Reportage - Tourist Trophy 2015 auf der Isle of Man

Reportage - Tourist Trophy 2015 auf der Isle of Man It's a Man's World

Während sich die sich die Fahrer in der Trainingswoche langsam den TT-Kurs erschlossen, diskutierten England und Irland intensiv darüber, ob Michael Dunlop auf der neuen R1 überhaupt zu schlagen sei. Der Druck auf ihn war immens. Auf uns auch. Wir mussten da hin.

It's a Man's World Kaschel
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Die Sprache ist bisweilen so martialisch wie die Veran­staltung. Jedenfalls dann, wenn man auf der Isle of Man ­ausschließlich die sportliche Seite im Auge hat. „How Milwaukee Yamaha weaponised the R1 in two months“ schlagzeilt Bikesport News, ein Magazin, das sich in England ausschließlich um Motorradrennsport kümmert. Michael Dunlop, der Seriensieger der vergangenen Jahre, und die neue Superbike-Wunderwaffe Yamaha YZF-R1, vorbereitet vom Top-Team aus der bri­tischen Superbike-Meisterschaft: Obgleich es auf der Man immer klare Favoriten gab, war die Favoritenrolle selten eindeutiger besetzt.

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Die Road-Racing-Experten erwarten von dem 26-jährigen Iren nichts weniger als eine Reihe von Siegen – und einen neuen Rundenrekord. „How the hell do we beat Dunlop?“, hatte BSN eine Woche zuvor in einer 30-Seiten-Vorschau im Kreis der etablierten Roadracer gefragt. Ist ein Sieg über ihn wirklich machbar? Die Konkurrenten wurden vorgestellt, sollten ihre Rezepte verraten. Wie wollen sie es anfangen?

McGuinness will den Druck auf Dunlop hochhalten

Guy Martin, der Publikumsliebling und Frauenschwarm, der ewige Zweite, immer vorne dabei, aber leider bislang sieglos, lobt Dunlops Konstanz über sechs lange 60-Kilometer-Runden. Sein Konzept: es ihm gleichtun. Bruce Anstey (45), der rasende Kiwi, neunfache TT-Sieger und aktuelle Rundenrekordhalter (Durchschnittsgeschwindigkeit auf dieser Strecke durch Dörfer, Städte, Berg und Tal, Wald und Wiesen: unglaubliche 213 km/h!) ist froh, dieses Mal nach Dunlop zu starten und nicht als „sein Hase“ direkt vor ihm. Er will den Spieß umdrehen, Dunlops phänomenalen Speed auf den ersten zwei Runden als Motivationsspritze nutzen, ihm im Nacken sitzen. Und der 43-jährige König der Tourist Trophy, John McGuinness, will den Druck auf Dunlop hochhalten.

21-mal gewann der Maurer aus Morecambe bislang bei der TT, ist dabei mit der Honda Fireblade vermutlich länger verheiratet als mit seiner Frau, kennt auf dem über 60 Kilometer langen Kurs jede Bodenwelle mit Vornamen. Doch gegen Dunlop, den 26-jährigen Neffen von TT-Legende Joey Dunlop, hatte er es in den letzten Jahren schwer. „Der will unbedingt gewinnen. Und er hat die Eier dazu“, sagt McGuinness im Interview vor den Rennen.

Misslungene Generalprobe interessiert niemanden

Irgendwie interessiert erstaunlicherweise niemanden die misslungene Generalprobe. Northwest 200, eines der vielen Straßenrennen drüben in Irland – das ist der letzte Gradmesser kurz vor dem großen Duell. Alastair Seeley dominierte auf seiner BMW, stellte mit drei weiteren Siegen (zweimal Supersport, Superbike) den Rekord von Michaels Vater Robert (15 Siege) ein. Sein Sohn erreichte nur einen zweiten Platz im ersten Supersport-Rennen, fiel mit der R1 bei den Superbikes mit technischem Defekt aus. Dass auch Guy Martin und John McGuinness hinterherfuhren – sei’s drum. Die laufen sich warm, hieß es. Aber Dunlop – der will immer gewinnen. Die technischen Probleme waren nicht zu übersehen.

Also: Dunlop, Martin, McGuinness? Oder: BMW, Honda oder Ya­maha? Die Lage spitzte sich zu, da muss man dabei sein. Natürlich mit den richtigen Motorrädern. BMW S 1000 RR, Honda Fireblade und Yamaha R1. Der Plan: Wir fahren zur Man, erleben die Bikes vor Ort – und diskutieren mit den Protagonisten das Für und Wider ihrer und unserer Einsatzfahrzeuge.

Von Pforzheim nach Douglas

Ortswechsel: 4. Juni, acht Uhr morgens, Rasthof Pforzheim an der A 8 zwischen Stuttgart und Karlsruhe. Hier treffen wir uns, unser Ziel: Zeebrügge in Belgien. Von dort startet um 19 Uhr die Fähre, die uns nach Hull an Englands Ostküste bringen soll. Am nächsten Morgen werden wir dort sein. Von da sind es rund 250 Kilometer bis Liverpool, von dort dann die zweite Fähre, abends gegen elf Uhr die Ankunft in Douglas. Man fährt nicht mal kurz auf die Isle of Man, man reist an. Und zwar mit ganz vielen Gleichgesinnten. Neben uns in der Schlange vor der Fähre treffen wir Stéphane Mertens, den belgischen Ex-Rennfahrer. Er war noch nie bei der TT, ist unglaublich gespannt. Auf der Rückfahrt werden wir ihn wiedertreffen, und zwar tief beeindruckt.

Zunächst aber interessiert er sich für die neue Yamaha YZF-R1, die meistens im Mittelpunkt des Interesses steht. Wie sie denn fährt? Zielgenau, stabil, tolle Wheely-Kontrolle, reichlich Druck, dieser knurrige Motor. „Damit sollte Michael gewinnen können,“ sage ich. Stéphane lächelt. „Ja, bestimmt“, sagt er. „Aber im Rennsport weiß man nie.“ Natürlich hat er recht. E-Mail vom Monster Energy-Pressemann John Close, der die Termine mit den Monster-Fahrern Dunlop und McGuinness fixmachen sollte. Monster ist Titelsponsor der TT.

Henniges
Wer in Liverpool auf die Fähre will, ist nicht allein. Und die Preise sind zur TT annähernd doppelt so hoch wie sonst.

„Mit John geht alles klar, aber mit Michael könnte es jetzt natürlich schwierig werden.“ Wir verstehen das nicht. Alles kein Problem, hatte es noch am Tag vor unserer Abfahrt geheißen. Dazwischen ein Tag auf den Motorrädern, eine Nacht auf der Fähre. Was war passiert?

Etwas, was man im modernen Profi-Rennsport (und die Besten der Roadracer sind allesamt Profis) schlichtweg für unmöglich gehalten hätte. Michael Dunlop hatte mitten in der stürmischen Trainingswoche, am Donnerstagmorgen, nach gerade einmal drei Trainingsrunden entschieden, seinen Vertrag mit Milwaukee Yamaha nicht zu erfüllen. Stattdessen beabsichtigte er, auf seiner BMW S 1000 RR aus dem Vorjahr anzutreten. Was für ein Schlag ins Gesicht der Japaner. Der Titel auf den offiziellen Programmheften der TT, alle Gazetten, die ihn auf der roten R1 im Milwaukee-Trimm zeigten, die Basecaps, T-Shirts, Jacken, die zu Tausenden auf der Isle of Man und in ganz England und Irland angeboten werden – alles Makulatur. Und unsere Geschichte? Schlagartig erledigt.

Fahrerlager für jedermann offen

Aber warum? Auch auf der Fähre von Liverpool nach Douglas weiß das niemand so genau. Wir kommen am Freitagabend spät an, beziehen nur noch unser Zelt im Metzeler-Zeltdorf im örtlichen Sportstadion. Am nächsten Morgen, vor dem ersten Supersport-Rennen, erste, bruchstückhafte Informationen. John Close spricht von technischen Schwierigkeiten mit der Yamaha. Okay, die harte Gasannahme stört uns auch an unserer Yamaha YZF-R1, die BMW hin­gegen überzeugt auf ganzer Linie. Aber deshalb gleich Team und Marke wechseln? Wir müssen ins Fahrerlager. Das ist seit Jahren für jedermann offen, ebenso wie die Zelte und Trucks der meisten Teams. Als bekanntestes deutsches Team ist das von Rico Penzkofer (www.penz13.com) vor Ort. Dort pflegt man traditionell enge Kontakte zu Michael Dunlop, der für „Penz“ sogar schon beim Frohburger Dreieck startete. Die müssen was wissen, schließlich ist Gordon Unger, der Chefmechaniker von Penz13, in den Paddocks dieser Welt zu Hause. Natürlich weiß Gordon Bescheid – und relativiert den Skandal. Michaels Yamaha habe derart viel Öl verbrannt, dass sein ehemaliger Teamkollege John McGuinness, der im Training in einer Blaurauchwolke hinter ihm hergefahren sei, ihn abends telefonisch vor einem Start gewarnt habe. Von einem Liter Öl pro Runde sei die Rede gewesen. Und von zu wenig Leistung. 

Zu wenig Leistung? Bei über 200 PS auf einem Landstraßenkurs? „Dieser Kurs ist so speziell“, erklärt Gordon. „Überleg mal, wir fahren hier mit den Superbikes einen Schnitt von deutlich über 210 km/h! Auf normalen Landstraßen wohlgemerkt, teilweise von schlechter Qualität. Mit Schlaglöchern, Ortsdurchfahrten und Millionen von Bodenwellen. Das geht nur, weil es ganz viel geradeaus geht und du ständig Vollgas gibst. Das hört sich verrückt an, aber nirgendwo brauchst du so viel Leistung wie hier. Hier wird praktisch nur Vollgas gefahren!“ Möglicherweise sei das für die Ya­ma­ha mit ihrem Crossplane-Konzept ein größeres Problem als für die anderen. Die extremen Druckschwankungen durch die sehr kurz nacheinander hinabsausenden Kolbenpaare könnten aus dem Kurbelgehäuse zu viel Öl in die Airbox drücken – vielleicht. Eine offizielle Stellungnahme ist nicht zu erhalten. Milwaukee-Chef Shaun Muir fragt sich allerdings öffentlich, „ob drei Runden ausreichen, um ein Motorrad abschließend zu testen“. Michael Dunlops Replik: „Ich bin nicht wegen des Geldes hier. Und ich bin nicht wegen des Ruhms hier. Ich bin hier, um ein Rennen zu gewinnen.“

DVD mit Guy Martin "Isle of Man - TT - Hart am Limit"

Henniges
Ganz dicht dran am Wahnsinn: Wer hier in die Luft geht, hat weit, weit über 200 Sachen drauf. Und merkt es vermutlich kaum.

Tut er aber nicht. Stattdessen gewinnen zunächst mal zwei, die angesichts dieser Dramen überhaupt nicht im Fokus standen, denen es aber jeder hier gönnt: Ian Hutchinson (35) und Bruce Anstey (45), beides TT-Legenden, beide im erweiterten Favoritenkreis, aber beide mit ganz unterschiedlicher TT-Geschichte.

Der eine – Hutchy – gewann hier 2010 als einziger Fahrer bislang alle fünf Rennen (zwei­mal Supersport, Superstock, Superbike und Senior TT). Und ver­lor keine drei Monate später bei einem Rennen in Silverstone bei­nahe ein Bein, überstand im Lauf der nächsten Jahre 30 Opera­tionen. Dieses Jahr ist er zurück, gewann schon in Macau, fuhr stark bei den Northwest 200, dominierte die TT-Trainings souverän. Er gewinnt beide TT-Supersportläufe (auf Yamaha YZF-R6), das Superstock-Rennen (Kawasaki ZX-10R), wird zusätzlich Zweiter bei den Superbikes und Dritter bei der Senior-TT. Eine beeindruckende Bilanz.

Bruce Anstey seit 1996 dabei

Ebenso wie die von Bruce Anstey. Seit 1996 ist er dabei, siegte neun Mal – aber immer nur in der Supersport-Klasse. In diesem Jahr ist es endlich so weit. Knapp elf Sekunden beträgt sein Vorsprung auf Ian Hutchinson nach sechs Runden oder knapp 365 Kilometern beim Superbike-Lauf. Ein Wert, der eindrucksvoll belegt, wie hart am Limit hier zwischen Weidezäunen, Alleebäumen, kantigen Mauern und Häuserwänden operiert wird. Anstey gewann übrigens auf der Padgetts-Honda, also auch auf der alten Dame Fireblade – was direkt zurückführt zum Anfang dieser Geschichte.

Zu Michael Dunlop, Guy Martin und John McGuinness. Und zu der Frage, ob es die Bikes sind, die hier die Sieger machen. Die Yamaha R1 in diesem Jahr ganz sicher nicht. Dean Harrison kam als bester R1-Fahrer auf den Plätzen elf, 13 und 31 ins Ziel. Und auch die BMW S 1000 RR, im vergangenen Jahren unter Dunlop Garant für Siege, geht dieses Mal fast leer aus. Der Nordire wird Zweiter im Superstock-Rennen, Fünfter in der Senior TT und stürzt schuldlos in der letzten Runde des Superbike-Rennens, weil vor ihm ein Überrundeter stürzt.

John McGuinness gewinnt die Senior TT

Und Guy Martin auf der neuen S 1000 RR, der Tyco-BMW? Er scheidet im Superbike-Lauf schon in der ersten Runde aus, wird nach hartem Kampf Vierter in der Senior TT und Siebter in der Superstock-Klasse. Lag es am Material? Wenn man uns fragt, nicht. Denn unsere S 1000 RR überzeugt auf ganzer Linie. Zum Interview trat Martin übrigens wie so oft nicht an.

Bleiben John McGuinness und die Fireblade. Beide tun, was sie schon so oft getan haben. Sie machen keine großen Worte, sammeln sich, holen Luft, um dann zuzuschlagen. John gewinnt auf der alten Dame das wichtigste Rennen der Woche, die Senior TT. Stellt mit 213,562 Kilometern Durchschnittsgeschwindigkeit einen neuen, unglaublichen Rundenrekord auf. „Was sind die Stärken der Honda?“, fragen wir. „Stabilität und Haltbarkeit“, ant­wortet John. Zwei bodenständige Eigenschaften, die zweifellos nicht nur auf die Honda, sondern auch auf ihn selbst zutreffen. Und die ganz wichtig sind auf dieser Insel und ihren „verrückten“ Rennen.

Interview: Jonathan Rea

Monster
Vor der ersten TT-Runde ihres Lebens: Jonathan Rea (rechts) und Teamkollege Tom Sykes

„Es war total verrückt“

Kaschel
Jonathan Rea im Interview.

Wenn Monster Energy Hauptsponsor ist, dürfen auch andere Motorradgrößen aus der Renn­sportwelt nicht fehlen. Für den überlegenen Superbike-WM-Führenden Jonny Rea kein ­Problem. Er lebt auf der Insel. Zusammen mit Tom Sykes befuhr er bei der diesjährigen TT dennoch zum ersten Mal den abgesperrten Kurs.

MOTORRAD: Jonny, das war heute deine erste Runde auf der abgesperrten Strecke. Wie war es?

Jonathan Rea:  Es war total verrückt.

MOTORRAD: Wie schnell seid ihr gefahren?

Jonathan Rea: Um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung, denn wir sind ja hinter einem Marshall hergefahren. Ich kann es schätzen. Vielleicht einen Durchschnitt von 100 Meilen in der Stunde.

MOTORRAD: Und wie hast du dich dabei gefühlt?

Jonathan Rea: Oh, es ist echt cool. Nun verstehe ich, warum so viele der Fahrer so gerne hierher kommen. Stell dir vor, die sperren deine Hausstrecke und du kannst fahren wie auf der Rennstrecke. Es ist absolut verrückt.

MOTORRAD: Kannst du dir vorstellen, hier zu starten?

Jonathan Rea: Nein, für mich wäre das nichts. Du musst dir vorstellen: In der Superbike-WM bin ich gerade absolut konkurrenzfähig (lacht). Wenn ich aber hierher käme, müsste ich wieder Jahre daran arbeiten, konkurrenzfähig zu werden. Für mich ist die Superbike-WM das Wichtigste. Road Racing ist ein echtes Spektakel mit toller Atmosphäre.

MOTORRAD: Sind die Jungs hier Helden oder total verrückt?

Jonathan Rea: Das ist ein Mix. Irgendwie sind sie natürlich nicht normal. Ein Fehler in diesem Spiel – und es kann böse enden. Auf der anderen Seite sind die, die hier gewinnen, echte Helden. Für diese zwei Wochen, aber auch für die Ewigkeit.

MOTORRAD: Es gibt viele, die beides tun. John McGuinness zum Beispiel fuhr die britische Superbike-Meisterschaft, fuhr in der Endurance-WM und hier. Was glaubst du, ist schwieriger: Als Roadracer auf die Rennstrecke zu wechseln – oder andersherum?

Jonathan Rea: Ich glaube, dass die Jungs, die von der Rennstrecke kommen, in beiden Disziplinen gut sind. Die, die von der Straße kommen, sind aber nicht immer die besten Rundstrecken-Piloten. Das verlangt eine unterschiedliche Mentalität. Die fundamentalen Dinge, um richtig schnell zu fahren, spielen auf der Straße keine Rolle. Hier gilt es, die Risiken zu minimieren, nicht, auch den letzten Zentimeter Strecke auszunutzen. Darum glaube ich, dass man sich mit Rennstreckenerfahrung auch beim Road­racing leichter tut als andersherum.

Interview: John McGuinness

Henniges
Gut gelaunt und eloquent: John McGuinness an seiner Fireblade

„Die Honda ist ein Spitzen-Bike“

Henniges
John McGuinness im Interview

2014 war ein Seuchenjahr für John McGuinness, eine Handgelenksverletzung warf ihn zurück. 2015 jedoch will er es noch einmal wissen. Körperlich wieder fit, zählt er sich noch lange nicht zum alten Eisen. Und er gibt – wie immer – bereitwillig Interviews? So wie dieses vor den Rennen.

MOTORRAD: John, hast du jemals darüber nachgedacht, eine BMW auszuprobieren?

John McGuinness: Nein, aber vielleicht sollte ich es mal tun (lacht). Aber jetzt mal im Ernst: Ich habe einen Vertrag mit Honda, und wir halten den Rundenrekord in der Supersport, Superstock und Superbike. Und ich glaube, dass Honda hier ein Top-Paket schnürt. Ich arbeite seit zehn Jahren mit Honda zusammen, habe seit zehn Jahren dieselben Mechaniker und seit zehn Jahren Dunlop-Reifen. Ich glaube nicht, dass ich daran etwas ändern sollte.

MOTORRAD: Hast du jemals die Traktionskontrolle an der Fireblade vermisst?

John McGuinness: Nein, nicht wirklich. Wir haben eine Traktionskontrolle ausprobiert hier bei der TT. Wir haben sie dann aber wieder ausgebaut, weil es hier so „bumpy“ ist, dass sie ständig regelt. Das kostet dich Tempo. Vor fünf, sechs Jahren haben wir eine Traktionskontrolle benutzt. Seitdem nicht mehr. Für den zivilen Einsatz auf der Straße mag das ja alles toll sein, Traktionskontrolle, ABS, Heizgriffe, bla, bla, bla, verschiedene Mappings … – das ist alles okay im zivilen Leben. Zum Rennenfahren hier braucht man es nicht.

MOTORRAD: Was sagst du zu Michael Dunlop und seinem Wechsel von Yamaha zu BMW. Wir waren sehr überrascht. Und wir haben gehört, du seiest hinter ihm gefahren und hättest ihn abends angerufen, um ihn zu warnen?

John McGuinness: Ja, ich war hinter der Yamaha und sah den vielen Blaurauch. Das ist nicht gut und auch nicht sicher. Michael ist ein Gewinner, der möchte in diesem Stadium keine Motorräder entwickeln, der möchte Rennen gewinnen. Der schert sich nicht um Politik. Für ihn war die einzige Option, das Motorrad nicht zu fahren, weil er sich nicht sicher fühlte.

MOTORRAD: Ja, aber normalerweise gibt es da Verträge?

John McGuinness: Na klar gibt es da Verträge, und wenn Michael sagt, diese Yamaha ist scheiße, dann ist das nicht gut für Yamahas Geschäft. Aber Yamaha hat ihn ja schließlich auch aus diesem Vertrag entlassen. Ach, am besten ihr fragt Michael und Yamaha, ich weiß es doch auch nicht…, aber wenn ich nicht happy mit einem Motorrad wäre, würde ich es auch nicht fahren. 

MOTORRAD: Aber mit deiner Honda bist du happy?

John McGuinness: Ja, bin ich. Sie ist nicht die Schnellste auf der Geraden, aber das Gesamtpaket – also Haltbarkeit, Stabilität, Grip, Lenkpräzision: alles gut!

MOTORRAD: Wo ist sie besonders gut, wo nicht so gut?

John McGuinness: Es sind gerade die richtig welligen Stücke, zum Beispiel von Ginger Hall nach Ramsey, mit den vielen Sprüngen – da ist sie richtig gut, sehr stabil. Vom Start bis nach Ballacraine fehlt es dafür ein wenig an Topspeed, vielleicht auch noch in den Bergen – aber überall sonst ist sie richtig gut.

MOTORRAD: Wer ist für dich in diesem Jahr der Favorit, wer hat das beste Paket geschnürt?

John McGuinness: Ohh, die Fireblade und ich sind ein gutes Paket…

MOTORRAD: Wir meinen außer Dir?

John McGuinness: Im Moment ist Ian Hutchinson sehr stark auf seiner Kawasaki, auch mental. Nach fünf Jahren mit all diesen Operationen ist er endlich wieder fit. Er ist wirklich stark. Allerdings haben wir hier im Training noch nicht die wahre Stärke einiger Fahrer gesehen. Von Gary Johnson zum Beispiel, von meinem Teamkollegen Connor Cummins, von Guy Martin, von Michael Dunlop…

MOTORRAD: Auch auf der BMW, mit der er bis jetzt nicht trainiert hat?

John McGuinness: Das spielt für Michael keine Rolle. Er wird schnell sein. Aber tatsächlich denke ich nicht über die anderen Fahrer nach, sondern über mich selbst. Ich habe die Nummer eins, ich muss so schnell fahren, wie ich kann – und sehen, was passiert. Wir haben zwei Pit Stops ... man muss erst mal ankommen. Das ist ein harter Job, es ist anstrengend.

MOTORRAD: Gibst du da draußen immer 100 Prozent, auch mal 105 oder 95 Prozent. Wie ist das? 

John McGuinness: Ich versuche 99,9 Prozent. Aber mal im Ernst: Da draußen gibt es ein paar langsame Ecken, da kann man auch mal einen Sturz riskieren. Aber dann gibt es auch furchtbar viele furchtbar schnelle Ecken. Da ist es gut, ein wenig in Reserve zu haben. Vielleicht fünf Prozent? Es ist schwer zu sagen, und jeder hat seinen eigenen Stil, ist an unterschiedlichen Stellen schnell. Man kann das dann an den Sektorenzeiten ablesen. Aber wenn du hier gewinnen willst, muss du eben überall stark sein.

MOTORRAD: Was ist mit der Angst? Kommt die nicht mit dem Alter?

John McGuinness: (lacht) Nein, das ist für mich kein ­Problem. Ich bin jetzt 43 Jahre und fühle mich innerlich wie 21! Und hier (zeigt auf seinen Bauch) vielleicht wie 51. Aber im Ernst: Ich spüre Leidenschaft, bin motiviert. Wenn ich glücklich bin und Vertrauen zum Bike habe, kann ich richtig Gas geben. Und derzeit fühle ich mich pudelwohl.

MOTORRAD: Letzte Frage: du bist auch Langstrecken-WM mit dem TT Legends Team gefahren. Das war sicher nicht immer einfach unter all den Rund­strecken-Spezialisten. Hattest du trotzdem Spaß?

John McGuinness: Na klar, Rennen zu fahren macht mir immer Spaß. Ich war vielleicht nicht der Schnellste, aber ich bin sitzen geblieben – ganz im Gegensatz zu so manchem jungen französischen Kollegen.

John, viel Glück für die nächsten Rennen und vielen Dank!

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