Für Suzuki war die GSX-R 750 SRAD ein Meilenstein. Vorbei die Zeiten, in denen ein alter Motor von einem schwindsüchtigen Alu-Doppelschleifenrahmen umspannt wurde, in denen die Relation von Leistung zu Gewicht längst nicht mehr up to date war. Die SRAD änderte das grundlegend. Aber sie zettelte keine Revolution an, weil ihre Zutaten für mehr Sportlichkeit längst bekannt waren. Alu-Brückenrahmen gab‘s beispielsweise 1996 schon bei der Kawasaki ZX-7R oder der Yamaha YZF 750, Vergaser in Fallstromanordnung sowieso, und ein Ram-Air war seit Kawasakis ZXR 750 auch schon bekannt. Und dennoch zielte die GSX-R 750 mit Macht auf den Thron der Superbikes.
Gewicht in den 90ern echte Sensation
Unter den 750ern bis hin zur Ducati 916, die als Zweizylinder bei den Superbikes antrat, wartete sie noch mit einem richtig dicken Ass im Ärmel auf – ihrem Gewicht. Zarte 204 Kilogramm drückte die GSX-R auf die Waage. Was heute nicht ungewöhnlich ist, war Mitte der 1990er eine Sensation, schließlich wogen alle anderen Superbikes einige Kilogramm mehr. So lag die Duc mit 215 Kilo noch relativ dicht an der Suzuki, Yamahas YZF 750 R sowie die damals ebenfalls flammneue ZX-7R von Kawasaki wogen 229 beziehungsweise 234 Kilogramm. Aus diesem Weniger an Pfunden schlug die SRAD gnadenlos Kapital, brillierte im ersten Vergleichstest unter den vier genannten Bikes in PS 1/1996 mit traumhafter Handlichkeit – und das trotz des fetten Hinterreifens auf der 6-Zoll-Felge.
Hinzu kam damals noch, dass sie mit gemessenen 128 PS in ganz neue Leistungsregionen in der Superbike-Klasse vordrang. Solche Power war bis dato nur mit Motortuning und lauten Brülltüten zu erreichen. Dennoch: Im ersten Schlagabtausch reichte es für die neue GSX-R 750 SRAD nur zum zweiten Platz hinter der Kawa, was vornehmlich ihrer leicht hecklastigen Sitzposition geschuldet war. An der änderte Suzuki während der vierjährigen Bauzeit nichts. Ähnliches gilt für weitere Standards, welche die SRAD zumindest unter den Suzuki-Supersportlern gesetzt hat. So etablierte sie den Alu-Brückenrahmen unter den vierzylindrigen Sportbikes aus Hamamatsu, genau wie ein Ram-Air (Suzuki Ram Air Direct).
Modellgeschichte – GR7DB, Typ T bis GR7DB, Typ W/X
Suzuki GSX-R 750 SRAD (GR7DB, Typ T) 1996

Motor, Rahmen und Ansaugsystem wurden schon ausführlich erwähnt. Daneben stach vor allem das Design der SRAD, das im Windkanal aerodynamisch optimiert wurde, heraus. Der Höcker mit seiner rundlichen Form trägt dem Rechnung. Einen wichtigen Beitrag zum niedrigen Gewicht der Maschine leistet die neue Vier-in-eins-Auspuffanlage.
Suzuki GSX-R 750 SRAD (GR7DB, Typ U) 1997

Nachdem die SRAD 1996 als neues Modell vorgestellt worden war, veränderte Suzuki im zweiten Jahr das Design des Supersportlers. Zudem wurde die Zylinderkopfdichtung modifiziert. Die ursprüngliche Version musste im Dauertest der Schwesterzeitschrift MOTORRAD während der 50.000-Kilometer-Distanz dreimal getauscht werden.
Suzuki GSX-R 750 SRAD (GR7DB, Typ W/X) 1998/1999

Eine Einspritzung ersetzte die Vergaser, das Volumen der Airbox wuchs um 50 Prozent. Die Endübersetzung fiel kürzer aus, die Abstimmung der Federelemente wurde überarbeitet. Dazu erhielt die "W" einen neuen Steuerkettenspanner samt Gleitschiene mit Metall-Inlay. Fürs Modell X gab es ein erneutes Update beim Steuerkettenspanner sowie ein neues Design.
Marktsituation
Die fünfte Generation der GSX-R 750 erfreute sich trotz polarisierender Optik (Stichwort Höcker) großer Beliebtheit. Von 1996 bis 1999 wurden 5.090 Exemplare der Dreiviertel-Gixxer mit dem Kürzel SRAD in Deutschland verkauft, was sich auch auf dem heutigen Gebrauchtmarkt widerspiegelt. Die Bandbreite an Angeboten ist groß, und wer günstig Supersportler-Luft schnuppern möchte, findet mit der SRAD eine gute Partnerin. Die Ur-SRAD mit Vergaser, Baujahr 1996 und 1997, und die Weiterentwicklung mit Einspritzung, Baujahr 1998 und 1999, unterscheiden sich preislich nicht. Am Markt befindliche Exemplare wandern ab 1.200 Euro in die eigene Garage, jedoch haben diese oft eine hohe Laufleistung von mehr als einer Erdumrundung hinter sich.
Grundsätzlich sind Maschinen mit weniger als 25.000 Kilometern sehr rar, wenn sich eine findet, schlägt diese mit meist 3.000 Euro oder mehr zu Buche. Wichtig bei allen: Sie sollten scheckheftgepflegt sein. Während die Fahrwerkskomponenten und der Rahmen gut altern, kann der Motor, insbesondere bei Rennstreckenbolzerei, durchaus Probleme machen. Die erste SRAD (Modell T) hatte eine zu dünne Zylinderkopfdichtung, welche sich auch im damaligen MOTORRAD-50.000 Kilometer-Dauertest dreimal verabschiedete. Ab Baujahr 1997 wurde dieses Problem behoben. Beim Dauertestmotorrad kam es darüber hinaus zu einem Verzug des Zylinderkopfs. Zudem zeigten die Kolbenbolzen ebenso wie die oberen Pleuellager starken Verschleiß. Für Probleme sorgt oft auch der Steuerkettenspanner, daher unbedingt auf ungewöhnliche Geräusche in diesem Bereich achten. Das Modell W ab 1998 mit Einspritzung merzte viele dieser Defektteufel aus und ist, trotz sieben PS Mehrleistung, standhafter.
Technik
Bei der Entwicklung der SRAD ließ Suzuki anno 1995 keinen Stein auf dem anderen. Die Auflistung der Veränderungen zum Vorgängermodell würden hier den Rahmen sprengen. Stichwort Rahmen: Um der immer höheren Leistung der Motoren Herr zu werden, besitzt die SRAD einen Alu-Brückenrahmen mit einer geradlinigen Verbindung vom Lenkkopf zur Schwingenlagerung, abgeleitet von der damaligen GP-Waffe RGV 500. Im 128 PS starken Triebwerk der SRAD flitzen die Kolben durch beschichtete Aluzylinder, liegt der Nockenwellenantrieb auf der rechten Seite und rotiert eine im Vergleich zum Vorgänger um ein Kilogramm leichtere Kurbelwelle.

Der Motor atmet durch 39er-Vergaser in Fallstromanordnung. Für mehr Schmackes werden die Vergaser vom "Suzuki Ram Air Direct"-System (SRAD) unter Druck gesetzt. Bei dieser Technik wird der Fahrtwind über Ansaugkanäle in der Front direkt in die Airbox gepresst – das war damals schon noch bemerkenswert. Dem Leichtbau frönt die 750er-Suzuki durch hohlgebohrte Schrauben und Radachsen, Leiterplatten-Instrumente und Aluminium, wohin das Auge blickt. Die 204 Kilogramm leichte GSX-R wird vorne von einer voll einstellbaren 43-Millimeter-Gabel auf Kurs gehalten, hinten dämpft ein ebenfalls komplett individualisierbares Federbein. Ab 1998 weicht die Vergaserbatterie einer Einspritzanlage, die in Kombination mit einer neuen Airbox (50 Prozent mehr Volumen) die Leistung auf 135 PS anhebt.
Michael Schäffer über die Suzuki GSX-R 750 SRAD
Als Cheftechniker betreute Michael Schäfer lange Jahre das Superbike-Team von Suzuki Deutschland – auch beim Renneinsatz der GSX-R 750 SRAD.
PS: Sie haben den Rennsporteinstieg der Suzuki GSX-R 750 SRAD hautnah begleitet. War die SRAD eine gute Basis für ein Rennbike?
Schäfer: Die Suzuki war damals die beste Basis für den Einsatz als Racebike, verglichen mit den anderen Modellen dieser Klasse. Von der Leistung her war die SRAD das stärkste Motorrad im Feld, da kam Yamaha mit der 750er genauso wenig heran wie Kawasaki oder Honda. Das blieb auch beim Rennmotorrad so. Wenn es um Power ging, lag die SRAD in der Pro-Superbike-Klasse an der Spitze.
PS: Zur Vorstellung der GSX-R 750 präsentierte Suzuki einen Rennkit. War der Kit ein Segen oder ein Fluch? Schließlich kostete allein der Motor 82.000 Mark – mehr als vier Mal so viel wie eine komplette Serien-SRAD.
Schäfer: Der Kit brachte schon eine Menge. Damals war es so, dass wir mit einer Vorserien-SRAD als Racebike bereits eine Leistung von 152 PS am Hinterrad erzielen konnten. Mit dem Einbau des Rennkits wuchs die Leistung dann auf 162 PS – ebenfalls am Hinterrad. Das war der Spitzenwert für die Vergaser-SRAD. Als die GSX-R 750 mit Einspritzung auf den Markt kam, gelang uns eine weitere Leistungssteigerung auf 172 PS. Die Bikes – die als komplette Werksmotorräder zu uns kamen – konnten mit den Kits ihr komplettes Potenzial entfalten. Deshalb haben wir beim Motor auch alle Kit-Teile genutzt.
PS: Was waren denn die entscheidenden Teile aus dem Motorkit, um die serienmäßige Leistung der SRAD von 128 PS so eklatant zu steigern?
Schäfer: Die wichtigsten Teile waren Nockenwellen, Kolben und Pleuel. Die Kurbelwelle des Kits musste man nicht unbedingt nutzen. Die wog so viel wie das Serienteil, bestand nur aus anderem Material und besaß verschweißte und nicht verschraubte Gewichte. Die Zylinderköpfe, die direkt vom Werk kamen, trugen auch zur Leistungssteigerung bei. Die haben wir sogar noch überarbeitet, um noch ein paar PS mehr aus dem Motor herauszukitzeln. Zum Kit gehörten zudem noch die Vergaser, die ebenfalls mehr Power brachten. 1996 setzten wir Flachschieber mit 40 Millimetern Ansaugdurchmesser ein, 1997 nutzen wir dann 42er-Flachschiebervergaser.
PS: Zu den edlen Teilen neben den Motor-Parts zählten auch teure Fahrwerksteile von Showa – waren die nötig?
Schäfer: Die Teile gehörten ja mit zu den Rennkits der Werksmaschinen und waren an sich auch top. Trotzdem wechselten wir bei den SRAD-Rennern zu Öhlins, weil Öhlins damals in der Pro-Superbike-Meisterschaft schon eine komplette Servicebetreuung samt Techniker anbieten konnte. Bei den Parts von Showa hätte ich die Abstimmung für unsere Fahrer mit übernehmen müssen – und das hätte ich neben Aufbau und Betreuung der Rennbikes nicht mehr geschafft.
PS: Mit Udo Mark sprang mit der SRAD in den Jahren 1997 und 1998 jeweils ein dritter Platz in der Pro-Superbike-Wertung heraus. Bei all dem Aufwand – warum hat es aus Ihrer Sicht nicht ganz nach vorne gereicht?
Schäfer: Das Problem war, dass wir im ersten Jahr mit Pirelli gestartet sind. Die kamen damals ganz neu mit einem Slick auf den Markt, der aber nicht ganz an die Qualität der etablierten Mitbewerber heranreichte, vor allem unter dem Aspekt Haltbarkeit. Die SRAD selbst rannte super. So haben wir mit Andy Hoffmann beim Superbike-WM-Lauf in Hockenheim einen Topspeed von 302 km/h erreicht. Nur Aaron Slight auf seiner Honda war damals schneller. In den Jahren darauf sind wir zu Dunlop gewechselt, allerdings konnte Udo Mark wegen des Bruchs eines Brustwirbels bei einigen Rennen nicht starten. Deshalb war ein dritter Platz im Gesamtklassement gegen die starke Konkurrenz ein Top-Ergebnis.
Fazit
Für Suzuki leitete die GSX-R 750 SRAD eine ganz neue Epoche im Sportmotorradbau ein, deren Erbe die aktuellen GSX-R-Modelle bis heute weiterführen. Noch heute stellt die SRAD eine beliebte Alternative dar, wenn es darum geht, günstig Supersportler Luft zu schnuppern.