"Um zufrieden zu sein, sollte man zumindest versuchen, seine Leidenschaften zu leben." Der Satz klingt wie von Konfuzius, stammt aber von Thomas Schwabenland. Der Mann ist Rheinhesse, von Beruf Händler und für einige Motorradfahrer doch auch so eine Art Guru. Nur nicht wegen Aussagen wie der obigen. Sondern wegen seines Wissens. Wenn es um alte Dreizylinder-Zweitakter von Kawasaki geht, kommt in Europa niemand an Thomas Schwabenland vorbei. Die Kawa-Triples sind genau die Leidenschaft, die der 56-Jährige lebt. Er hat sie sich zum Beruf gemacht, kauft und verkauft Teile, oft weltweit. Und mit Kawa statt Konfuzius ist er dann zufrieden.
Doch das war nicht immer so. Zwanzig Jahre lang hatte der studierte Kunststoffingenieur als das gearbeitet, wofür er gelernt hat: als Ingenieur bei einem Kunststoffhersteller, später im Vertrieb des Kraftwerk- und Eisenbahnbauers Alstom. Gute Jobs, gesicherte Existenz, nur zufrieden war er nicht. Er wollte raus, nahm ein Jahr Auszeit. Das verbrachte er weitgehend in seiner Garage. In der standen 1999 schon eine Kawa H1 D und eine H2 A, beide Baujahr 1973, sowie eine 1976er KH 250 in Blau. "Die hatte ich gekauft zu einer Zeit, als niemand mehr diese rauchenden Kreissägen haben wollte." Doch ihn faszinierten sie. Daher hatte Schwabenland begonnen, Lackteile dieser Maschinen zu sammeln. Warum? Weil sie ihm gefielen, er die Gelegenheit hatte, und einfach weil es sie gab: "Der Markt war damals noch voll davon".
Doch der Markt leerte sich schnell, Schwabenland sah die Lücke, erkannte seine Chance und nutzte sie, indem er sich selbständig machte. "Durch einen Zufall hatte ich gehört, dass der damalige portugiesische Kawasaki-Importeur sein altes Teilelager loswerden wollte. Also holte ich mir von dort alle Zweitaktteile, die der noch hatte." Die Kunst des Handels, das wusste Schwabenland bereits, liegt im Einkauf. "New old stock", originale Teile in neuwertiger Qualität, waren schon damals erste Wahl und sind es heute umso mehr. Aber kaum mehr zu finden. Außer eben bei ihm. Ferner im Angebot: Altteile, restauriert oder unrestauriert, oder Reproduktionen, die Schwabenland anfertigen lässt. Viele der offiziell nicht mehr lieferbaren Gummiteile zum Beispiel. Oder die komplette Auspuffanlage der H1. Gern genommen auch der linke Seitendeckel der H2. "Der war von so ziemlich jeder H2 irgendwann mal abgeflogen, wurde damals viel nachgekauft und ist deshalb heute einfach nicht mehr neu zu kriegen."
Wer Thomas Schwabenland googelt, findet nicht viel. Eine Privatadresse, eine für E-Mails, eine Telefonnummer. Das war‘s. Kein glitzernder Showroom, kein Internetshop, nicht einmal eine Website. Als Teilelager dienen ihm Garage, Anbau und Keller seines Einfamilienhauses. Scheinbar gemütlich sitzt er daheim und packt Pakete. Klingt alles sehr einfach. Aber "ganz so einfach ist es nicht", widerspricht er. Nicht nur weil Ehefrau Karin das heimische "Wohnzimmer zur Kawasaki-freien Zone erklärt" hat. Schwierig wird es bei manchen Kundenwünschen. "Um mit allen Bestellungen klar zu kommen, muss ich häufig tief nachbohren. Die Kunden wissen nicht immer die Ersatzteilnummer, oder das Teil ist offiziell schon lange nicht mehr lieferbar." Wenn der normale Kawa-Händler nicht mehr helfen kann, sind es die richtigen Fälle für ihn.
Der neue alte Stoff, mit dem Schwabenland heute die Rätschen-Junkies versorgt, stammt meist aus den USA. Denn dorthin wurden einst 80 Prozent der Kawa-Produktion geliefert. Etwa einmal pro Jahr lässt der Dreizylinderexperte einen Übersee-Container voll mit Zweitakt-Kawas von top bis Schrott über den Atlantik schippern und sich daheim im niedersächsischen Liebenburg vor die Tür stellen. "Meinen Einkauf mache ich meist von zu Hause aus über das Internet." Da kann die Qualität der eingekauften Ware schon mal schwanken. Es sind dann auch immer regelrechte Wundertüten, die in Deutschland ankommen. Im letzten Container war von der rostigen Grotte bis zum nie gelaufenen, noch original verpackten Austauschmotor alles dabei. Inklusive einiger G-Modelle: Zweitakt-Einzylinder um die 100 Kubik, die es in Deutschland nie offiziell gegeben hat. "Chickenhunter-Bikes", Motorräder zum Hühnerjagen, nennt sie Schwabenland grinsend. So hat er dann auch beim letzten Container gleich ein "Chickenhunter-Fest" für Stammkunden veranstaltet. Zwei Hühnerjäger-Singles wechselten dabei den Besitzer.
Normalerweise verkauft Schwabenland keine kompletten Bikes. "Ich bin kein Motorradhändler", das ist ihm wichtig. So hört die Kundenunterstützung dann auch auf, wenn es zum Beispiel darum geht, einen restaurierten US-Import in Deutschland regulär zuzulassen: "Das ist nicht immer ganz einfach, die meisten meiner Kunden bewegen solche Maschinen nur mit roter 07er-Nummer".
Trotzdem hat Schwabenland für Kunden stets eine Dreizylinder-Kawa zum Probefahren parat. Zum Anfixen, wie ein Dealer, der auf dem Schulhof Gratisproben verteilt. Und nach den bunten Triples kann man schnell süchtig werden. Dann muss man in die Selbsthilfegruppe. Mit Thomas Schwabenland als Therapeut.
Dreizylinder-Zweitakter
Kawasakis Geschichte reicht zurück bis 1878. In diesem Jahr gründete Shozo Kawasaki einen Betrieb für Schiffsbau. Dazu kamen später Lokomotiven und Militärflugzeuge. Das erste Motorrad wurde 1961 gebaut. Die braven 125er-Zweitakt-Singles, die man seit 1964 auch exportierte, wurden 1966 durch eine 250er-Drehschiebermaschine ergänzt, mit der Kawasaki auch in den USA Fuß fassen konnte.
Um neue Kunden zu gewinnen, mussten die modernen Maschinen stärker und schneller werden. Auch bei Kawasaki spürte man den Leistungshunger der Amis, die nur zum Spaß und nie aus Notwendigkeit Motorrad fuhren. Ein sensationelles "Spielzeug" sollte Kawasaki den richtigen Auftritt ermöglichen. Zum Paukenschlag wurde 1968 die Vorstellung der neuen Halblitermaschine "Mach III".
Sie machte weltweit Furore und den Namen Kawasaki über Nacht bekannt. Keine andere (serienmäßige) 500er vorher war 185 km/h schnell. Zum Temperament kamen die schlanke, damals trendige Optik und der Reiz des eigentümlichen Dreizylinders.
Mit einem Leergewicht von 174 Kilogramm war die Mach III leicht. Doch dem Fahrgestell gelang es kaum, die Leistung zu verdauen. Schlechte Abstimmung der Federbeine, eine zu simple Schwingenlagerung und eine zu hecklastige Gewichtsverteilung bescherten der Maschine ein tückisches Fahrverhalten mit extrem nervöser Vorderhand. Da halfen auch die gute Gabel und der steife Rahmen nicht.
Aber Tester wie Kunden waren begeistert. So viel Power zu einem so günstigen Preis ließen viele über die Fahrwerksmalaisen, die teilweise einfach zu kurieren waren, hinwegsehen. Die Kunden kauften, was das Werk hergab, und auch in Deutschland wurde Kawasaki ein Begriff. Doch bereits Mitte der 1970er Jahre machten kalifornische Umweltschutzbestimmungen den Zweitaktern den Garaus, und Kawasakis Mittelklassepalette wurde auf Viertakt umgestellt - hatte doch die Z 900 schon lange den Boden dafür bereitet.