Mitten in Deutschland gibt es eine Anlaufstelle für Zweitaktfahrer: Ob Teile für TZ 250, S1-Inspektion oder Restaurierung einer ES 150, die Ringlebs helfen weiter.
Mitten in Deutschland gibt es eine Anlaufstelle für Zweitaktfahrer: Ob Teile für TZ 250, S1-Inspektion oder Restaurierung einer ES 150, die Ringlebs helfen weiter.
Ich kann es kaum glauben: Bei einer Tour durch Eichsfeld und Hainich lande ich vor einem Schaufenster in Hüpstedt. Also dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Und ausgerechnet hier blitzen und blinken hinter der Scheibe offenbar nagelneue Simson und MZ. Von einem Dornröschenschloss ist aber nichts zu sehen. Im Gegenteil: Vorplatz, Schauraum und Fassade scheinen frisch renoviert, präsentierten sich tadellos gepflegt.
Mein Erstaunen und meine Neugierde bleiben nicht unbemerkt. Ein freundlicher Herr steckt seinen Kopf aus der Tür : „Haben Sie ein Problem mit Ihrer Maschine?“ „Nee, ich staune nur über ihr Schaufenster. Das es so etwas noch gibt. Das müssen sie mir erklären.“ „Gern!“, antwortet der Mann. Und schon werde ich durchs Tor in den Verkaufsraum von Helmut Ringleb geführt. Dort stehen MZ-Zweitakter und Simson-Mokicks, die bei der Auslieferung kaum anders ausgesehen haben können. Lediglich kleine Details verraten, dass es sich hier nicht um gut abgehangene Neuware, sondern um originalgetreu aufgebaute Fahrzeuge handelt. Auf der neuen Bereifung prangt der Heidenau-Schriftzug, und die Kerzenstecker stammen von BERU und nicht von FER. Ansonsten macht mich die Authentizität der ausgestellten Fahrzeuge beinahe sprachlos.
„Sie wissen doch, Erinnerungen sind das Paradies, aus dem keiner gern vertrieben werden möchte. Einst war man jung und locker. Das möchten unsere Kunden an schönen Tagen wieder erleben und wünschen sich daher eine TS 250 oder S 51, von der sie als junge Kerle träumten. Selbst wenn sie heute als gestandene Männer im Beruf stehen und an den Lenkrädern von Audi oder Alfa drehen, ist die Fahrt auf einem Maschinchen wie der ES 150, die wir hier zur Inspektion haben, ein Genuss, den sie nicht missen möchten. Und weil wir genauso ticken wie unsere Kunden, wissen wir auch was sie wollen.
Scheinbar hat nach über 20 Jahren seit der Wende auch hier ein Wandel stattgefunden. Dass MZ und Simson, die Mitte der 90er-Jahre in Massen auf dem Schrott landeten, inzwischen Wertschätzung genießen und ihren Liebhaberkreis haben, war mir nicht entgangen Aber die Geschäftsidee, diese Maschinen als Neufahrzuge - auch gern nach Kundenwunsch - anzubieten, ist pfiffig. Noch dazu liegen die Preise in Bereichen, die Rabattdiskussionen überflüssig erscheinen lassen.
Helmut Ringleb führt mich weiter in die Werkstatt. Dort schraubt sein Sohn Toni an einer strapazierten IFA RT 125 mit reichlich Patina. „Das ist ebenfalls ein Kundenfahrzeug, der Mann legt Wert auf zuverlässige Technik im äußerlich originalen Gewand,“ meint der Schrauber. „Offenbar haben wir eine Angebotslücke gefunden“, freut sich Helmut Ringleb und winkt mich hoch in den ersten Stock. „Hier holt mich meine Vergangenheit ein“, erzählt der 1957 geborene Thüringer. „In den 70er-Jahren schwärmten wir für Jarno Saarinen, Dieter Braun und Barry Sheene. Eben die Götter des Gasgriffs. Ich sammelte damals alles, was sich an Bildern und Informationen zu uns hinter den Eisernen Vorhang verirrte. Und träumte davon, so ein Rennmotorrad zu fahren. Als ich mir in den 90er-Jahren den Traum mit einer Yamaha TZ 350 erfüllte, merkte ich rasch, dass es in den Klassen „Clubsport“ und „Post-Classic-GP“ an Ersatzteilen mangelte. Da wir schon lange mit einer guten Gießerei zusammenarbeiten und das Thema mechanische Fertigung beherrschen, begann ich zu schauen, was fehlt. Schau mal in den Karton.“
Darin liegen Hebeleien, Gasgriffe, Lufthebel und andere Teile für Yamaha TD und TZ-Production-Racer. „Wir betonen ganz klar, dass es sich nicht um originale Yamaha-Teile handelt. Aber die Motorräder können damit authentisch wieder aufgebaut werden. Seit einiger Zeit fertigen wir auch Fußrasten samt Brems- und Schalthebel sowie Gabelbrücken an, nur von Magnesium-Guss lassen wir die Finger.“
Wie kommt man auf so ein eigenartiges Geschäftsmodell? „Ganz einfach: Zu DDR-Zeiten hatte ich beruflich mit Nähmaschinen und Feinmechanik tun. Aber in den 90er-Jahren wurde es mit der Arbeit problematisch. Also begann ich, mein Motorradhobby auf einen nebenberuflichen Handel mit Motorradteilen und bald auch auf Reparaturen und Service auszudehnen. Nach und nach richtete ich Laden und Werkstatt ein. Natürlich dachte ich auch über eine Markenvertretung nach und führte Gespräche. Ich kam aber zu dem Schluss, dass die Motorradhersteller und -Importeure von mir als Händler zu viel wollten. Der Glaspalast auf der grünen Wiese, Mindestabnahme großer Kontingente und ähnliche Dinge erfordern eben viel Kapital. Und ich wollte nicht abhängig vom Kreditsachbearbeiter werden“, erzählt Helmut Ringleb.
„Wenn ich mir anschaue, wie sich der Motorradmarkt in den letzten Jahren entwickelt hat, bin ich froh, kein Vertragshändler zu sein. Mir macht das Handwerkliche eben am meisten Spaß. Mein 27-jähriger Sohn Toni ist Feinmechanikermeister, für ihn gehört das Wiederherstellen alter Dinge zu den reizvollsten Aufgaben. Unser Herzblut hängt eben am Handwerk, das im Kraftfahrzeugbereich aber nicht mehr so wichtig zu sein scheint.“ Da kam die Entscheidung, sich um die alten Ostfahrzeuge und Ringlebs Lieblinge, die Zweitakt-Renner der 70er- Jahre, zu kümmern, fast von alleine. „Dabei kommen Spaß an der Arbeit, Erinnerungen an alte Zeiten und handwerkliche Praxis unter einen Hut.“ Eine heute nicht mehr alltägliche Firmen-Philosophie. Das schnelle Geld und der Mörderumsatz, der die Konkurrenz aus dem Feld schlägt, bilden hier nicht die Geschäftsgrundlage. Sondern vielmehr die oft beschworene Nachhaltigkeit, die mit „endloser“ Produktnutzung einhergeht.
Mein Blick bleibt schließlich an den frisch geschweißten Rahmen hängen. „Wir bauen auch RD-Rahmen so um, dass sie sich von den originalen TZ-Chassis nicht unterscheiden und alle Anbauteile, wie Schwingen, Tanks, Sitzbänke oder Kühler, exakt passen. Aus den luftgekühlten RD bauen wir TZ-Chassis mit zwei Federbeinen, die LC-Fahrgestelle verwandeln wir in TZ-Cantilever-Rahmen.“ Dem Vorwurf des Plagiats entgegnet Ringleb: „Wir bieten ja keine Originalteile, nur Umbauten, die auch als solche verkauft werden. Für das Kiesbett sind die Originalteile schließlich zu schade, oder?“
Dass unten im Verkaufsraum eine 250er-Kawa-Dreizylinder, ein paar japanische Superbikes und flotte 125er stehen, gehört für Vater und Sohn dazu. „Wir wollen ja nicht die Leute wegschicken müssen. Jedes Motorrad ist toll, und jede Arbeit eine Herausforderung.“ Zwei echte Enthusiasten eben, die ihr klassisches Handwerk lieben - und leben.
Kontakt:
Zweiradsport-Ringleb
Oberdorf 52
Gemeinde Dünwald, 99976 Hüpstedt
Tel. 03 60 76/5 10 80
www.zweiradsport-ringleb.de