euro 5-Abstimmung, nach wie vor machen seine Drehfreude und die tiefen Vibes des Bigbang-Antriebs süchtig! Wo wir schon von Sound sprechen – die YZF-R1 klingt nach wie vor geil, aber eine Spur leiser. Nachdem man inzwischen auf vielen Rennstrecken wegen der Lautstärke noch nicht einmal mehr mit Originalauspuff fahren kann, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Schlussendlich stärken neue und verbesserte Funktionen das Elektronik-Paket der YZF-R1. Das Brake Control System (BC) mit Kurven-Funktion wurde bereits erwähnt, außerdem haben die Techniker die Launch-Control (Rennstarthilfe) anders abgestimmt. Weiterhin ist es jetzt möglich, das Motorbremsmoment in drei Stufen einzustellen und so den persönlichen Vorlieben des Fahrers anzupassen. Auf der Rennstrecke von Jerez funktioniert Stufe zwei mit etwas reduziertem Bremsmoment spitze, da viele Kurveneingange schnell sind. Außerdem fällt auf, dass die R1 mit dem neuen mechanischen Gasgriff selbiges blitzsauber annimmt: direkt, aber nicht ruppig. Die Traktionskontrolle (zehn Stufen) reguliert den Schlupf am Hinterrad sauber und fast nicht spürbar. Auch die Wheeliekontrolle (drei Stufen) macht ihre Sache gut, denn sie setzt das Vorderrad sanft auf dem Boden ab. Wenigstens auf Stufe eins sollte sie aber etwas längere Wheelies erlauben.

R1M bietet immer ein wenig mehr Grip

Bleibt noch die YZF-R1M übrig, auf die alle bereits erwähnten technischen Änderungen genau so zutreffen. Sie unterscheidet sich vom Standard-Modell durch ihre Karbonverkleidung und das semiaktive Öhlins-Fahrwerk der neuesten Generation, das speziell für die YZF-R1 M abgestimmt wurde. Wir fahren die M in Jerez außerdem mit Bridgestone V02-Slicks in 200er-Dimension am Hinterrad. Der große Unterschied zum Standardmodell ist, dass die R1 M in jeder Situation mehr Grip aufbaut – viel mehr! Sie klebt förmlich auf der Straße und liegt extrem satt in Schräglage.

Yamaha YZF R1-M Fahrbericht Tobias Münchinger
Yamaha/Jonathan Godin

Die Slicks und das Fahrwerk vertragen früher Vollgas und eine deutlich härtere Gangart. Gefühlt kommt man deswegen an jeder Kurve mit mindestens 20 km/h schneller an und auch schneller wieder raus als mit der Standard-R1. Natürlich kann das semiaktive Fahrwerk der M-Version nach Vorlieben des Fahrers, Beschaffenheit und Eigenschaften der Reifen sowie der Strecke in alle möglichen Richtungen eingestellt und angepasst werden. Während der Pressevorstellung in Jerez funktioniert der semiaktive Track 1-Modus ohne weitere Feineinstellung sehr zufriedenstellend. Das Vorderradgefühl fällt noch besser aus als bei der Standard-R1, und auch beim harten Anbremsen bleibt die R1 M ruhig in der Spur.

Fazit

Sowohl die YZF-R1 als auch die YZF-R1 M haben mit der neuen Modellgeneration einen sehr hohen Reifegrad erreicht. Beides sind pfeilschnelle Motorräder, die jetzt noch besser sind als jemals zuvor.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023