MotoGP, Road Racing, Endurance, IDM und Track-Days: Während in der Königklasse von der Sommerpause geschwärmt wird, geht es eigentlich hoch her. Toni Börner blickt auf die Höhen und Tiefen der letzten Wochen zurück.
MotoGP, Road Racing, Endurance, IDM und Track-Days: Während in der Königklasse von der Sommerpause geschwärmt wird, geht es eigentlich hoch her. Toni Börner blickt auf die Höhen und Tiefen der letzten Wochen zurück.
Kolumnentechnisch war es ruhig in den letzten Wochen, passiert ist dafür umso mehr. Die sogenannte „Sommerpause“, die eigentlich gar keine ist, gibt daher die Gelegenheit, alles einmal Revue passieren zu lassen.
Vier Wochen ist es nunmehr her, da haben wir in Assen das wohl spannendste MotoGP-Rennen aller Zeiten gesehen. Und zwar so spannend, dass die Promoter Dorna im Anschluss sogar eine Rundentabelle herausgaben, in der eben nicht nur an Start-Ziel gemessen gelistet wurde, wer vorn ist, sondern an insgesamt acht Messpunkten auf der Strecke, also mehrfach in jedem Sektor.
Gewonnen hat am Ende zwar trotzdem Dominator Marc Marquez – aber das Drehbuch für dieses Rennen hätte sich keiner ausdenken können.
Von Assen aus, ging es direkt weiter nach Zolder zur Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft IDM.
IDM, du hast mich wieder. Sechs Jahre lang hatte ich in der damals vom DMSB geführten Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft einiges an Grundhandwerkszeug in der Berichterstattung und Fotografie im Motorradrennsport gelernt. Ende 2012 trennten sich meine Wege mit der IDM, nun, sechs Jahre später, bin ich wieder zurück. In der inzwischen zehnten Saison meiner Selbstständigkeit, in der ich ausschließlich im Motorradrennsport arbeite. Von Macau über Suzuka, Katar und Laguna Seca, da sind einige Pisten zusammengekommen.
Wenn du dich seit deinem vierten Lebensjahr auf irgendwelchen Rennstrecken rumsielst und schon zehn Jahre hauptberuflich im Motorradrennsport arbeitest, kann dich kaum mehr was beeindrucken. Und tatsächlich ist doch genau das in Zolder passiert.
Unglaublich, aber wahr: Ich war das erste Mal in Zolder. Es ist allerdings auch die 60. Rennstrecke, die ich in meinem Leben besucht habe – und in Belgien sprang der Funke sofort über! Was für eine schweine-geile Piste. Männer-Strecke, hier braucht es richtig Eier. Hier sind einige Ecken doch sehr nah dran am Road-Racing – kein Wunder, dass mir dieses Stückchen Asphaltband in Flandern sofort gefallen hat. Zwei Sprung- oder wenigstens Wheelie-Hügel – und beim Fotografieren hatte ich die gewohnte Davon-Spring-Schutzhaltung eingenommen…
Dann, Samstagabend, der 07. Juli 2018. Vom Skerries 100 kommt die Schreckensmeldung: William Dunlop ist tot. Der nächste tote Dunlop. Onkel Joey Dunlop war am 02. Juli 2000 in Tallin, Estland, tödlich verunglückt – und ist immer noch ein Held und eine Legende. Auch für mich. Ich habe Joey 1996 und 1998 auf der Isle of Man die TT fahren sehen, habe ihn auch in Frohburg getroffen – und war an seiner Unfallstelle in Tallin.
Im Mai 2008 – wir waren gerade mit der IDM in Oschersleben zu Gast – verunglückte Robert Dunlop im Training zur NorthWest 200 tödlich, überfahren vom Teamkollegen seines Sohnes Michael. Zwei Tage später gewinnt Michael Dunlop sein erstes Internationales Straßenrennen. Ein Moment, der heute noch immer Gänsehaut hervorruft.
Nun hatte es mit William einen weiteren Sohn der Dunlop-Dynastie erwischt. Dabei hatte er dieses Jahr noch die TT sausen lassen, war zu seiner Freundin Janine nach Hause gereist, da es Komplikationen in der Schwangerschaft gab. Dunlop sagte, er habe dadurch den Kopf nicht frei fürs Rennenfahren. Er und Janine erwarteten ihr zweites gemeinsames Kind. William wollte sich zurückziehen – doch der Racing-Virus war größer.
Es ist noch immer nicht zu fassen, was dieses Jahr los ist. Dan Kneen, William Dunlop, kurze Zeit später Jamie Cowton. Große Namen. Gerade bei William Dunlop war man – auch nach der Entscheidung die TT auszulassen – davon ausgegangen, er sei der Vernünftigere der beiden Brüder. Michael holte dieses Jahr wieder drei TT-Siege – Superbike, Supersport und Lightweight – und hat jetzt 18 Siege auf dem Konto. Er, Onkel Joey und Vater Robert haben zusammen 49 Mal die TT gewonnen. Ein Familien-Werk, wie es seines Gleichen sucht.
Allerdings haben auch zwei Mütter insgesamt drei Söhne verloren. Und noch viel mehr Freunde ihre Kumpels.
Klar, es ist geil anzusehen, dieses Road-Racing. Es sind die spektakulärsten Fotos, die man im Rennsport schießen kann. Aber so langsam machen sich doch Zweifel breit, wenn man nahezu jeden da kennt und laufend einen verbuddeln muss. Klingt hart, ist aber so.
Klar ist es krass, wie Peter Hickman und Dean Harrison dieses Jahr alle Rekorde auf dem Mountain-Circuit brachen. Spektakulärer denn je hat das ausgesehen. Auch bei Michael Dunlop. Doch diese drei werden auch mit dem Satz „Ein natürlicher Tod steht nicht zu erwarten“ in Verbindung gebracht. Klar, es zwingt sie niemand, da zu fahren. Aber mittlerweile – auch mit der Geschwindigkeit und Vollumfänglichkeit, wie sich solche Nachrichten heute in Sozialen Netzwerken verbreiten, kann das alles nicht unbedingt förderlich für das gesamte Thema Motorrad sein, wenn jede Woche ein R.I.P. auftaucht. Früher hatten die Tageszeitungen auf der ganzen Welt gar nicht den Platz dafür – das Internet schon. Welcher Vater und welche Mutter möchte da seinem Spross noch das Motorradfahren erlauben? Denn es sind ja dann nicht „die“ Road Racer, sondern „die“ Motorradfahrer. Eine Meinung von Mandy Kainz – an der viel Wahres dran ist.
Und doch geht es immer weiter – und so von einem Rennen zum anderen. Und damit stand das Highlight des Jahres mit dem Deutschland-Grand-Prix auf dem Sachsenring an. Dieses Mal durfte ich Lenz Leberkern und Streckensprecher-Urgestein Bernd Fulk als Boxenluder aushelfen.
Zum Beispiel am Donnerstag beim Pit-Walk. Natürlich hatten wieder alle auf Valentino Rossi gewartet – und er kam kurz vor dem Räumen der Boxengasse noch raus zu seinen Fans und schrieb Autogramme und stand für Selfies parat.
In erster Reihe stand ein junges Mädel, die sich erst ein Autogramm auf einem Schreibblock sicherte – und dann fragte, ob er ihr auch noch das T-Shirt unterschreiben würde. Machte der Doktor – und nahm damit den Status von Tom Kaulitz von Tokio-Hotel ein, denn genau so brach die junge Frau auf der anderen Seite des Zaunes zusammen.
Da wird es einem doch erst ein Mal bewusst, welche Wirkung Rossi auf seine Fans hat. Er gleicht für viele einem Gott und er wird einfach nur angehimmelt. Wir Fachidioten sind auf der Suche nach dem Warum er einfach keinen Grip am Hinterrad findet oder welche Mind-Games er mit der Konkurrenz führt. Seinen Fans ist das alles einfach egal. Selbst wenn er Letzter wird, bekommt er noch mehr Applaus, als alle anderen.
Einen Schatten warf der Fakt über den Sachsenring, dass es das letzte Mal sein könnte, da sich ADAC München und SRM überworfen hatten. Die Grundstimmung hier war eindeutig: Nicht schon wieder! Die Fans sind nahezu alle müde geworden, dieses Rennen auf der Traditionspiste diskutieren zu müssen. Hochmut kommt vor dem Fall, aber es gibt in Deutschland keine andere Strecke, die dafür in Frage kommen würde. Auch wenn – sicher mehr zum Spaß – in den Raum geworfen wurde: Wenn schon nicht Sachsenring, dann eben Schleizer Dreieck.
Es gab am Sachsenring einige Meetings zur Fortführung der MotoGP auf eben jener Strecke und es scheint, als sei Carmelo Ezpeleta erstmals in die dubiosen Machenschaften von ADAC München und Hermann Tomzcyk eingeweiht worden. Dem Dorna-Boss sei vor Staunen fast der Mund offen stehen geblieben, hieß es. Oberstes Ziel sei es nun, den ADAC München los zu werden und direkt mit dem Sachsenring und der SRM zu arbeiten. Matthias Moser – der seinen Sohn Marc lange in der IDM und im Superstock-1000-Cup an den Start schickte und mit Triple-M ein Superbike-WM Honda-Satelliten-Team betreibt – steht als Investor bereit.
Zeit wird’s, dass sich zu viele am Kuchen Sachsenring-GP bedienen wollen und dass – nennen wir es „intern“ im Deutschland-GP-Konstrukt – an einem Strang gezogen wird, anstatt gegeneinander zu arbeiten. Die Fans sind müde jedes Jahr aufs Neue um „ihren“ Sachsenring-GP kämpfen zu müssen.
Eine geile Veranstaltung wurde es vor allem auch, weil das Wetter mitspielte. Fast schon zu warm war es – aber wenigstens gab es keinen Regen, wie in den letzten Jahren so oft.
Tja, und wenn es dann nach dem Sachsenring-GP endlich heißt: Mal ein Wochenende frei und nicht arbeiten – dann geht’s nach Oschersleben selbst auf die Strecke. Eine Joint-Venture Veranstaltung vom MOTORRAD action team mit dem Triumph-Cup und der Trofeo Italiano, sowie von Bike Promotion mit der IBPM und dem BMW S 1000 RR Cup.
Fast ein dreiviertel Jahr nicht gefahren, Zeiten vom Vorjahr wieder erreicht, fünf Rennen gefahren, drei davon persönlich als gut erachtet, zwei verhauen und trotzdem noch okay gefahren.
Und auch etwas gelernt: Bei Angst, einfach wieder den Helm aufsetzen und weiter fahren. Scheinbar machen das ja alle so.
Nun aber Pause?
Nein. Geht direkt weiter. Dieses Wochenende steigen gleich zwei Saison-Highlights: Die Langstrecken-Weltmeisterschaft fährt beim Klassiker der 8 Stunden von Suzuka ihr WM-Finale in Japan aus und die IDM ist auf dem Schleizer Dreieck zu Gast, dann folgt das Bergrennen in Lückendorf mit einer Kühne 500, Baujahr 1928, und einer AWO, dann kommt der MotoGP-Lauf am Red Bull Ring in Österreich und danach geht es weiter mit meinem Gaststart im Suzuki GSX-R1000-Cup am Lausitzring. Man müsste sich manchmal teilen können…