Einsteiger-Porträt Julian Drees

Einsteiger-Porträt Julian Drees Von wegen Vergreisung der Motorradbranche

Von wegen Vergreisung der ganzen Motorradbranche. Es gibt sie noch, die Kids, die den Traum zweirädriger Unabhängigkeit von frühester Jugend an verwirklichen. Julian Drees aus Datteln im Ruhrgebiet ist ein Trost für alle Nachwuchs-Bedenkenträger.

Von wegen Vergreisung der Motorradbranche Biebricher

Nein, Julian hat nicht mit drei Jahren schon sein erstes Motorrad auseinandergenommen, jedenfalls keines, das größer war als ein Spielzeug-Bike. Er hat auch nicht mit zwölf Jahren schon zehn Motorräder sein Eigen genannt oder zahllose Youngtimer ­restauriert. Weder war er mit 13 in irgendwelchen Jugend-Rennserien auffällig, noch sprang er mit 14 einen Double Backflip in den FMX-Meisterschaften. Julian ist ein ganz normaler Junge, der Old-School-Rap hört, Sport liebt, nichts gegen eine Runde Playstation hat und auf Partys geht. Ganz unauffällig ist Julian trotzdem nicht, denn er konnte Fahrrad fahren, noch bevor er richtig Laufen lernte.

Die Leidenschaft für Einspurfahrzeuge begann also früh. Vater Michael sorgte über die ganze Kindheit hinweg für gutes Material, und so wuchsen die Mountainbikes mit Julian. Irgendwann wurden selbst Downhiller zu langweilig, Julian suchte neue Kicks auf BMX- und Dirt Bikes und rockte mit seinen Sprüngen die lokalen Bikeparks. Seinen 15. Geburtstag sehnte er herbei, denn da sollte sein durch Kampf­sport gestählter Body zum ersten Mal zwei Räder nicht aus eigener Kraft bewegen. Ein zünftiger Zweitakter sollte das übernehmen. Aber bitte nicht in einem Roller. Und schon gar nicht in so einem Mofa aus der Steinzeit, mit dem dicke alte Männer Bier von der Bude holen. Womöglich noch mit Anhänger.

Sobald er 16 ist, will er eine 125er-Duke oder eine LC

Nein, Julian wollte ein Fahrzeug, das aussieht wie ein richtiges Motorrad. Er war sich nur noch nicht sicher, ob es ein verkleideter Sportler, eine Supermoto oder ­eine Enduro sein sollte. Es müsste eine auf Mofa gedrosselte 50er sein, die mindes­tens so erwachsen aussieht wie eine moderne 125er, also schon ziemlich dicke ­Hose. Und so was gibt es tatsächlich, der Nachbarsjunge fuhr sie schon, eine 50er-Generic, die letztendlich ein Produkt aus dem großen Reich der Mitte war, aber optisch richtig wichtig rüberkam.

Julians Schule ist 25 Kilometer von seinem Heimatort entfernt. 25 Kilometer, die er im Schulbus nie so wirklich würdigen konnte. Klar war er sie schon auf dem Rad gefahren, aber das war keine Lösung für jeden Tag und jedes Wetter. Endlich hatte er den Mofa-Führerschein und seine neue Supermoto. Ein rassiges Teil mit etlichen sehr „motorradmäßig“ wirkenden Bau­teilen, bei dem lediglich das kleine Ver­sicherungskennzeichen den Mofa-Status verriet. Wenn die Fahrleistungen des Zweitakt-Einzylinders aufgrund rigider Drosselung auch bescheiden war, so wusste Julian doch, dass so ein Jahr schnell verfliegen würde. Was ihn über den traurigen Topspeed hinweg tröstete, war die Optik und wie sich das Fahren anfühlte. In kürzester Zeit entwickelte das Bewegungs­­talent ein Gespür für Kupplung, Schaltung, Gas und Bremse und bekam eine Ahnung der Freiheit auf zwei Rädern.

„Die ganzen Typen mit ihren Sportrollern werden permanent angehalten und auf illegales Tuning überprüft. Uns mit den echt aussehenden Mopeds hält man viel weniger an, weil wir schon wie 16-Jährige rüberkommen und auch weniger asozial fah­ren“, analysiert Julian. Wenn er nicht auf dem Moped mit den Kumpels Kilometer macht, fotografiert der Fünfzehnjährige, schneidet eigene Videos, spielt Basketball und dreht Snoop Dog, Ice Cube, Eminem, Dr. Dre, 50 Cent oder Jay Z, Sido und K. I. Z. laut auf. Sein Lieblingsschauspieler ist Mark Wahlberg, doch für Filme hat Julian kaum noch Zeit, denn seit Kurzem vernebelt eine riesige Wolke seinen Kopf. Diese Wolke ist orange und trägt den Namen KTM. Sobald er 16 ist, will er eine 125er-Duke oder eine LC bewegen. Stundenlang bewundert er die österreichischen Renner im Netz. Es muss einen Weg geben, so ein Traumbike zu finanzieren, Vater Michael hat schon Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

Motorräder

Gebrauchte 125er unter 1500 Euro

Mehr erleben als mit Facebook, Twitter, Flickr und Whatsapp

Der Nachbar hat jetzt eine nagelneue 125er-Aprilia RS, die sich auf den ersten Blick kaum vom Big Bike RSV Mille unterscheidet. Und wieder geht es los, das alte Spiel um Leistung, Geschwindigkeit und die Aufbruchsstimmung auf zwei Rädern, das Generationen von Motorradfahrern immer aufs Neue fasziniert. Schön, dass es trotz multimedialem Overkill auch bei den ganz Jungen noch nachhaltige Begeisterung dafür gibt. Julian wird in drei Monaten 16 – und seinen Weg gehen.

Wenn er seine KTM endlich durch die reale Welt treibt, wird der Youngster in ­einer Stunde mehr erleben als andere in einem Monat mit Facebook, Twitter, Flickr, Whatsapp – wetten dass?

Der Fahrer

Biebricher
Ein ganz normaler Junge: Julian Drees.

Julian Drees lebt in Datteln (35500 Einwohner, Kreis Recklinghausen, nördliches Ruhrgebiet ). Die Gesamtschule, die er besucht, liegt in Wanne-Eickel. Vor dem Abitur will Julian noch eine Lehre zum Möbeltischler absolvieren. Er hat überlegt, die Ride Thorn 50 SM an seinem 16. Geburtstag „aufzumachen“ (es soll Exemplare geben, die 120 km/h laufen), doch der Wunsch nach einem „echt sportlichen“ Motorrad ist übermächtig: Eine 125er-KTM muss her. Dringend!

Das Moped

Biebricher
Das Cockpit der Ride Thorn 50 SM.

Ein Drehzahlmesser fehlt der Ride Thorn 50 SM (baugleich mit der Generic Trigger 50 SM), ansonsten besitzt sie viele „erwachsen“ wirkende Komponenten. Sie leistet 4 PS (3 kW) und ist für den Mofa-Einsatz über eine Getriebedrossel (Gangstufen vier bis sechs sind gesperrt), einen Gasanschlag und eine bei 7000/min abriegelnde CDI arg limitiert. Der 49-Kubikzentimeter-Einzylinder-Zweitakter verfügt über E- und Kickstarter. Diverse Händler bieten das Moped für um 2400 Euro neu an. Weitere drosselbare 50er gibt es beispielsweise von Rieju, Derbi, Peugeot oder CPI, doch üppig ist das Angebot nicht.

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