Interview Alpinestars Firmenchef Mazzarolo

Alpinestars-Firmenchef Gabriele Mazzarolo im MOTORRAD-Interview "Auf dem Motorrad so sicher wie im Auto"

Der Bekleidungsspezialist Alpinestars feierte das 50-jährige Bestehen. Firmenchef Gabriele Mazzarolo (51) machte aus der Schusterei seines Vaters ein Weltunternehmen. MOTORRAD sprach mit dem in den USA lebenden Italiener.

"Auf dem Motorrad so sicher wie im Auto" Alpinestars
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Alpinestars-Firmenchef Gabriele Mazzarolo im MOTORRAD-Interview.

Alpinestars feiert in diesem Jahr das 50-jährige Firmenbestehen. Überflüssig zu fragen, ob Sie stolz auf die Firmenhistorie sind, oder?
Ehrlich gesagt beschäftige ich mich kaum mit der Vergangenheit unserer Firma. Meine Gedanken drehen sich derart intensiv um die Gegenwart und erst recht um künftige Projekte, dass für die Retrospektive keine Zeit bleibt. Eigentlich schade.

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Sie haben Alpinestars von Ihrem Vater übernommen. Auch die Begeisterung für Motorräder?
Mein Vater interessiert sich nicht sehr für Motorräder. Er ist Schuster und stellte damals Wanderschuhe und Skistiefel her. Doch in den Sechzigerjahren begann der Boom des Offroad-Sports in Italien. Mein Vater erkannte, dass dafür geeignete Stiefel gebraucht wurden, und spezialisierte sich schnell. 1963 gründete er Alpinestars, ab 1965 produzierte er nur noch Motorradstiefel.

Ihr Faible für den Motorradsport haben Sie also selbst entwickelt.
Das kann man so sagen. Wir waren wegen des Geschäfts jedes Wochenende auf einem Rennen. Motorräder gehörten einfach zu meiner Welt.

Dennoch entschlossen Sie sich mit 23 Jahren, in die USA auszuwandern?
Nicht dennoch, sondern deshalb. Ich sah, dass die USA im Motorradsport, besonders in der Offroad-Szene, tonan­gebend waren. 1986 gründete ich die amerikanische Niederlassung von Alpinestars in Kalifornien, 1993 übernahm ich
die komplette Firma von meinen Eltern.

Sie leiten Alpinestars also von der Zentrale in den USA aus?
Grundsätzlich ja. Doch fliege ich etwa alle zehn Tage ins Stammwerk nach Italien, um auch dort auf dem Laufenden zu bleiben. Zu unseren Büros in Bangkok und Tokio ist der Kontakt etwas loser.

Mittlerweile hat sich Alpinestars vom Schuster für Offroad-Stiefel in einen Bekleidungshersteller mit breitem Angebot auch für den Straßenmotorradfahrer entwickelt. Stellen Stiefel noch immer das Kernprodukt dar?
Wir stellen 400 000 Paar Motorradstiefel pro Jahr her, davon 150 000 Motocross-Stiefel. Trotzdem generiert konventionelle Motorradbekleidung mittlerweile den größeren Teil des Umsatzes. Die Stiefel liegen auf Rang zwei, gefolgt von unserer Freizeitbekleidung.

Das Motorrad steckt, zumindest in den USA und Europa, gerade in der Krise. Die Verkaufszahlen stagnieren oder sind rückläufig. Sind Sie dennoch zuversichtlich für die Branche?
Zu 100 Prozent. Motorradfahren ist eine Sache des Herzens. Die Menschen, die sich dafür begeistern, werden immer Motorrad fahren. In Zeiten wie jetzt werden sie vielleicht etwas länger warten, bis sie ein neues Motorrad oder neue Bekleidung kaufen, aber sie werden sich nicht von dieser Passion abwenden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Motorradfahren eine gute Zukunft hat.

Ist in diesem Fall nicht der Wunsch Vater des Gedankens?
Nein, ich erlebe dieses tolle Gefühl, ein Motorrad zu bewegen, fast täglich. Ich besitze die ganze Bandbreite von Motorrädern. Alles: von der Reiseenduro bis zum Trial-Motorrad. Ich fahre in meine Firma mit dem Motorrad, ich unternehme an den Wochenenden mit meinen Enduros Offroad-Ausflüge. Und wann immer es geht, erledige ich auch meine Geschäftsreisen mit dem Motorrad. Mein bisheriger Rekord waren sechs Termine an acht Tagen, die Strecke dazwischen betrug 6000 Kilome­ter. So einen Trip mit dem Auto zu machen, ist langweilig. Auf dem Motorrad ist es ein Erlebnis.

Das mag vielleicht in Kalifornien so sein, im mitteleuropäischen Klima hat das Motorradfahren eben auch seine Schattenseiten. Man friert, wird nass …
Sehen Sie, genau da wollen wir mit unseren Entwicklungen einhaken. Motorradfahren muss so komfortabel sein wie Autofahren. Und auch so sicher. Das ist das Ziel unserer Entwicklungen. Die Leute sollen nicht schwitzen oder frieren. Und
sie sollen sich schon gar nicht verletzen.

Ein frommer Wunsch, der auf absehbare Zeit aber unerfüllt bleiben wird?
Nicht unbedingt. Wir bieten seit dem Jahr 2011 eine Lederkombi mit integriertem Airbag an. Bei den von uns unterstützten MotoGP-Rennfahrern hat dieser Anzug schon Verletzungen verhindert oder zumindest deren Schwere reduziert. Und diese Technik steht noch am Anfang.

Sicherheit ist dann aber auch eine Frage des Geldes. Hochwertige Funktionsanzüge kosten längst mehr als 1000 Euro, für ihre Airbag-Lederkombi werden 6000? Euro aufgerufen. Diese Entwicklung widerspricht doch dem Gedanken, dass Motorradfahren wieder populärer werden soll, oder nicht?
Momentan sind die hohen Preise auch durch die geringen Stückzahlen begründet. Bei einer größeren Akzeptanz wird das Preisniveau künftig eher fallen als steigen. Natürlich wird sichere Motorradbekleidung nie billig sein können. Doch wenn der Gegenwert stimmt, sind die Leute bereit, dafür Geld auszugeben. Das merkt man bei den Motorradfahrern schon seit geraumer Zeit. Auch bei anderen Freizeitbeschäftigungen wie zum Beispiel dem Skisport werden die Menschen sicherheits- und qualitätsbewusster.

Wo sehen Sie Ihre Firma bei der 60-Jahr-Feier?
Näher am Ziel, diese Herausforderungen gemeistert zu haben. Motorradfahren wird dann angenehmer und sicherer sein. Und es wird auch noch genauso viel Spaß machen.

Vom Wanderschuh zur Airbag-Kombi

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Stolz wie Oskar: Firmengründer Sante Mazza­rolo (Jahrgang 1929) mit prämiertem Stiefel.

Die Alpinestars-Historie

Man muss kein Motorradfan sein, um in der Motorradwelt zu reüssieren. Vor 50 Jahren produzierte der Schuster Sante Mazzarolo seinen ersten Cross-Stiefel.

Schuster, bleib bei deinen Leisten – hätte Sante Mazzarolo dieses Sprichwort befolgt, wäre Alpinestars wohl nie gegründet worden. Zumindest nicht als Hersteller von Off­road-Stiefeln. Denn die Geschichte des Familienbetriebs aus Asolo – etwa 80 Kilometer nordwestlich von Venedig gelegen – begann mit der Produktion von Wander- und Skistiefeln. Weil aber zu Beginn der Sechzigerjahre im Skisport Kunststoff das traditionelle Leder als Basismaterial immer mehr verdrängte, kam der beginnende Boom des Offroad-Motorradsports Signore Mazzarolo gerade recht. Zwei Jahre nachdem er den ersten Motocross-Stiefel genäht hatte, sattelte der Unternehmer im Jahr 1965 komplett auf die Herstellung von Offroad-Tretern um.

Alpinestars, so die wörtliche englische Übersetzung von Stella Alpina, dem italienischen Begriff für das Edelweiß, wurde zur Referenz bei den Motocross-Stiefeln, auch wenn sich der Schuster bis heute nicht von ganzem Herzen für Motorräder begeistern kann. Letztlich war es die Motorsport­be­gei­s­terung von Sohn Gabriele, die den entscheidenden Schritt von ­Alpinestars hin zum international bedeutenden Unternehmen einleitete. Im Alter von 24 Jahren grün­dete Maz­zarolo Junior 1986 in Tor­rance/Kalifornien Alpinestars USA. Von dort aus leitet er bis heute die 500 Mit­arbeiter in den Vereinigten Staaten, Italien, Japan und Thailand. Wie Konkurrent Dainese hat auch Alpinestars – als zweiter Hersteller weltweit – ­eine Lederkombi mit Airbag zur Se­rienreife gebracht. Mazzarolo Senior lehrt heute übrigens in Entwicklungsländern das Schusterhandwerk.

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